Jeder zweite positiv getestete Kölner hat Corona schon überstanden
Montag, 6. April 2020 | Text: Stefan Rahmann | Bild: Stefan Rahmann mit Libre Office
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Was macht man, wenn man keine Zahlen hat, die über den letzten Zweifel erhaben sind? Man hält sich an die, die von offizieller Seite bestätigt sind. Was sonst? Stand Montag, 6. April, hat man seit dem 1. März in Köln 1792 Menschen als mit Corona infiziert getestet. Die gute Nachricht, die dabei oft ein wenig untergeht: 880, also mehr als die Hälfte von denen, sind inzwischen genesen. Ihr Test nach überstandener Krankheit war negativ. Die aktuelle Zahl der in Köln als infiziert Getesteten beträgt laut Stadtverwaltung 879 (s. Diagramm oben). Die mathematischen Ungereimtheiten erklären sich aus der Zuständigkeit vieler Dienststellen. Tatsache ist aber: Jeder zweite positiv getestete Kölner hat Corona überstanden. Alles steht natürlich unter dem Vorbehalt, dass nicht kommuniziert wird, wieviele Kölner und Kölnerinnen getestet wurden und wieviele Tests negativ waren. Und seit Drosten weiß auch jeder, dass die Dunkelziffern eben nicht zu beziffern sind.
Tatsache ist, dass zum jetzigen Zeitpunkt eine dramatische exponentielle Steigerung der Infiziertenzahlen für Köln nicht festzustellen ist. Was heißt das eigentlich, exponentiell? „Exponentielles Wachstum (auch unbegrenztes beziehungsweise freies Wachstum genannt, beschreibt ein mathematisches Modell für einen Wachstumsprozess, bei dem sich die Bestandsgröße in jeweils gleichen Zeitschritten immer um denselben Faktor verändert“, liest man bei Wikipedia. Etwa das Geld auf einem Sparbuch, das alljährlich mit vier Prozent verzinst wird. (Ja, das gab es mal.) Der Klassiker ist das indische Märchen, in dem ein Untergebener seinem König das Schachspielen beibringt.
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SeverinstorburgAls Dank gewährt ihm der Herrscher einen Wunsch. Was der Mann erbittet, klingt auf den ersten Blick bescheiden. Der König soll auf das erste Feld des Schachbretts ein Reiskorn legen, auf das zweite zwei, auf das dritte vier, auf das vierte acht, auf das fünfte 16 und so weiter. Die Zahl der Körner wird also jedes Mal verdoppelt. Der Wunsch ist unerfüllbar, denn die Zahl der Reiskörner auf den 64 Feldern wäre am Ende so groß, dass man mit dem Reis die gesamte Erde bedecken könnte. Hypothetisch – natürlich. Würde sich die Zahl der Infizierten wie in diesem Beispiel täglich verdoppeln, wären drei Wochen nach dem ersten Fall in der Stadt alle Kölner krank. Rein mathematisch, versteht sich. Das Motiv der Verdoppelung taucht in diesen Tagen immer wieder auf. Man berechnet die Tage, innerhalb derer sich die Zahl der Infizierten verdoppelt, um darzustellen, wie schnell sich das Virus verbreitet. Die Süddeutsche Zeitung hat mit Zahlen der Johns-Hopkins-Universität für Deutschland heute 9,1 Tage ermittelt. In England 5,4, in USA sechs. In Köln dauert es länger – aktuell etwa 13 Tage. Ein gutes Zeichen. Kann man doch vorsichtig davon ausgehen, dass es uns hilft, dass wir seit zwei Wochen unsere sozialen Kontakte reduzieren.
24 neue Infektionen am Sonntag
Seit dem 18. März veröffentlicht die Stadtverwaltung die Zahl der als geheilt aus der häuslichen oder stationären Quarantäne Entlassenen. Deren Zahl schwankt, übersteigt manchmal sogar die der an diesem Tag neu Infizierten. Die ist beispielsweise von Donnerstag mit 126 bis Montag auf erstaunlich geringe 24 gesunken. Und nicht gestiegen. Und schon gar nicht exponentiell. Das gilt auch für die Gesamtzahl der an den jeweiligen Tagen Infizierten. Die lag die ganze vergangene Woche relativ stabil zwischen 900 und 1000. Am Freitag und am Dienstag ist sie sogar gesunken. Und von Samstag auf Montag sogar um 112 auf 879.
Der Anteil der seit dem 1. März Infizierten ist in den großen Städten unterschiedlich hoch. In München beträgt er 221 von 100.000 Einwohnern. In Hamburg 142, in Düsseldorf 171 und in Berlin 86. Wir in Köln liegen irgendwo in der Mitte bei 179. Moderater als erwartet steigt – wohlgemerkt im Moment – auch die Zahl der Intensiv-Patienten in Köln. Momentan beträgt sie 72. Dabei muss man berücksichtigen, dass auch Patienten aus dem Umland mitgezählt werden, die in Köln intensiv behandelt werden. Und einige Patienten aus Italien.
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Große Kleinkunst im Theater 509 im Bürgerhaus StollwerckStadtdirektor Dr. Stephan Keller, Leiter des Krisenstabs im Rathaus, hat kürzlich darauf hingewiesen, dass aktuell in Köln 350 Beatmungsplätze zur Verfügung stehen, deren Zahl kurzfristig auf 700 verdoppelt werden könne. In Auftrag gegeben wurde die Planung für ein großes Behandlungszentrum für Erkrankte, die zwar nicht beatmet werden müssen, aber deren Atmung mit Sauerstoff unterstützt werden muss. Dieses Zentrum soll in der Messe entstehen. „Wir hoffen natürlich, dass das nicht Betrieb gehen muss“, sagte der Stadtdirektor. Die Aussicht, mit tausend anderen auf Pritschen zu liegen und sauerstoff-unterstützt tagelang auf das fahle Neon-Licht unter einer 20 Meter entfernten Messehallendecke zu starren, sollte wohl Ansporn genug sein, die verdammten Regeln einzuhalten und auf Abstand zu gehen. Auch am Aachener Weiher.
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Kommentare
Freut mich, mal wieder etwas sachlich-nüchternes von Ihnen zu lesen, Herr Rahmann! Noch dazu sehr positiv in diesen merkwürdigen Zeiten. Da Sie ja für Auf- statt Verklärung sind, möchte ich gerne wissen, wie Sie zur Meinungsfreiheit stehen. Falls Sie diese bejahen (wovon ich ausgehe), würde ich weiterhin gerne wissen, ob Sie an der Zensur meiner letzten zwei Kommentare beteiligt gewesen sind. Bitte kontaktieren Sie mich diesbezüglich unter der angegebenen Mailadresse. Vielen Dank!