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Umwelt

Kann denn Grillen Sünde sein?

Montag, 6. Mai 2013 | Text: Christoph Hardt | Bild: Christoph Hardt

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Eine Stunde unterwegs mit AWB-Bezirksleiter Manfred Köhnlein

Ein paar Einweg-Grills samt leerer Prosecco-Flaschen, zerfetzte Plastiktüten im Gebüsch, ausgelatschte Turnschuhe in den Bäumen – eigentlich ein Saustall. Doch AWB-Gruppenleiter Manfred Köhnlein ist fast ein wenig erleichtert, als er den Blick über die Wiesen im Volksgarten schweifen lässt: „Das ist noch gar nichts“, meint der 47-Jährige. „Wenn die Temperaturen bald richtig hoch gehen, kann das hier schnell ganz anders aussehen.“

Sonntags früh, wenn die Straßen noch rein und leer sind und für ein paar friedliche Stunden Vogelgezwitscher an die Stelle des Stadtlärms tritt, beginnt für Kölns Saubermänner regelmäßig das große Aufräumen in den Grünanlagen. Im Licht der ersten Sonnenstrahlen erzählen die Parks der Südstadt eine Geschichte von Grillfreuden und Saufgelagen bis tief in die Nacht: Überall liegt Müll. 33 Mitarbeiter der Abfallwirtschaftsbetriebe Köln (AWB) rücken für die sogenannte „Picknick-Reinigung“ an. Ein Dienst, der den ganzen Sommer über nötig ist.

Denn wo die Temperaturen die Menschen zu Zehntausenden in die Stadtgärten locken, häuft sich der Abfall schnell tonnenweise an. Rund 15 Tonnen musste die AWB am ersten warmen Wochenende im April einsammeln. An Mülleimern mangelt es den Parkbesuchern dabei nicht, an Willen schon: Ist die Party erst einmal vorbei, werden Kohle, versengte Würstchen und Grillboxen immer häufiger einfach liegen gelassen. Schon will die Stadt künftig kräftig Knöllchen verteilen. In flagranti erwischten Müll-Sündern kann das Ordnungsamt dieses Jahr Bußgelder von bis zu 500 Euro aufbrummen. Nutzer eines Einweg-Grills müssen schlimmstenfalls 300 Euro blechen, Wildpinkler bis zu 100.

In den Parks wird es bald eng

So zufrieden Köhnlein an diesem Morgen mit seiner Klientel im Volksgarten ist, so sehr sorgt er sich insgesamt. Schon seit 2007 ist er an Bord der AWB, sieht die Situation in den Parks das sechste Jahr in Folge eskalieren: „Der Schmutz nimmt jedes Jahr weiter zu“, stellt er resigniert fest. Das mag auch daran liegen, dass Köln in Zeiten leerer Kassen immer voller wird: Nach Berechnungen der Stadt werden zum Jahr 2020 etwa 50.000 mehr Menschen in Köln leben als nun. Die Auswirkungen für die Grünanlagen dürften erheblich sein.

 

Allein auf vermüllter Flur: Manfred Köhnlein (47) bei Sonnenaufgang im Volksgarten

Vom Volksgarten aus düst Köhnlein schnurstracks zu seinem Sorgenkind: Die Wiese rund um den Aachener Weiher. Hier ist die Verschmutzung im Sommer regelmäßig extrem. Eines Morgens – er erinnert sich noch genau – konnte er hier seinen Augen nicht trauen: Zuerst dachte er, ein Flugzeug sei abgestürzt – so dicht lag der Unrat vom See den Hügel hinauf.

 

Das Idealbild vom Griller im Park, der seinen Müll in Säcke packt, diese an Papierkörbe stellt, die erkaltete Asche in Unterflurbehälter gibt, sucht man hier vergeblich. Viele „Spießgesellen“ halten den Mindestabstand zur Wiese nicht ein, versengen die Grasnarbe. Besuche der AWB-Grillscouts, bei denen Parkbesucher freundlich ermahnt und Müllbeutel verteilt wurden, konnten nicht spürbar fruchten. Appelle an das Pflichtgefühl? Rechts rein, links raus. Neue Papierkörbe? Ohne Wirkung. Regelmäßige Kontrollgänge des Ordnungsamtes? Vergeblich. Ein medienwirksamer Auftritt von Oberbürgermeister Roters höchstpersönlich? Im Endeffekt für die Katz.

Wegwerfgesellschaft steht auf der Kippe

Andreas Dietz fährt normalerweise Kölns größte Kehrmaschine. Der 40-Jährige ist schon im 20. Jahr bei der AWB und glaubt, dass die Verwüstungen rund um den Aachener Weiher eine Begleiterscheinung unserer Wohlstandsgesellschaft sind: „Die Leute lernen es nicht“, so Dietz. „Dabei kommen die meisten, die hier feiern, eigentlich aus gutem Hause, aus gebildeten Verhältnissen.“ Früher, da hätten die Menschen noch eine andere Erziehung genossen. Heute aber denke jeder nur noch an sich. Benutzen und wegwerfen. Tagsüber im Studium duckmäusern, abends auf den Wiesen die Sau raus lassen. Alles sofort, alles heute. Nur Rechte, keine Verpflichtungen. „Nach mir die Sintflut.“ So tickten viele Parkgänger mittlerweile.

