„Jeder Konzert-Flügel hat eine eigene Persönlichkeit“
Donnerstag, 9. September 2010 | Text: Reinhard Lüke | Bild: Bernd Arnold / www.berndarnold.de
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Robert Cibis hat zusammen mit Lilian Franck den mitreißenden und inzwischen mehrfach ausgezeichneten Dokumentarfilm Pianomania über den Wiener Klavierstimmer Stefan Knüpfer gedreht, der Virtuosen wie Lang Lang, Alfred Brendel oder Pierre-Laurant Aimard zu ihrem eigenen Sound verhilft. Ein kurzweiliger Film über einen sympathischen und humorvollen Dienstleister des guten Tons. Auch für Menschen, die mit Pianos und klassischer Musik eher weniger zu tun haben.
Robert Cibis über seinen Dokumentarfilm Pianomania, der ab heute im Odeon zu sehen ist
Die Vorstellung im Kino einem Klavierstimmer bei der Arbeit zuzusehen, mutet eigentlich ungefähr so spannend an, wie ein Handtuch beim Trocknen zu beobachten. Wir kamen sie auf die kühne Idee zu ihrem Film?
Mein Bruder ist Pianist und über ihn haben wir irgendwann Stefan Knüpfer kennen gelernt. Er hat uns dann ungeheuer interessante Geschichten über seine Arbeit erzählt und uns Einblicke in eine bis dahin für uns unbekannte Welt eröffnet. Wir fanden dann die Person und sein Tun dann so spannend, dass wir unbedingt einen Film mit ihm machen wollten.
Und warum sollte sich ein normalsterblicher Mensch, der weder mit dem Klavier noch mit klassischer Musik viel am Hut hat und allenfalls hört, ob ein Instrument ge- oder verstimmt ist, den ansehen?
In denke in jedem von uns steckt eine Faszination für etwas, das größer ist als der Alltag. Und das sind oft Menschen, die es in irgendeiner Disziplin mit Hingabe und Können zu einer einmaligen Perfektion gebracht haben. Für mich gehört Stefan Knüpfer, der Klavierbauer gelernt hat und das Instrument in- und auswendig kennt, zu diesen Menschen und ich hoffe, der vermittelt diese Faszination auch Zuschauern, die sich für Klaviermusik eher mäßig interessieren.
Wie aufwändig war denn Ihre Technik, um die Feinheiten der Töne auch nur halbwegs adäquat aufzuzeichnen?
Sehr aufwändig. Bei Orchesteraufnahmen haben wir mit bis zu 90 Tonspuren gearbeitet. Entsprechend haben wir über zwei Jahre Tondatein sortiert und verwaltet und dann für die Montage mit acht Monaten verhältnismässig wenig Zeit benötigt.
Von vielen Fußball-Schiedsrichtern heißt es, sie seien eigentlich früh gescheiterte Profi-Kicker. Steckt in manchem Klavierstimmer womöglich ein Pianist, der es nicht ganz geschafft hat.
Kann ich nicht sagen. Aber bei Stefan Knüpfer ist das ganz sicher nicht der Fall. Seine ganze Leidenschaft gehört eindeutig dem Instrument. Und wenn er sagt, dass er die Virtuosen mit ihrem Jet-Set-Stress und dem immensen Konkurrenzdruck im heutigen Konzertbetrieb wirklich nicht um ihren Ruhm beneidet, ist das absolut glaubhaft. Er ist wirklich froh, wenn er seine Arbeit vor Beginn eines Konzertes erledigt hat und nicht auf die Bühne muss.
Wie war denn der Umgang mit Weltstars wie Lang Lang, Alfred Brendel oder Pierre-Laurent Aimard während der Dreharbeiten?
Völlig unkompliziert. Aber das ist bei wirklichen Stars eigentlich immer so. Ganz gleich, ob man es mit Schauspielern oder mit Musikern zu tun hat. Nur die Möchtegern-Stars pflegen ihre Eitelkeiten und Marotten. Natürlich lebt jemand wie Aimard, der so fokussiert und extrem spezialisiert arbeitet und sich ein ganzes Jahr lang auf eine Bach-Einspielung vorbereitet, in seiner ganz eigenen Welt. Um in diese Welt einzutauchen, hilft die unkomplizierte und humorvolle Art von Stefan Knüpfer.
Ist die Beziehung zwischen Pianist und Klavierstimmer wirklich solch ein Abhängigkeitsverhältnis, wie es sich im Film darstellt?
Durchaus. Anders als Geiger reisen Pianisten ja nicht mit ihrem Instrument um die Welt, sondern müssen das Instrument nehmen, das ihnen der jeweilige Konzertveranstalter zur Verfügung stellt. Und wenn sie einmal die Weltklasse erreicht haben, reicht es nicht, wenn der Flügel nur im landläufigen Sinne gestimmt ist. Da kommt es auf feinste Nuancen an, die nur ein Klavierstimmer hinbekommt, der auf seinem Gebiet genau so virtuos arbeit wie der Musiker.
Für den Laien ist es ja überraschend, dass ein Steinway-Flügel nicht kling wie der andere. Im Film werden wie Seriennummern der einzelnen Instrumente wie Darstellernamen eingeblendet. Und einmal ist sogar davon die Rede, dass man einem Flügel anhört, welche Musik vorzugsweise auf ihm gespielt wurde. Ein Witz?
Durchaus nicht. Auch wenn das für unsere Ohren kaum machbar erscheint, bin ich mit sicher, dass Musiker oder eben auch Stefan Knüpfer mit ihrem Gehör die musikalische Geschichte eines Instrumentes durchaus wahrzunehmen vermögen. So gesehen, ist jedes Instrument eine eigene Persönlichkeit.
Warum wird am Ende des Films der Flügel Nr. 109 zum allgemeinen Bedauern nach Australien verkauft?
Weil ein privater Sammler für eben genau dieses Instrument viel Geld geboten hat. Anders als eine Stradivari wird ein Flügel mit den Jahren ja nicht immer besser. Es braucht ein paar Jahre bis er zur Höchstform gelangt, aber nach nur ungefähr zehn Jahren bedarf es technischen Aufwand, um das Niveau zu halten. Dann muss man entweder renovieren und die extrem Belastung, die so ein Konzertbetrieb darstellt, wegnehmen.
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