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Familie Umwelt

„I love Camping“

Montag, 22. August 2011 | Text: Sonja Alexa Schmitz | Bild: Sonja Alexa Schmitz

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

„Mein Hotel auf Rädern“ und „I love Camping“ klebt auf ihren Wohnmobilen. Was machen die Menschen, die man morgens, mittags, abends, auf ihren Campingstühlen sitzen sieht? Sie tragen meist ein Trägertop-/Hemd und eine kurze Hose. Entweder haben sie eine Tasse Kaffee vor sich oder eine Flasche Bier. Sie spielen Karten, machen Kreuzworträtsel oder schauen einfach nur in die Landschaft.

Dauercamper. Ein nicht wertfreies Wort. Wir haben eine Vorstellung von diesen Menschen. Ich will sie kennenlernen. Darum begebe ich mich an einem halbsonnig-halbwolkigen Freitag Nachmittag nach Rodenkirchen zum Camping Berger.
Als Erstes sehe ich eine junge Frau, mit einem Rucksack auf dem Rücken, die gerade dabei ist, ein Zelt aufzubauen. Mit Sicherheit keine Dauercamperin, aber ich bin trotzdem neugierig. Was macht sie hier? Sie heißt Johanna, ist 20 Jahre alt und kommt aus Hannover. Ferien in Köln? Freunde besuchen? Nein, Wg-Suche. Sie wird drei bis vier Nächte hier bleiben. „Ich hab das noch nie gemacht auf so einem Campingplatz, bin mal gespannt.“ Ich wünsche ihr viel Erfolg bei der Zimmersuche.
Nur ein paar Meter weiter sitzen sie. Ein Wohnmobil, davor ein geräumiges Vorzelt, drinnen Kühlschrank, Kinderspielzeug, Kram, Kram, Kram, den man genauso in der Diele eines Wohnhauses finden würde. Eine Sitzgruppe, darin sitzen Marco und Jutta, 53 aus Köln-Niehl. Ich darf mich zu ihnen setzen. Die beiden sind etwas verschlossen mir gegenüber. Fühlen sie sich vorgeführt? Spüren sie die allgemeine Skepsis ihren Spezies gegenüber? Marco antwortet knapp auf meine Fragen, Jutta hat eine freundlichere Stimme, aber sie schaut an mir vorbei, mischt sich kaum ein. Das scheint Männersache zu sein. Sie bringt ihrem Mann ein Bier, der vierjährige Enkel freut sich an einem großes Magnum-Eis (ein „Männer-Eis“). Es ist aber kein Männereis, denn ¾ davon schleckt Jutta. Mann mit Bier, Frau mit Eis, bisher stimmt das Bild.
„In der Saison, das ist von April bis Oktober, sind wir jedes Wochenende hier. Und das seit sechs Jahren.“ Auch bei schlechtem Wetter? „Ja sicher. Wir haben doch hier alles. Heizung, Fernsehen, Kühlschrank, alles da.“ Die beiden sind berufstätig. Er ist Sachbearbeiter, sie Objektleiterin. Nein, sie sind nicht hier, weil sie hier mehr Grün um sich haben. „Wir haben  in Niehl einen 2000qm großen Garten. Es ist einfach nicht mehr so wie früher in unserem Haus. Die alten Bewohner sterben aus, mit den Neuen ist es anders. Die sind nicht so offen. Hier haben wir unsere Freunde alle um uns rum. Wir sitzen abends zusammen, trinken ein Bierchen, spielen Karten.“ „Und für den Enkel ist das Campingplatzleben ja auch toll. Und für die Eltern eine gute Sache, wenn ihr Kind mal von Oma und Opa übernommen wird“, meine ich. „Nein, der Fall ist anders. Die Mutter war alleinerziehend und ist vor einem halben Jahr gestorben. Joel wächst  jetzt bei uns auf.“
Ich sehe Joel nachher noch auf dem Spielplatz mit einer kleinen Spielkameradin. Er lacht und tobt. Es scheint ihm gut zu gehen hier.

Karina (17) und  Alexander (18) aus dem Sauerland.

 

Ich erhebe mich von den wirklich sehr gemütlichen Stühlen, und gehe  auf den Stellplatz gegenüber. Hier „wohnen“ Lucia und ihre Familie. Lucia ist Italienerin, aber hier in Deutschland geboren. Ich treffe sie mit ihrer Tochter Karina, 17 und deren Freund Alexander, 18, an. Sie freuen sich scheinbar über meinen Besuch und meine Neugier. Sie kommen aus dem Sauerland, und sind genauso wie Marco und Jutta jedes Wochenende hier. Und alle Ferien. „Wir sind immer ganz traurig, wenn die Saison zu Ende ist. Wir machen aber dann immer Nachtreffen. Ein Legendäres bei uns in Olpe, und einmal im Monat ungefähr besuche ich meine Freundinnen hier,“ erzählt mir Lucia. „Wir sind hier eine große Familie geworden. Die anderen kommen alle aus Köln. Aus Ehrenfeld und Lindenthal.“ Wie sieht denn so ein Tag aus hier auf dem Campingplatz? „Aufstehen tu ich so zwischen acht und neun. Dann frühstücken wir, aufräumen, und dann gehe ich zu meinen Freundinnen, die wohnen da drüben. Manchmal fahren wir in die Stadt shoppen, oder einkaufen in Rodenkirchen, auf den Markt, oder machen einen Ausflug nach Brühl oder ins Phantasialand. Abends kochen wir, denn dann kommt mein Mann von der Arbeit.“ Das Leben spielt hier!? Gibt es denn in Olpe auch noch einen Freundeskreis? „Nein, meine Freunde habe ich hier. In Olpe ist nichts los.“
Eine Sache will ich aber nun mal wissen: Wie geht das denn mit dem Schlafen? Ich meine so viele Leute in so einem kleinen Campingwagen? Intimsphäre? „Die Kinder schlafen im Zelt. Jedes meiner drei Kinder hat sein eigenes Zelt. Nur wenn es gewittert, dann hole ich die rein. Dann lasse ich die nicht da draußen.“
Immer Menschen um sich, immer Aktion. „Brauchst du nicht auch mal einen Moment für dich alleine?“ frage ich die 43 Jährige (die übrigens aussieht und wirkt wie 32). „Klar, aber die nehme ich mir. Gestern zum Beispiel hab ich hier drei Stunden alleine gesessen und gelesen.“ Leicht verlegen lachen mir Karina und Alexander in die Kamera. Jetzt wird Kuchen gekauft und Kaffee gemacht. Ich verlasse die sehr sympathische Familie.

