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Lükes Liebes Leben

Je suis Aldi – Lükes liebes Leben

Montag, 19. Januar 2015 | Text: Reinhard Lüke

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Haarmonie
Früher war meine Welt nicht gut. Aber einfach. Wenn beispielsweise meine Erziehungsberechtigten zu der Ansicht gelangt waren (hatten sie sich darüber am Vorabend über Stunden ausgetauscht, gewissenhaft die Fürs und Widers erwogen?), dass die Haare des Jungen schon wieder bedenklich Richtung Hemdkragen unterwegs waren, hieß es nur: „Morgen gehst du zu Tober!“ Die darob anstehenden Besuche waren mir schon als Kind keine Freude und wurden mir mit Beginn der Pubertät ein echter Graus. Schließlich gab es es hinsichtlich angesagter Haartrachten Anfang der 70er Jahre auch für Jungs kaum eine andere Maxime als: so lang, wie geht. Aber Adam Tober, so hieß der betagte Mann mit vollem Namen, verstand sich weniger als kreativer Frisurengestalter denn als Kopfschlachter. Weil alles andere ohnehin unnütz gewesen wäre, hieß die Aufforderung zur Erbringung einer Dienstleistung bei ihm schlicht „Einmal Haare schneiden!“ und selbst die hätte man sich schenken können. Mit der Folge, dass alle männlichen Bewohner des Dorfes derselbe knappe Einheitsschnitt schmückte respektive verunstaltete, der sich wintertags immerhin noch mit einer ganztägig zu tragenden Pudelmütze einigermaßen kaschieren ließ. Es war gruselig, aber an zwei Dinge erinnere ich mich noch genau: Nach überstandener Prozedur gab´s beim Tober auch für Teenager noch immer einen Butterkeks, und über der Tür zu seiner Werkstatt hing an schmiedeeisernem Gestänge ein silberner Teller und darüber prangte ein weißes Emaille-Schild mit dem schwarzen Schriftzug „Frisör“. Darum, dass es sich dabei um die Eindeutschung eines französisches Begriffes handelte, hab´ ich mir damals wahrlich keine Gedanken gemacht. Ich hatte andere Sorgen. Auch beim Frisör. Erst Jahre später entdeckte ich in der nahen Stadt entsprechende Einrichtungen, die weltläufig unter „Friseur“ oder -noch mondäner- „Coiffeur“ geführt wurden.

Keine Judenburger
Aber damit war dann auch lange Zeit Ruhe an der Haarschneidefront. Derweil waren andere Gewerbetreibende unter ebenso exzessivem wie unsinnigem Gebrauch des Genetivs-Apostrophs kreativmäßig ganz vorn und schufen Etablissements wie

„Rita´s Geschenke-Stübchen“ oder „Dieter´s Pub“. Erst in den 90ern (oder war´s noch später?) machte sich dann wieder eine Generation von ambitionierten Frisören daran, mit wahnsinnig originellen Wortschöpfungen um Kundschaft zu buhlen. Plötzlich trugen die Salons Namen wie „Kopfsache“, „Hairlich“, „CreHAIRtiv“, „Kamm in!“, „BaHAARmas“  oder -mein persönlicher Favorit- „Haarmonie“.

