“Ich gehe woanders hin!”
Dienstag, 29. Januar 2013 | Text: Aslı Güleryüz | Bild: Tamara Soliz
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Der Künstler Guillermo Malfitani hat in seinem Leben schon ein paar Mal das Land gewechselt. Vor 62 Jahren wurde er in Buenos Aires geboren. 1985 verließ er das Land aus politischen Gründen und zog nach Spanien. Doch da war es genauso wie in Argentinien nur mit Franco. Da habe ich mir gesagt, ich gehe woanders hin, erzählt er „Meine Südstadt“ bei einer Tasse Schokolade im Café Sur. Seine Stimme ist ruhig, fast beruhigend. Er hat inzwischen etwas lichtes Haar und gestikuliert in der für Südländer gewohnten Art beim Reden: Ich hatte gehört, dass es in Köln eine Kunstschule gab, die sich mit freier Kunst beschäftigte. Das hat mich gereizt. Ich kam hierher und habe mir die Fachhochschule angeguckt. 1986 bestand ich die Aufnahmeprüfung und nahm dann 1987 das Studium hier auf. Sie sagten mir gleich: „Sie müssen Deutsch lernen!“ Das war Quatsch, denn ich konnte Englisch. Ich habe es aber trotzdem getan.
Seitdem ist er in der Kölner Südstadt verwurzelt. Bis zur Schließung der freien Kunstschule konnte er noch mit befreundeten Künstlern die Räumlichkeiten der Hochschule als Atelier nutzen. Bis zum letzten Tag im Jahre 1992 hatte ich noch die Schlüssel. Wir haben viele Tiefdruckmaschinen aus der Kunstschule retten können; Arbeitstische und Möbel auch. Später konnten wir mit diesen Maschinen die Kölner Grafikwerkstatt gründen.
Nach ein paar Atelierwechseln bezog Malfitani vor zirka zehn Jahren sein Atelier am Eifelwall. Am 2. Oktober 2012 kam es hier zu einem tragischen Brand. Guillermo Malfitani erzählt bewegt: Ein Verlängerunskabel meines Bildhauer-Nachbarn geriet in Brand. Er arbeitet mit Metall und schweißt viel. Dafür nutzt er auch einen Kompressor. Eine Gasflasche explodierte und das Kabel fing Feuer. Durch den Kompressor wurden die Flammen in alle Himmelsrichtungen versprüht. Drei Ateliers brannten in jener Nacht. Ich hatte das Atelier kurz vor der Explosion verlassen, weil ich zum Abendessen eingeladen war. Zum Glück! Mein Kollege Michael Karges war noch in der Nähe und hat fassungslos ein paar Bilder von meinem Atelier in Flammen gemacht. Er hat mich dann auch über den Brand informiert. Er war fix und fertig.
„Doch jetzt bin ich wie ein Phoenix aus der Asche und entwickle neue Arbeiten. Objekte aus Holz…
Die Tragödie ist aber noch furchtbarer: Guillermo Malfitani wollte mit seinem Atelier umziehen. Er hatte bereits Räumlichkeiten gefunden und seine Gemälde waren für den Umzug schon verpackt: Am 1. Oktober wollten wir den Mietvertrag unterzeichnen, haben den Termin dann aber um eine Woche verschoben, erzählt er. Vielleicht hätte die Vertragsunterzeichung, wenn sie am 1. Oktober zustande gekommen wäre, die 440 Gemälde Malfitanis, unzählige Skizzen, Grafiken, Objekte und Materialien, retten können all dies verlor Guillermo Malfitani in den Flammen. Die Versicherung meines Nachbarn will nicht zahlen. Die Ursache des Brandes konnte noch nicht ermittelt werden, sagen sie erzählt Malfitani nüchtern.
Er stand vor dem niedergebrannten Atelier, wo noch wenige Gemälde, Papierarbeiten, verkohltes Holz gefunden werden konnten: Die Verzweiflung, der Schock, das Schreien und Weinen kam später. Auch die Desorientierung: Was mache ich jetzt? Er hatte die Arbeit 30 Jahre seines Lebens verloren. Wie gewöhnlich trank er Kaffee im Café Sur als sein Musikerfreund Alessandro Palmitessa auf eine Idee kam: Wir organisieren ein Benefizkonzert für dich! Unabhängig von unserer langen Freundschaft, der dieser Gedanke entsprungen ist, müssen wir uns gegenseitig unterstützen. In Zeiten, in denen die Stadt den Kunstschaffenden überall die Mittel kürzt. Jetzt wollen sie auch das Bürgerhaus Stollwerck schließen. Ich habe Guillermo fast am ersten Tag meiner eigenen Ankunft in Köln 1997 kennen gelernt. Die Kunst, die hier im Café Sur zu sehen ist, stammt auch von Guillermo erzählt Palmitessa und zeigt hinter sich.
Kunst im Flammen und was übrig blieb. Guillermo Malfitanis Atelier am Eifelwall brannte am 02. Oktober 2012 / Foto: Michael Karges.
So wurde rasch die Idee realisiert. Die Lutherkirche stellt den Saal, alle Mitwirkenden vom Tontechniker bis zum Bühnenkünstler helfen unentgeltlich. Alle Spenden werden Guillermo Malfitani für seinen Neustart zur Verfügung gestellt: Ich habe in Argentinien 8mm-Filme gedreht. Dann habe ich die Negative bemalt. Ich habe auch Dias und Negative von Fotografien bemalt. Die wurden dann gescannt und gedruckt. Doch jetzt bin ich wie ein Phoenix aus der Asche und entwickle neue Arbeiten. Objekte aus Holz, erzählt er und es ist eine Art Begeisterung in seiner Stimme zu hören. Guillermo Malfitani gibt nicht auf er geht woanders hin! Ein neues Atelier steht vielleicht schon in Aussicht im Kunsthaus Rhenania.
Für die Benefizveranstaltung am Mittwoch haben Guillermo Malfitani und sein Freund Alessandro Palmitessa sich etwas Besonderes überlegt. Malfitani freut sich: Wir haben den Abend Kunst in Flammen genannt. Ich werde an dem Abend in einer Performance meine Arbeitsweise vorstellen. Auf einem Negativ werde ich malen und das Bild über einen Projektor projizieren. Es wird Kunst in Flammen heißen. Und Alessandro wird die Performance musikalisch unterstützen.
Alessandro ist begeistert: So viele Künstler haben sich gemeldet und treten an dem Abend auf! Gerd Köster, Frank Hocker, Wilfried Schmickler, Antonio Rivera, Luciana Caglioti, Tom Words und noch mehr. Diese Unterstützung ist ein Phänomen! Als ich das Plakat zur Veranstaltung in anderen Vierteln aufgehängt habe, haben viele gesagt, so etwas gäbe es nur in der Südstadt. So eine Solidarität.
Viele der verlore Bildern können Sie im Internet unter www.malfitani.de sehen.
Benefiz-Veranstaltung für Guillermo Malfitani
Kunst in Flammen
Mittwoch, 30. Januar 2013, 20 Uhr
Lutherkirche
Eintrit frei, Spenden erbeten
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