Jung, migrantisch, weiblich – LINKE Zukunft im Kölner Rat
Dienstag, 2. März 2021 | Text: Judith Levold | Bild: Judith Levold
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Das mit 22 Jahren jüngste Kölner Ratsmitglied ist sehr jung, weiblich, und hat Migrationsgeschichte: Sarah Niknamtavin. Schon länger und durchaus mit Suchbewegungen engagiert sie sich in verschiedenen (umwelt-)politischen Gruppierungen – bei der Partei die LINKE hat die iranischstämmige Kölnerin seit kurzem politische Heimat gefunden, am 4. März hat sie ihren nächsten Einsatz im Umweltausschuss.
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Mainzer Hof – Traditionskneipe für Jung & Alt„Das war ein starkes Zeichen der Linken, mich auf den 5., also einen so guten Listenplatz zu setzen.“ findet die junge Südstädterin – seit ein paar Monaten lebt sie im Severinsviertel, das ihr vor allem wegen seiner Diversität gefällt. Gewählt aber wurde sie im Wahlkreis Porz, in dem sie vorher lebte und aufgewachsen ist. Es sei bei den Linken schon länger Überzeugung, dass man die Jugend mehr einbinden müsse. Und das findet auch Sarah richtig.
Als jüngstes von vier Geschwistern weiß sie sehr genau, was (finanzielle) Armut bedeutet. „Wir hatten immer wenig Geld, für Hobbies war keins übrig. Ich hatte irgendwie keine ausgeprägten Interessen, war eher ein gelangweiltes Kind.“ Und sie habe als „Küken“ den Familien-Gesprächen am Essenstisch zugehört, es ging immer auch um Politisches. Ihre Familie sei eher „links“ orientiert gewesen, die Mutter religiös, der Vater nicht, so Sarah.
Auch bei den Jusos und bei Greenpeace
Mit 15 habe sie dann beschlossen, sich mal umzuschauen, wo man in den Ferien kostenlos mitmachen, sich irgendwie engagieren könne. Und sei auf die Greenpeace-Jugend gestoßen. Schnell habe ihr gefallen, sich in einem Kontext zu bewegen, mal völlig losgelöst von Schule und Familie. Einfach nur sie selbst, die sich weiter vernetzte. „Ja und dann habe ich Verschiedenes ausprobiert, war bei den Jusos, der grünen Jugend und schließlich bei der Linksjugend.“ Da habe sie sich am besten aufgehoben gefühlt „Ich finde es beeindruckend, dass die LINKE keine Großspenden von Unternehmen annimmt.“ sagt sie. Und auch die Debatte über Regierungswilligkeit oder nicht, interessiere sie brennend.
Wichtig: An politischen Prozessen teilhaben
Vor allem will Sarah Niknamtavin Bewegungen „von der Straße“, also Fridays for Future und ähnliche, „mit in das parlamentarische Arbeiten“ tragen, denn „Ich höre ja nicht auf, aktivistisch zu sein, nur weil ich jetzt im Stadtrat bin.“ Und diese „Bewegungen“ seien eben ein großartiges demokratisches Instrument, um mitzugestalten, das höre ja nicht an Parteigrenzen auf. Konkret arbeitet sie in der Kölner Politik mit in den Ausschüssen für Umwelt und Gleichstellung, und im Integrationsrat. Und in ihrer Partei Die LINKE, der sie erst im letzten Jahr aus der Linksjugend kommend beitrat, im Arbeitskreis Umwelt. Klimaschutz, Integration und Feminismus sind auf jeden Fall Sarah Niknamtavins Schwerpunkte. „Mir ist wichtig, daran mitzuwirken, dass auch Leute mit migrantischer Biografie und auch Geflüchtete mehr an politischen Prozessen teilhaben können.“ Und natürlich auch, sich gegen Rassismus zu engagieren, denn viele, wenn nicht alle KölnerInnen mit Migrationshintergrund, hätten selbst Erfahrungen mit Rassismus gemacht. „Man ist eben nicht komplett so wie ,alle‘ – einem wird ja von Beginn an eine gewisse Andersartigkeit aufgezwungen.“ Die Debatten darüber findet sie allerdings oft insofern überzogen und für das Jahr 2021 unangemessen, als dass das doch im Grunde längst überwunden sein sollte: „Wieso werden immer die Unterschiede so betont? Es gibt doch viel mehr, das gleich ist und uns zusammenhalten sollte.“
