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Kultur

Kein Entrinnen möglich

Dienstag, 19. Mai 2015 | Text: Alida Pisu | Bild: Meyer Originals

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Das Foyer eines Theaters ist eigentlich nur als Durchgangsstation gedacht. Im Stück „Bin nebenan“ von Ingrid Lausund, das im „Freies Werkstatt Theater“ Premiere hatte, wird das Foyer zur Bühne umfunktioniert und so wird aus der Durchgangsstation ein Zuhause. Obwohl es mehr als fraglich bleibt, ob die Darsteller wirklich Zuhause sind. In ihren vier Wänden. In sich selbst.
Sie werden der Einfachheit halber Sie und Er genannt. Ihre Namen tun auch nichts zur Sache. Sie könnten Hinz und Kunz, Du und Ich heißen. Sie könnten in der Nachbarschaft wohnen, Tür an Tür mit, sagen wir: Alice. Alice, wir erinnern uns an den 70er Jahre-Schlager, die einfach geht, ohne Erklärung. Und derjenige, der zurückbleibt, wollte zwar, konnte ihr aber nie sagen, was er für sie empfunden hat. Weil er nicht aus seiner Haut herauskam.

So geht es auch den ganz unterschiedlichen Figuren, die uns in sieben Monolog-Miniaturen in ihren Lebenswelten und ihren Beziehungen, besser gesagt: Beziehungsversuchen, präsentiert werden. Auf der Suche nach Orientierung, hin und her gerissen zwischen Wollen und Nichtwollen, drehen sie ihre Runden im Hamsterrad, aus dem es kein Entrinnen gibt.  

So wie der junge Mann, der seinen eigenen Weg sucht. Auf dem Wege-Leit-System von Ikea, das zu seinem Zielgruppen-Sofa Leander führt. Dabei ist ihm durchaus bewusst, wer er ist. Nichts anderes nämlich, als der Zielgruppen-Durchschnittstyp: „Siebentausend Profile übereinandergelegt ergeben mein Gesicht!“ Sein Leben ist überraschungsfrei und durchgestyled. Und ihm ist völlig klar, wie kalkulierbar sein Durchschnittstyp-Dasein ist: „Die wissen schon ein Jahr vorher, was man für ein Sofa braucht.“

Da klingt eine leise Kapitalismus-Kritik an, doch der Kapitalismus ist immer schneller als man denkt. Und so verführerisch. Und überaus wandlungsfähig. Selbst für die, die aus ihrem Profil ausbrechen wollen, steht schon das nächste sorgfältig kalkulierte Profil bereit. Der Versuch, tatsächlich seinen eigenen Weg zu gehen und gegen die Berechenbarkeit zu rebellieren, scheitert. Das Zielgruppen-Sofa Leander wird mit der Visa Gold Card bezahlt. Denn das Wege-Leit-System von Ikea führt immer dahin, wo Ikea will. Auch wenn’s niemand merkt.

Schließlich muss man sich ja irgendwie einrichten. In seinem Zuhause. So lautet die Botschaft eines anderen Monologs. Aus der Sicht einer Frau geschildert. Schöner Wohnen ist angesagt. Mit zwei Kaminen. Mit zwei Sofas. Mit einer Hängepflanze Basilikum. Und dem neuen Esstisch, der am nächsten Tag kommen soll. Das Schöner Wohnen – Ambiente erweist sich als hohle Fassade, hinter der sich eine gescheiterte Beziehung verbirgt. Man lebt noch in einer Wohnung, dank eines „diskreten Rotationsprinzips“ ist jedoch dafür gesorgt, dass man sich aus dem Weg gehen kann. Ein Kamin und ein Sofa. Für jeden von ihnen. In zwei verschiedenen Zimmern. Und auch ihr ist völlig klar: „Wir sind total gescheitert!“

 

Foto: Meyer Originals

 

Konsequenterweise will sie gehen. Mit ihrem einsamen Basilikum, das sie während ihres Monologs arg zerrupft und verschlungen hat. Sie geht dann doch nicht. Vielleicht wegen rarer Momente wie diesem: „Vor ein paar Tagen, da hab ich ihn gefragt, ob er mich umarmen würde. Das hat er auch gemacht.“

Mit jedem Wort, jeder Geste, ist die bestürzende Vereinsamung, an der all die Sies und all die Ers leiden, zu spüren. Das bringen die beiden Darsteller, Sie: Fiona Metscher, Er: Robert Oschatz, sehr detailliert und nuanciert zum Ausdruck. Es gelingt ihnen mühelos, binnen Sekunden den Schalter umzulegen und in eine andere Rolle zu schlüpfen. Die sie dann umwerfend glaubhaft verkörpern. Fiona Metscher glänzt insbesondere als versnobte Dame, deren Nachbarin Ayse bei ihr putzt. Anfänglich trinkt sie mit Ayse vor dem Putzen noch eine Tasse Tee aus ihrer Hutschenreuther Teekanne. Doch so nach und nach zeigen sich die kulturellen Unterschiede, vor allem das kulturelle Unverständnis für andersartige Lebensgewohnheiten. Als die Teekanne zu Bruch geht, nimmt sie die Beziehung der beiden Frauen mit…

Robert Oschatz gefällt besonders in der Rolle des Mannes, der in keiner Stadt heimisch werden kann und sich deshalb eine schöne Grabstätte kaufen möchte. Aber auch dieses Glück ist ihm nicht vergönnt: da, wo er hin will, ist alles ausverkauft. Zu spät also. Und wieder mal Pech gehabt. In dieser wunderbaren Miniatur zeigt sich exemplarisch die pointierte Gestaltungskraft der Regisseurin Pia Maria Gehle. All die Städte, in denen er gelebt hat, werden nach und nach symbolisch als Schneekugeln auf der Bühne aufgereiht. Ihm von ihr gereicht. Aus einer länglichen Kiste, die sicher nicht ohne Grund an eine Sarg-Form erinnert. Klappe auf, ihr Arm reicht eine Kugel an. Klappe wieder zu. Wortlos. Beziehungslos. Jeder lebt für sich. Wie in einer Schneekugel. So allein. So in seiner eigenen Welt, seinem Zuhause eingeschlossen.

Eine sehr sehenswerte Inszenierung, die nicht nur berührt, sondern auch bestens unterhält! Hingehen und angucken! Und vielleicht den Nachbarn oder sich selbst in der einen oder anderen Figur wiedererkennen…

 

„Bin nebenan“? Von Ingrid Lausund
Mit Fiona Metscher und Robert Oschat                                                      

Inszenierung PiaMaria Gehle
Die nächsten Termine:?22., 23. Mai, 5., 6. 18., 20. und 26. Juni 2015                                                       

Freies Werkstatt-Theater, Zugweg 10, 50677 Köln

 

Text: Alida Pisu

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