Ich gehe ein paar Schritte weiter, da sehe ich eine Frau über ihren akkuraten Rasen gebückt mit einer Gartenschere überstehende Stängel abschneiden. „Darf ich kurz stören?“ Ich darf, und bekomme sogar einen Kaffee angeboten. Ich setze mich auf die klassische Campingsitzgruppe, und Olli bellt mich aus seinem Vorzelt aus an. Olli, ein Yorkshireterrier. „Nein, Silky,“ klärt mich Petra auf. „Aber ist auch egal, wir haben ihn aus Spanien. Vom Zaun gebunden.“ Spanien ist die dritte Heimat von Petra und ihrem Mann. Die Erste ist Wesseling, die Zweite der Campingplatz am Rhein und wenn der geschlossen wird, fahren sie acht Wochen lang nach Spanien. Auch da haben sie ihre Campingplätze und ihre Leute. Deutsche, Schweitzer, Engländer, wir haben uns im Laufe der Jahre kennen gelernt.“

 

Camping Berger, gepflegte Rasen und Dauercamper am Rhein.

Wie es sich für Dauercamper gehört sind die beiden ebenfalls jede freie Minute hier. „Ist es hier schöner als zuhause?“ „Ehrlich gesagt, wenn ich Rentner wäre, ich hätte keine Wohnung mehr.“ Eigentlich warten wir nur darauf, dass wir in den Ruhestand gehen. Dann wollen wir nur noch mit dem Wohnwagen unterwegs sein.“ Ich bekomme so ein kleines Begeisterungsflimmern im Bauch.  Wie ist denn die Atmosphäre auf so einem Campingplatz? Ist man nicht auch manchmal skeptisch wenn Neue in die Nähe kommen und sich ihr Heim-für-eine-Nacht aufbauen? „Ja, manchmal schon. So wie die da drüben?“ Sie zeigt auf ein Zelt vor dem drei Jugendliche bäuchlings auf dem Gras liegen. „Da weiß man, die sind halt anders als wir. Die machen Müll und Lärm.“ Stimmt, vorher haben wir eine leere Hamburgerverpackung aus ihrem Garten gepickt, die von drüber rüber wehte.
 „Aber die Menschen machen ja auch das Besondere hier aus. Wenn ich will, kann ich jedes Wochenende neue Leute kennen lernen.“
Und wie sieht ein typischer Tag bei Petra aus? Sie überlegt kurz, dann sagt sie sehr entschieden: „Kein Tag ist gleich. Es liegt natürlich am Wetter, aber vor allem an einem selber. Wenn ich eine anstrengende Woche hinter mir habe (sie ist Verwaltungsfachangestellte), dann  mache ich hier gar nichts. Bewege mich kaum noch. Aber an anderen Tagen, unternehmen wir auch mal was.  Ich glaube die Rentner hier sind viel aktiver als wir. Wir kommen ja eigentlich zum Ausruhen her.“
Ich darf ihren Wohnwagen fotografieren. Und ihren Hund. Sie selber möchte nicht auf`s Bild. „Früher ja, heute bin ich nicht mehr so vorzeigbar“, sagt sie augenzwinkernd.
Der Wohnwagen nebenan gehört ihrem Sohn. „Seine Frau und er hatten auch Spaß an dem Dauercamping hier.“ Der Campingplatz als Ort des Zusammenseins mit der Familie. Warum nicht, wenn in den eigenen vier Wänden kein Raum dafür ist?!
Gar der Campingplatz als zweiter Wohnort!? Von dem aus man zur Arbeit fährt und wo man abends sein Feierabendbier trinkt. Urlaub und Alltag in einem. Und hin und wieder das Haus ausparken und in die Welt raus fahren.
Für eine Jahresmiete von 580 Euro, plus Strom. Günstiger geht´s kaum. Und der Komfort? Klo und Dusche haben sie alle in ihrem Mobil. Hin und wieder muss man die Fäkalien-Kassette ausleeren. Wasser holt man an den Wasserstellen. Heizung, Fernsehen, Kühlschrank, Bett, Sitzgruppe drinnen und draußen. Auf dem Platz gibt es ein Restaurant, Biergarten, Hotel, Internetplätze, Spielplatz und Minilädchen inklusive frischer Brötchen. Die Freunde sind gleich ums Eck. Ruhe darf man sich nehmen, wenn man sie braucht. Die Intimsphäre ist gewährt. Die Kinder kennen kaum Langeweile. Die Südstadt ist in Reichweite. Natur an Rheinwegen und Stränden gleich vor der Tür.

Eigentlich nur Vorteile. Oder….?  

 

Text: Sonja Alexa Schmitz

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