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Südkids

Kirsten Boie ist Stammgast bei der lit.kid.COLOGNE

Mittwoch, 27. März 2019 | Text: Jeannette Fentroß | Bild: Jeannette Fentroß

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Die Bel Etage des Schokoladenmuseum war bis auf den letzten Platz besetzt, als Kirsten Boie zu ihrer ersten Lesung der lit.kid.COLOGNE 2019 humpelte. Humpelte? Ja, richtig gelesen. Damit sich die Kinder aber nicht den Kopf zerbrechen mussten, was der Autorin denn bloß passiert sei, erklärte sie rasch, woher ihr vorübergehendes Handicap stammt: „In vier Wochen laufe ich wieder ganz normal, ich hatte eine OP am Fuß.“

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„Wer kennt Ritter Trenk oder die Kinder aus dem Möwenweg?“, fragte die nette Hamburgerin in die Runde aus Schülern der 5. und 6. Klasse. Zahlreiche Finger schnellten in die Luft. Natürlich waren die Kids vorbereitet und kannten Boies Geschichten auch aus den Verfilmungen. Doch am Montagmittag ging es um ein ganz anderes Buch: „Ein Sommer in Sommerby“, erschienen im Februar 2018 im Oetinger Verlag.

Die Kinder hörten aufmerksam zu, als Kirsten Boie zu lesen begann: „Der Tag vor dem ersten Tag – Dabei hat alles mit einer schlimmen Nachricht angefangen. Das ist ja manchmal so im Leben: Etwas Erschreckendes passiert, aber wenn man nach Jahren darauf zurückblickt, dann hat genau damit etwas Glückliches begonnen. Nur, dass man das zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß.“

Die Kinder müssen zur Oma

Ja, die Geschichte beginnt traurig, erzählte die Autorin. Die Mutter der Kinder Martha, Mikkel und Mats hatte in New York auf dem Weg zur Arbeit einen Unfall, es geht ihr nicht gut, und der Vater muss schnell zu ihr fliegen. Und in den Ferien, wo alle verreist sind, können die Kinder nicht alleine zu Hause bleiben. Auf die Schnelle gibt es nur eine Lösung: Martha, Mikkel und Mats sollen zur Oma. Nur, die Geschwister kennen ihre Oma gar nicht, nur die Älteste der Drei war schon einmal bei ihr zu Besuch. „Ich weiß nur, dass sie komisch war“, erinnert sich Martha.

„Sommerby, schöner Name“

Die Oma wohnt in Sommerby, einem kleinen Dorf mit Reetdach-Häusern, knorrigen Obstbäumen in den Gärten und ganz nahe an der Ostsee. Zu ihrem Haus für kein Weg, nur der abenteuerliche Gang über eine Kuhweide. „Verlassen Sie sofort mein Grundstück“, die erste Begrüßung fällt nicht gerade besonders freundlich aus. Die Oma kommt hinter einem Holunderstrauch hervor, in Gummistiefeln und abgewetztem Pullover über einer fleckigen Jeans, unter ihrem rechten Arm klemmt lässig ein Luftgewehr. Die Oma erkennt ihre Enkelkinder zunächst nicht und Martha denkt bei sich, dass sie jetzt eigentlich antworten müsste. Aber Martha sagt gar nichts und die Oma auch nicht. Alles ist falsch.

Kirsten Boie Litcologne
Doch schließlich nimmt die Oma die Geschwister auf und bereitet ihnen ein Matratzenlager unter dem Giebel des Reetdaches. Und dann beginnt der erste Abend. Martha möchte ihrer Freundin ein Foto über WhatsApp senden, doch die schrullige alte Frau hat weder WLAN noch Netz. „Ich geh keinem ins Netz,“ lacht die Oma – eine Tatsache, die für die Stadtkinder nur schwer zu verstehen ist. Aber es wäre kein Kinderbuch von Kirsten Boie, wenn sich die Kinder im Verlauf der Geschichte nicht noch einigen Abenteuern stellen müssten. Nach und nach lernen sich alle besser kennen und freunden sich sogar an. Und spätestens, als die Idylle bedroht wird, halten die Stadtkinder und ihre Oma ganz fest zusammen und erkennen, worauf es im Leben wirklich ankommt.

