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Gesellschaft Kultur

Kanonenfeuer im Wüstensand – Sternekoch und Food-Aktivistin machen Eintopf für alle

Sonntag, 21. Juli 2013 | Text: Jörg-Christian Schillmöller | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Die Brache an der Alteburger Straße glüht in der Mittagshitze. Ein Hauch von Death Valley: Immer wieder stößt der Wind in den heißen Tennissand und lässt eine Wolke von rotem Staub aufsteigen. Insgeheim würde jeder gern im Schatten verharren.

Geht aber nicht. Es ist Aktionstag auf NeuLand, und zu Gast sind: der Sternekoch Björn Freitag (man kennt ihn aus dem WDR-Fernsehen) und die Food-Aktivistin Talley Hoban aus Wiesbaden. Sie wollen einen Eintopf kochen. Aber nicht aus irgendwelchen Zutaten, sondern aus dem, was Menschen aus Köln spontan von zuhause mitbringen (statt es wegzuwerfen).

Talley Hoban und ihr Freund Nils sind in einem gelb-weiß gestreiften VW Passat angereist. Nils klappt den Kofferraum auf und zieht zwei runde schwarze Metall-Öfen auf drei Beinen heraus. An jeden von beiden steckt er einen kleinen Schornstein. „Das sind Gulaschkanonen“, erklärt er. Die beiden Öfen werden mit Holz befeuert, und dann wird auf das offene Feuer ein großer Kessel gestellt. Warmes Essen ohne Strom.

Talley sagt dem Koch Björn Hallo und begutachtet die Freiluft-Schnippelküche: Ein langgezogener Arbeitstisch, 1,20 Meter mal sechs Meter, gezimmert aus Euro-Paletten. Darauf liegen: sieben weiße Plastik-Brettchen, zwei Schüsseln voller Messer mit Griffen in türkis, oliv und rot, und Schüsseln aus Glas und Keramik für das Gemüse.

Björn und Talley müssen erstmal eine Begrüßungs-Sequenz filmen, denn die Aktion heute wird von der WDR-Lokalzeit begleitet. Und so stehen beide am Holztisch, und Björn geht zwei-, dreimal nacheinander auf Talley zu, bis die Szene sitzt. Jedes Mal sagt er so etwas wie: „Hallo, ich bin Björn. Das sieht aber schon ganz schön lecker aus. Was machen wir denn jetzt damit?“ Es klingt jedes Mal wie das erste Mal. Ein Vollprofi.

Auf dem Tisch sammelt sich eine Menge Gemüse: Talley hat einen großen Korb Kartoffeln mitgebracht, aus Björns blauem Einkaufskorb guckt Möhrengrün heraus, außerdem ein Weiß- und ein Rotkohl und ein Büschel Radieschen. Hinzu kommt das Gemüse der Kölnerinnen und Kölner, die mitschnippeln wollen: Zucchini, Gurken, noch mehr Möhren, Blumenkohl, gelbe und rote Paprika, Frühlingszwiebeln, Sellerie und Broccoli, Tomaten, Zitronen, Äpfel und Bananen (das Obst soll allerdings nicht in den Eintopf).

Auch Timothée ist für das Kochen auf die Brache gekommen. Der Schweizer ist als Erasmus-Student in Köln und präsentiert einen gut erhaltenen Stauden-Sellerie. „Den habe ich aus der Tonne“, berichtet er. Aus der Tonne? Timothée erklärt das gern – und verwendet ein Wort, das es in dieser Form noch nicht so lange gibt: „containern“: „Ich gehe nach Ladenschluss zu den Supermärkten und schaue am Hintereingang, was dort weggeworfen wird. Ich gehe regelmäßig containern.“ Etwas prosaischer formuliert: Timothée steigt in die Container hinein und sucht dort nach Essbarem – ganz ähnlich wie das auch die Aktivistin Talley Hoban in Wiesbaden tut. Der Antrieb für beide: Sie wollen nicht hinnehmen, dass die Konsumgesellschaft soviel auf den Müll wirft.

 

 

Gibt es auch Ärger mit der Polizei? Timothée nickt. Er selbst hat bislang zwar Glück gehabt, weiß aber von anderen Fällen. „Manchmal rufen Anwohner die Polizei. Entweder weil sie sich vom Lärm gestört fühlen, oder weil sie vermuten, dass Diebe am Werk sind“. Timothée schreckt das nicht ab: „Mir ist es wichtig, möglichst leise zu arbeiten und keinen Dreck zu machen. Ab und an räume ich sogar noch auf. Dann ist es hinterher sauberer als vorher.“

Die Mittagshitze drückt. Jetzt ist die freiwillige Kölner Schnippeltruppe an der Reihe, die nackten Flipflop-Füße vom Tennissand gerötet. Ina und Juliane schrubben Kartoffeln mit Handbürsten. Renke, Jennifer und Christina schneiden sie klein. Warum machen sie mit? „Mir geht es um die Wertschätzung von Lebensmitteln“, sagt Juliane. Ina mag vor allem das NeuLand-Gelände – aber auch den Foodsharing-Gedanken. Also die Idee, das Essen zu teilen, damit alle was bekommen und nichts weggeworfen wird.

Es riecht nach Feuer. Nils hat die Kanonenöfen mit Holz gefüllt und angezündet. Aus den Schloten quillt heller Rauch, die Luft flimmert – als wäre es nicht schon heiß genug. Der Rest ist vegane Basis-Kochkunst: Talley Hobans Ziel ist kein spektakuläres Sternegericht, sondern – ganz bewusst – zwei Kessel voll Gemüsesuppe, zubereitet in gemeinschaftlicher Arbeit und mit Zutaten, die vor dem Mülleimer gerettet werden. Björn Freitag, der Sternekoch, rührt ein bisschen um und würzt das Gericht mit Kräutern, die er frisch auf NeuLand erntet. Dann heißt es warten.

 

 

Es dauert noch ein gutes Stündchen, bis der Doppel-Eintopf fertig ist. Dann sitzen auf der Brache mehr als 20 Menschen und löffeln Suppe. Lecker, sehr lecker sogar, finden alle – auch wenn so ein heißer Eintopf eher in den Herbst als in den Hochsommer gepasst hätte.

Am Ende bleibt nur eine kleine Ironie des Schicksals: Es ist viel zuviel übrig. Selbst 20 Menschen haben nicht einmal einen der beiden Kessel geschafft. Wohin nun mit den Resten? Ungewollt stellt sich den Organisatoren genau die Frage, wegen derer sie eingeladen hatten: Was kann man tun, damit kein Essen mehr weggeworfen wird? Die Lösung: Der Eintopf wird großzügig im Laufe des Tages an NeuLand-Besucher verteilt – und über foodsharing.de und die Facebook-Veranstaltungsseite der Schnippel-Aktion gibt es den virtuellen Hinweis: Es ist noch Suppe da.

Text: Jörg-Christian Schillmöller

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