 

Abholservice – Flaschensammler fungieren als kostenlose Mini-Müllabfuhr

 

Und wenn man Dietz dabei betrachtet, wie er sich nach jedem einzelnen Plastikbecher bücken muss, den seine Zange nicht zu fassen kriegt, und sieht, wie noch die ganzen Wiesen hinauf weiße Plastikbecher, Flaschen, Zigarettenschachteln warten, ist man geneigt, ihm recht zu geben. Dass dieses Schlachtfeld noch ein harmloses sein soll – das macht wütend. Und es fällt schwer, sich diese Menschen sympathisch vorzustellen, deren Kippen, Kronkorken und Glasscherben hier überall zum Vorschein kommen, wenn man mit der Hand durchs Gras streicht. Man bekommt eine dunkle Vorahnung, wie es sein kann, dass aufgeschnittene Seevögel aussehen wie Müllbeutel, und im Pazifik ein Plastikteppich von der Größe Europas vor sich hin dümpelt. Kein Zweifel: Die Wegwerfgesellschaft steht auf der (Müll-)Kippe.

Müll ist wie Arbeit: Er bleibt liegen
Tauben picken hier und da an Servietten herum. Und eine Ente rupft vorwitzig einen Plastikbeutel auseinander, der nicht richtig verknotet wurde. Die Ratten sieht man nicht, aber sie sind da, gewiss. „Dass sie den Tieren auch keinen Gefallen tun, bedenken die wenigsten“, schüttelt Köhnlein den Kopf. Trotzdem sei es nicht zu vertreten, dass die AWB aus erzieherischer Absicht zur Grill-Saison vorübergehend die Hände in den Schoß lege. „Dann kommen sie hier nach ein paar Tagen nur noch mit dem Bagger durch“, schätzt Dietz. Wobei die Frage sei: „Würden sich die Leute wirklich noch in ihren eigenen Dreck legen?“

Alles Lamentieren aber hilft nicht weiter: Nicht über die Leute, die an der Einfahrt zum Weiher mal wieder Bierflaschen zertrümmert haben, und nicht über Ex-Oberbürgermeister Schramma, auf den die ganze Kiste mit dem Grillen in Parks ursprünglich zurückgeht. Denn aus den Augen mag aus dem Sinn sein, aber nicht aus der Welt: Müll ist wie Form gewordene Arbeit – er bleibt liegen, wird nicht weniger. Wo eine sonntägliche Picknick-Reinigung früher vor Mittag über die Bühne war, müssen die AWB-Teams heute 7,5 Stunden ackern, ist man mit so vielen Autos unterwegs wie nie zuvor.

Der Müllmann und das liebe Vieh – Was Andreas Dietz aufhebt, hatten die Tauben längst im Schnabel

 

Kausalkette endet auf den Kehrblechen
Keine Zeit also, zu diskutieren, denn Köhnlein muss schon weiter, im Römerpark nach dem Rechten sehen. Auf dem Weg dorthin offenbart sich eine neue Frontlinie für die Kollegen von der „Satzung“, der Reinigung des städtischen Bereichs: Vor den Kneipen in der Südstadt liegen so viele Kippenschachteln und Zigarettenstummel wie sonst nur zur Fußball-WM. Ein einziger Fluppen-Friedhof. Das Rauchverbot in der Gastronomie offenbart seine Nebenwirkungen. Und nicht zum ersten Mal endet die Kausalkette von Gesetzen auf den Kehrblechen der AWB. „Einer muss es ja weg machen“, sagt Köhnlein nur.

Am Römerpark angekommen schwillt aber auch ihm dann der Kragen: Allem Anschein nach, hat sich hier – vor neugierigen Blicken geschützt – eine halbe Kompanie in der letzten Nacht die Kante gegeben. Hunderte Trinkhalme liegen hier und unzählige ausgelutschte Zitronen. Um nicht auf Gemütlichkeit zu verzichten, war man sich nicht zu fein, sogar eine Couch und zwei rote Sessel in den Park zu tragen. Eine Spur von dutzenden leeren Weinflaschen führt Köhnlein zu einem Einkaufswagen, den man einfach in ein Gebüsch gestellt hat. „Das ist jetzt der neueste Streich“, erzählt er. Die Wagen seien ein immer beliebteres Transportmittel zum Beispiel für Kölsch-Fässchen.

Von Datenschutz und Hundebeuteln
Aus einem Beutel mit Grillsachen lugt eine Quittung. Rewe. Bezahlt mit Karte. Die Nummer ist abgebildet. Trotzdem darf der mutmaßliche Verursacher keine Rechnung kriegen: Datenschutz. Doch es gibt auch Lichtblicke: Beutel für Hundekot etwa würden unheimlich gut von den Kölnern genutzt. Die Verschmutzung von Grünanlagen sei in der Hinsicht spürbar zurückgegangen. Dafür habe sich eine neue Unart eingeschlichen: Viele Hundebesitzer würden die Beutel an Ort und Stelle liegen lassen, das Aufsammeln durch die AWB als Selbstverständlichkeit ansehen.

 

Schlimmer geht immer – Im Römerpark bietet sich ein nahezu unwirklicher Anblick

Trotzdem lautet Köhnleins Fazit für die Südstadt: Hier sind die Menschen in diesem Jahr noch sehr loyal, was das Wegräumen des eigenen Mülls angeht. Jeder Stadtteil in Köln habe seine eigene Mentalität mit seiner eigenen Müll-Handschrift. Aus Stadtteilen wie Mülheim oder Chorweiler sei man da schon extremere Dimensionen gewohnt. Lernen die Südstädter also dazu? „Dafür ist es noch zu früh“, wiegelt Köhnlein ab. „Der Sommer ist noch lang.“

Text: Christoph Hardt

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