Junges, wissbegieriges Publikum

Jetzt war das junge Publikum an der Reihe und durfte Fragen an die Kinder- und Jugendbuchautorin richten. Und es gab sehr vieles, was die Schüler*innen von Kirsten Boie wissen wollten, beispielsweise, wie lange sie braucht, um ein Buch zu schreiben. „Das ist natürlich unterschiedlich, je nachdem, wie dick das Buch wird. Für 300 Seiten brauche ich etwa 4 Monate“, gibt Boie Auskunft. Bei der nächsten Frage kommt ihr eigentlicher Beruf als Lehrerin durch, „Wie lange schreiben sie schon Bücher?“. Die Autorin stellt den Kindern eine Aufgabe und lässt sie die Antwort selbst errechnen, „Ich bin 69 Jahre alt und habe mit 35 Jahren mein erstes Buch geschrieben. Na, wie lange ist das denn jetzt her?“ Dass sie schon mehr als 100 Titel veröffentlicht hat, beeindruckt das junge Publikum. Daher fragen sie auch nach dem Verdienst. Doch als Kirsten Boie erklärt, dass ihre Beteiligung pro Buch weit unter einem Euro liegt, sind alle verblüfft: „Was?“

Buchideen im Stau und an der roten Ampel

Die Ideen für ihre Geschichten fallen der Autorin zufällig ein, aber die Anregungen basieren fast immer auf wahren Begebenheiten. Die Kinder wollen erfahren, ob es das Haus und die Oma in Sommerby wirklich gibt. „Wir haben an der Schlei ein Ferienhaus und bei einer Wanderung habe ich dort genau dieses einsame Haus entdeckt und bin selbst auch über den Zaun an der Kuhweide geklettert“, verrät Boie. „Was haben sie gemacht, bevor sie anfingen, Bücher zu schreiben?“, möchte ein Junge wissen. „Das ist ein Beruf, den ihr alle sehr gut kennt“, gibt die Autorin zurück, „ich war tatsächlich Lehrerin.“ Ein Mädchen fragt weiter, „Machen sie denn beim Schreiben auch manchmal Fehler?“ Da muss Kirsten Boie auch lachen. „Und wie!“, gibt sie gerne zu, „und das ist besonders peinlich, weil ich ja früher Deutschlehrerin war!“

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Die Fragen des jungen Publikums nehmen kein Ende, doch Kirsten Boie beantwortet alle. Es gibt auch ein Buch, das ihr heute nicht mehr gefällt, weil sie es unter Zeitdruck schreiben musste. Und sie achtet darauf, dass die Namen in den Geschichten passend gewählt sind. Sie erzählt von ihrem Sohn, den sie und ihr Mann adoptierten. Boies erstes Buch hieß „Paule ist ein Glücksgriff“, es handelte ebenso von einem Jungen mit schwarzer Hautfarbe, der von seinen Eltern adoptiert wurde. Das Jugendamt schrieb ihr damals vor, ihren Beruf als Lehrerin aufzugeben, so kam sie zum Schreiben. Aber als junges Mädchen wollte sie schon Autorin werden, da ihr immer so viel Geschichten einfielen. Zum Schluss signierte Kirsten Boie die mitgebrachten Bücher für ihre begeisterten, jungen Leser*innen.

Klasse-Buch – das junge Programm der lit.COLOGNE

Die lit.kid.COLOGNE ist das beständig wachsende, junge Programm des seit 2001 jährlich stattfindenden Lese-Festivals in Köln. In diesem Jahr gibt es insgesamt 93 Veranstaltungen im Kinder- und Jugendbereich. Dazu zählen auch die Klasse-Buch-Lesungen, die sich besonders an Schüler*innen der 1. bis 11. Klasse richten. Kirsten Boie ist seit vielen Jahren Stammgast der lit.COLOGNE und liest 2019 aus ihren beiden neuen Büchern. Kinder sollen lesen! – was oft gefordert wird, gelingt hier. „Kirsten Boie erzählt mit großer Nähe und Wärme von den wirklich wichtigen Dingen, die uns alle berühren“, so steht es im Prolog des Buches „Ein Sommer in Sommerby“ – und das stimmt.

Text: Jeannette Fentroß

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