In jüngster Zeit allerdings sind die Burger-Brater emsig dabei, den Haar-Artisten diesbezüglich den Rang abzulaufen. Ich meine nicht jene alten, volkstümlichen Ketten amerikanischen Herkunft, sondern die Vertreter des neuen Gastro-Hypes, der sich darin gefällt, verpöntes Fastfood in essbarer und ökologisch korrekter Manier nachzubauen. So ganz verstehe ich diesen Trend allerdings nicht. Eine ordentliche Frikadelle mit Brötchen gehörte schließlich schon immer zur kulinarischen Grundausstattung jeder deutschen Eckkneipe. Wer zusätzlich noch auf Gurke und Tomate kauen wollte, bestellte sich halt noch einen kleinen gemischten Salat dazu. Und eine Pulle Ketchup ließ sich da bestimmt auch noch irgendwie auftun. Im Prinzip machen die derzeit schwer angesagten Klops-Brater nicht viel anderes. Abgesehen davon. dass ihre Läden nicht „Beim Roswita“ sondern „Burgerlich“ oder (wie demnächst auf der Bonner Straße) „Einburgerung“ heißen. Und soviel Witzigkeit weiß eine bestimmte Klientel offenbar zu schätzen. Ich hätte da auch noch ein paar Vorschläge. Wie wär´s mit „Burgermeister“, „Mitburger“, „Spießburger“,  „Klein-(oder doch eher Groß-?)burger“? Auch „Burgerzentrum“, „Burgerkrieg“, „Burgersteig“ oder „Burgerinitiative“ wären vielleicht recht hübsch. Selbst regionale Abwandlungen bieten sich an: „Duisburger“, „Brandenburger“, „Bad Driburger“, „Nürnburger“ könnte ich mir vorstellen. “Wasserburger“ käme hingegen vermutlich nicht so gut an und „Judenburger“ wird man wohl in dem malerischen Städtchen in der Steiermark auch so schnell nicht auf einer Karte finden. Aber vor allem stehen die  trendigen Gastronomen in Hamburg bei diesem Wettbewerb ja irgendwie dumm da.

Badespaß mit Mohammed
Nu aber mal hinfort mit Haaren und Buletten. Gibt dieser Tage schließlich gewichtigere Themen. Beispielsweise die Frage:  Als was komm´ ich durch die Tollen Tage? Wenn ich die Prospekte der Spezialgeschäfte so durchblättere, fällt mir auf, dass die Klassiker „Cowboy & Indianer“ überhaupt nicht mehr auftauchen. Polizisten und Piraten halten sich im Herren-Sortiment zwar wacker, aber wirklich Neues gibt es da kaum zu entdecken. Dabei müssten doch in dieser Session eigentlich Mohammed-Fummel super gehen. Hat sich aber offenbar kein Hersteller getraut. Stattdessen werden es vermutlich zahlreiche Jecken total lustig, angebracht oder irgendwie irre korrekt finden, mit „Je suis Charlie“-T-Shirts rumzulaufen, die gerade in Nähereien in Bangladesh und Pakistan im Akkord gefertigt werden. Und nun kam da Ende letzter Woche unvermittelt auch noch Aldi-Süd ins trübe Spiel. Hatte der Discounter doch eine Waschlotion mit dem Namen „1001 Nacht“ ins Sortiment aufgenommen, auf deren Etikett eine Moschee abgebildet war. Darob hatte sich ein Muselmann aus Buxtehude in seiner religiösen Empfindung irgendwie total beleidigt gefühlt und damit einen gigantischen Shitstorm gegen den Billigheimer ausgelöst. Woraufhin Aldi (Süd) prompt das Produkt aus den Regalen nahm und sich unterwürfigst entschuldigte. Mit Verlaub: Geht´s noch?! Bei Klopapier hätte ich ja vielleicht noch Verständnis aufgebracht, aber hier geht’s mir mit der Rücksichtnahme auf religiöse Empfindlichkeiten doch einen Tacken zu weit. Schon klar, dass auch das Christentum bis zum Mittelalter sowas wie ein Bilderverbot hochhielt, aber ich möchte in meinem deutschen Alltag heute definitiv nicht mehr davon belämmert werden, das manche Mitglieder einer Weltreligion nach mehr als 200 Jahren noch immer nicht die Aufklärung zur Kenntnis genommen haben. Hab´ ich als praktizierender  Agnostiker eigentlich auch das Recht, mich irgendwo über all den Müll zu beschweren, der mir Tag für Tag in Wort, Bild und Ton zugemutet wird? Nö. Also. Wenn irgendwer die Minarett-Lotion bei Aldi erstanden hat, sie aber in Anbetracht religiöser Skrupel doch nicht benutzen möchte: Man möge sich melden. Ich kauf´ sie und stelle sie neben die Hitler-Tassen aus dem Möbelhaus ins Regal.

Text: Reinhard Lüke

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