Köln ist eine Baustelle!
Dienstag, 22. Mai 2012 | Text: Aslı Güleryüz | Bild: Cecil/ Tamara Soliz
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Wie oft haben wir diese Aussage schon gemacht! Und man kann es sogar noch weiter fokussieren: Bayenthal ist eine Baustelle, oder wird es flächendeckend sein, denn zwischen Schönhauser Straße und Bayenthalgürtel haben wir demnächst sechs Baustellen.
Jahrelang wurde in Köln zu wenig Wohnraum geschaffen, dafür aber reichlich Bürogebäude. Nun haben wir also zu viele Büros und nicht genug Wohnungen. Und dagegen soll jetzt etwas unternommen werden. Schön und gut. Aber was ist, wenn der daraus entstehende Baulärm so unerträglich wird, dass man nicht mehr in Ruhe wohnen kann? Meine Südstadt hat sich für Euch schlau gemacht.
Früher hieß es mit Blick auf den Park…
und jetzt heißt es mit Blick auf die Baustelle! klagt eine 72-jährige Mieterin im Wohnpark Bayenthal. Seit bald 20 Jahren wohnt sie schon im Wohnpark und betrachtet die Entwicklungen betrübt. Die Eigentümerin des Wohnparks, die GAGFAH (die Allianz-Versicherungen ließen den Wohnpark Anfang der 70er Jahre bauen), hat beispielsweise das Gelände des offenen Parkplatzes auf der Alteburger Straße verkauft. Entstehen sollen hier 37 Eigentumswohnungen und 70 Tiefgaragenplätze für Autos direkt vor den Wohnhäusern auf der Alteburger Straße. Mitten in Bayenthal heißt das Projekt. Die Baugenehmigung ist zwar noch nicht in letzter Instanz von der Stadt genehmigt, aber die Bagger sollen im September anrollen. Allerdings hat sich bereits ein Verkaufscontainer für die schicken Eigentumswohnungen samt Makler und Hochglanzkatalogen auf dem Gelände niedergelassen.
Palais du Rhin, 379, Riverside West
lauten die wohlklingenden Namen der weiteren Bauprojekte am Ende der Alteburger Straße in Bayenthal. Auch das goldene Bürohaus am Rheinufer soll zu Wohnraum umgebaut werden.
Rosemarie van der Ploeg wohnt seit 1973 in Bayenthal und sieht das gelassen: Baustellen muss man akzeptieren, wenn man in einer Stadt wohnt. Was ich beschissen finde hier, ist nun die Situation der offenen Müllcontainer vor meiner Haustür. Da der offene Parkplatz des Wohnparks Bayenthal, auf dem die Müllstation beherbergt war, verkauft wurde, musste die Müllstation umziehen und zwar vor die Häuser am Klerschweg 7 und 9. Es kommt jetzt hier jeden Abend zu Mülltourismus. Menschen, die hier nicht wohnen, kommen mit ihren Autos voller Müll und werden ihn hier los. Die Mieter fordern abschließbare Müllcontainer, um diesen Müllnomaden entgegen zu wirken.
Mieter müssen nicht alles hinnehmen
Jürgen Becher, Geschäftsführer und Pressesprecher des Mietervereins Köln, kennt die Probleme: Auch wenn der Vermieter nicht für die Baustelle verantwortlich ist, haben Mieter das Recht, Miete zu mindern, wenn der Baulärm unerträglich wird.
Und wie macht man das, Herr Becher?
Zunächst schreibt man einen Brief an den Vermieter. Der Wohnwert in der Wohnung muss durch die Baustelle so sehr beeinträchtigt sein, dass das Wohlbefinden in der Wohnung verringert wird. Wichtig ist, dass man in dem Brief den Hinweis macht, dass man mit sofortiger Wirkung die Miete unter Vorbehalt zahlt. So behält sich der Mieter die Option offen, die Miete rückwirkend zu mindern. Je nach Dauer und Intensität des Baulärmes kann die Miete gemindert werden. Anschließend führt der Mieter ein Lärmprotokoll. Zum Beispiel: Am Tag X begannen die Presslufthammer um 8 Uhr morgens. Zwei Stunden waren sie im Einsatz. An Tag Y fuhren die LKWs mit Betonmischern um 15 Uhr vor und waren bis 18 Uhr im Einsatz. Der Baulärm ist so laut, dass eine Unterhaltung in der Wohnung nicht möglich ist oder es kommt zu Erschütterungen oder zu Bauschmutz und Baustaub. Ein Nachbar oder Besucher sollte dies im Protokoll bezeugen. Der Lärm kann den ganzen Tag durchgehend andauern oder nur ein paar Stunden. Die Minderung wird im Einzelfall geprüft, man kann sich beim Mieterverein oder einem Rechtsanwalt Rat holen. Es gibt auch viele Tipps in der Broschüre Wohnungsmängel und Mietminderung vom Mieterverein. Oft wird die Warmendmiete um 10% gemindert. Viele Mieter am Chlodwigplatz haben ihre Miete zum Beispiel beim U-Bahn-Bau gemindert. Die Miete kann dann monatsweise gemindert werden oder am Ende der Bauaktivität gesammelt. Im letzten Jahr haben wir in unseren Räumlichkeiten 33.000 persönliche Beratungsgespräche geführt. 14.000 davon handelten um Nebenkostenabrechnungen und in 7.000 Gesprächen ging es um Wohnungsmängel und Mietminderung. Wenn der Vermieter sich wehren möchte, schickt er einen bösen Brief, es kommt zu Verhandlungen oder zu einem Prozess.
Sich informieren und wehren
Prof. Burkhard Krems wohnt seit 1979 in Bayenthal. Er recherchiert, informiert sich und stellt seine Ergebnisse für alle zugänglich ins Internet. Er hat schon gegen seinen Vermieter prozessiert, gewonnen und Miete & Nebenkosten gemindert. Nachlesen kann man Gesetzestexte, Urteile und jede Menge Informationen hier. Wegen der Baustelle vor seiner Haustür ist er zunächst nicht beunruhigt: Bei uns im Haus herrscht eine betretene Stimmung. Natürlich soll neuer Wohnraum entstehen, das ist ja erlaubt. Und wenn die Abstände zu den anderen Häusern eingehalten werden, ist da nichts gegen einzuwenden. Aber es entsteht ja kein sozialer Wohnungsbau. Wir werden den Baulärm erst einmal abwarten.
Wenn ich nicht so alt wäre, würde ich umziehen
sagt die 68-jährige Rosemarie van der Ploeg: Früher war das alles viel grüner hier.“ Aber wir wohnen nun einmal im Einzugsgebiet Süd und werden wohl mit noch mehr Baustellen in den nächsten Jahren rechnen müssen.
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