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Bambule’s Chilistube – Keine Angst vor SchärfeSie sei vielmehr überzeugt davon, dass die Unzufriedenheit vieler Menschen von den Folgen des ungebremsten Kapitalismus herrühre. Und den grundsätzlich zu kritisieren und auch Korrekturen für seine Rahmenbedingungen vorzuschlagen, das interessiert die Jung-Politikerin. In der letzten Ratssitzung, ihrer dritten als Ratsmitglied, hat Sarah Niknamtavin eine Rede gehalten mit Bezug auf einen schon 2017 beschlossenen Antrag der LINKEn, dass nämlich das städtische Unternehmen Rheinenergie verpflichtet wird, seinen Energie-Umbau transparent zu dokumentieren. Auf Anregung und in Kooperation mit einer sachkundigen Einwohnerin aus dem Umweltausschuss hat sie die Forderung eingebracht, dass die Rheinenergie gleichermaßen die Abkehr von fossilen Energien und den Ausbau der erneuerbaren auszuweisen hat – ersteres hatte das Unternehmen in seiner Dokumentation bislang versäumt. Auf noch mehr Transparenz zu pochen, war Inhalt von Sarahs Rede. „Ich war ultra aufgeregt.“ gesteht sie, „Trotz meines jetzt schon jahrelangen politischen Engagements. Wenn ich dann so im Mittelpunkt stehe, einen Vortrag halten muss und dann noch ans Rednerpult gehen muss, Puh! Ich hatte total vergessen, dass im Gürzenich ja keine Mikros an den Sitzplätzen sind und ich stattdessen ganz nach vorne muss – und dann noch meine Freundinnen, die das im Livestream verfolgten und mir Nachrichten aufs Handy schickten…“ Das habe sie völlig nervös gemacht, sie, die eigentlich Schüchterne. Dann aber konnte sie das gut meistern und die anschließenden Rückmeldungen stärkten ihr Vertrauen für die kommenden Auftritte.
Die neuen RatskollegInnen habe sie noch gar nicht richtig kennenlernen können „Weil es ja dauert, bis sich alle Gremien formiert haben und auch wegen Corona.“ Doch insgesamt begegne man ihr freundlich und respektvoll, ihre erfahreneren FraktionskollegInnen seien wirklich immer ansprechbar, wenn sie Rat und Hilfe bräuchte. „Und auch wenn ich mit anderen RatskollegInnen telefoniert habe wegen eines Antrags oder so – da wird man ernstgenommen und erstmal herzlich empfangen.“ resümiert sie die ersten Monate als Mandatsträgerin.
Ich brauche nicht viel!
Was sie beruflich beziehungsweise ausbildungstechnisch machen will, da ist sie noch unsicher: „Ich weiß es einfach noch nicht genau. Ich habe ja jetzt ein Jahr lang die social-media-Redaktion für die Fraktion gemacht – mal schauen, auf was ich mich festlege.“ Momentan jobbe sie, schreibe Bewerbungen und bekomme die Aufwandsentschädigung und Sitzungsgelder durch ihre Arbeit im Rat der Stadt. „Ich habe schon von weniger Geld gelebt, ich brauche nicht viel und komm‘ klar so.“ sagt die 22jährige. „Ich hab auf jeden Fall Bock!“ blickt sie lachend in ihre politische Zukunft.
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