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Bildung & Erziehung Gesellschaft Südkids

Ich seh´das nicht, was Du da siehst…

Freitag, 17. Juni 2011 | Text: Judith Levold | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten

…diese Variante des Kinderspiels, vorzugsweise auf langweiligen Autofahrten bemüht, kommt mir in den Sinn, als ich mein Fahrrad auf dem Vorplatz der Severinschule anschließe. Versteckt im Rücken der Severinsbrücke liegt diese Förderschule mit dem Schwerpunkt Sehen. Ihr Träger ist der Landschaftsverband Rheinland, der kölnweit acht solcher Spezialschulen für Kinder mit unterschiedlichsten Behinderungen betreibt. In die Severinschule gehen Kinder die nur noch 30 Prozent Sehkraft oder weniger haben, oder die sogar ganz blind sind. Sie haben zum Teil lange Anfahrtswege, kommen aus dem riesigen Einzugsgebiet von Dormagen über Wipperfürth, Bergneustadt oder Euskirchen, denn in ganz NRW gibt es nur wenige Schulen für Sehbehinderte. Nach der Grundschule, die hier fünf Jahre umfasst und mit einer Eingangsklasse beginnt, können sie auch den Hauptschulabschluss machen oder aber, was viel häufiger passiert, in den Regelschulbetrieb wechseln, wo sie dann von den Pädagogen der Severinschule weiter begleitet werden. Nur noch 65 Stammschüler hat die Severinschule, hier vermittelt man seit Jahren, ganz im Sinne der Inklusion, die Kinder in weiterführende Regelschulen. „Wir machen sie hier fit für den Umgang mit ihrer Situation und mit Hilfsmitteln, dann können sie raus ins normale Leben.“ sagt die stellvertretende Schulleiterin Bettina Elsner. So genannte lebenspraktische Übungen begleiten den ansonsten normalen Schulstoff, ein Mobilitätstrainer arbeitet regelmäßig mit den Schülern. „Die Kinder lernen hier natürlich auch, ihre anderen Sinne zu schärfen, denn ein Blinder oder Sehbehinderter hört ja nicht automatisch besser, das muss man trainieren.“

 

 

Der kleine Pascal aus der Eingangsklasse zeigt uns, wie er mit der Punktschrift-Schreibmaschine umgeht – das Erlernen dieser Schrift ist erforderlich, wenn die Schwarzschrift durch das extrem geringe Sehvermögen auch in Vergrößerung nicht mehr erkennbar ist. So wie bei Pascal, der blind ist und so rasant die Schreibmaschine bedient, dass ich kaum gucken kann. Geschweige denn lesen.

 

Manchmal versuche ich es, in vielen öffentlichen Gebäuden sind an den Aufzugtasten die Nummern der Stockwerke in Braille vermerkt. Hier in der Severinschule gibt es natürlich überall Orientierungshilfen – tastbare Markierungen an den Treppen, knallige Farben, Fernsehlesegeräte. Apropos: dieses Lesegerät vergrößert die Schrift eines Textes oder dessen, was ich selbst gerade schreibe, je nach Bedarf. Melanie aus der dritten Klasse demonstriert uns das – auch ihre Lehrerin bzw. das, was diese  an die Tafel schreibt, kann sie damit für sich sicht- und lesbar machen – sie schaltet das Gerät auf die Funktion Tafelbildkamera um. Die Klassen sind klein, die Stimmung entspannt und fröhlich – ich selbst habe in der 3. Klasse nicht herausgefunden, welcher Schüler dort der so genannte „Vollblinde“ ist, so selbstverständlich sind alle konzentriert bei ihrer Arbeit.

Die Kinder in der Severinschule sind für das Personal dort meist keine Unbekannten, wenn sie in der Eingangsklasse oder noch früher in der Vorschule anfangen: Etwa 200 Kinder betreuen die Pädagogen von hier aus im Rahmen der Frühförderung – jedes blinde oder sehbehinderte Kind, von Geburt an bis zur Schulpflicht. „Mit dem Ziel, dass sie spätestens nach der 4. Klasse hier rausgehen, was aber auch zu jedem anderen Zeitpunkt möglich ist“, wie Bettina Elsner sagt.

Wie an jeder Schule, die zumindest ich in meinem Leben gesehen habe, und da kommt einiges zusammen, fehlt es hier natürlich immer an irgendwas – eine Renovierung und noch klarere Gestaltung der Orientierungssysteme im Inneren wäre dringend nötig, allein es fehlen die Mittel. Deshalb, aber auch zum Kennenlernen, laden die Kinder und Jugendlichen und Erwachsenen der Schule am morgigen Samstag (18.06.2011) alle Interessierten ein, das große Schulfest zu besuchen – von 11 bis 15:30 Uhr gibt es hier Leckereien, Flohmarkt, Musik- und Theater, Glücksrad, Tombola und vieles mehr – Eintritt frei!

 

 

LVR-Förderschule Köln
Severinschule
Förderschwerpunkt Sehen
Weberstraße 29 – 31
50676 Köln

 

Weitere Informationen lesen Sie hier.

Text: Judith Levold

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