„Köln lässt das Licht an“: 70 Kilometer Absperrband für 100 Schaufensterpuppen
Montag, 15. März 2021 | Text: Noémi-Raquel Itgen | Bild: Noémi-Raquel Itgen
Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten
Menschliche Gestalten in rotweißes Band eingewickelt in der Südstadt. Es sieht fast so aus, als wäre es ein ganz normaler Kneipenabend im Veedel an einem Samstag. Ein merkwürdiges Bild zu Zeiten der Corona-Pandemie. Leider sind es keine Menschen, die vor den Kneipen stehen, sondern nur Schaufensterpuppen.
Ich habe mir die Aktion näher angeschaut, mit den Verantwortlichen gesprochen und ein Stimmungsbild aus dem Veedel geholt. Aber erst mal auf Anfang.
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Das ist das Motto des Projekts des Künstlers Dennis Josef Meseg zur aktuellen Corona Situation. Auslöser war Dennis Mesegs Besuch eines Spielplatzes, der in „rotweißes Flatterband“ eingewickelt war. Er hat eine Fotoserie geschossen, daraufhin das Absperrband gekauft und seine erste Schaufensterpuppe eingewickelt. Das hatte eine große Wirkung auf ihn und er wollte herausfinden, wie mehrere Puppen eingewickelt in dem rotweißen Band aussehen, erzählt er mir.
Warum sehen die Puppen so aus?
Diese Fragen haben sich wahrscheinlich viele Passanten beim Vorbeigehen gestellt. Schaufensterpuppen in rotweißem Absperrband und teilweise nur mit einem Bein. Die Personen mit einem Bein spiegeln die Bewegungseinschränkungen in der jetzigen Zeit wider. „Das rotweiße Flatterband ist da, um die Distanzierung zu symbolisieren, und die Schaufensterfigur an sich, um den Stillstand in der Zeit festzuhalten“ erklärt der Künstler.
Ganz nach diesem Motto haben Dennis Meseg und Sven Nowak von der Kunstnavigation UG das Projekt am Samstagabend in die Südstadt geholt, um auf die bedrohliche Situation der Gastonomen aufmerksam zu machen. Insgesamt hatte das Team rund um den 42-jährigen Künstler die Erlaubnis, 30 Kneipen und Bars in der Südstadt zu bespielen. Der Startschuss fällt um 18.30 Uhr auf der Darmstädter Straße. Kneipen wie das Backes und Pottkind haben das Licht für Dennis Mesegs Projekt angelassen.
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Das Musikhaus Süd – lebendiges Kulturzentrum für alleNach einer knappen Stunde werden die über 100 rotweißen Schaufensterpuppen in zwei Transporter geräumt, und weiter geht es zum nächsten Halt: Alteburger Straße und die Torburg. Dort angekommen, wird eine neue Szenerie von dem 25-köpfigen Team von Dennis Meseg erschaffen, und vorbeigehenden Passagen zeigen sich beeindruckt von dem Spektakel und zücken ihre Handys. Auch für die Kölner ist die Schließung der Kneipen und Bars kein Zuckerschlecken, denn genau an diesem Wochenende vor einem Jahr wurde die Schließung der Bars und Kneipen bekannt gegeben. Zwei kölsche Mädchen erzählen mir, dass sie auf eine schnellstmögliche Öffnung der Gastronomie hoffen, damit sie an Wochenende „endlich wieder raus können“.
Was halten unsere Gastronomen von der Aktion?
„Geil“ antwortet mir Philipp Petri, Sohn der Besitzer vom Backes auf der Darmstädter Straße. Sie wurden am vergangenen Donnerstag angerufen und von der Aktion in Kenntnis gesetzt. Das hat Philipp Petri sich nicht zweimal sagen lassen und lässt pünktlich zum Start der Aktion um 18:30 Uhr das Licht an und will damit ein Zeichen setzen mit der Message: „Wir sind noch da.“ Auch Hülya und Martin Wolf von der Torburg beobachten das Spektakel vor ihrer Kneipe und sind begeistert. Ein „Großartig“ geht Martin über die Lippen, und dass die Farben der rotweißen Schaufensterpuppen die kölschen Farben haben, lässt ihn breit grinsen. Nachdenklich sagt Martin, dass sie „an guten Abenden locker 100 Leute“ in der Torburg hatten, also theoretisch alle Schaufensterpuppen. Heutzutage unvorstellbar und auch „eigenartig, dass momentan nichts stattfindet“, hält der Wirt fest.
„Wertschätzung und Dankbarkeit“
So fasst Dennis Meseg die Message seines Projekts zusammen. Die Menschen sollen dadurch zum Nachdenken angeregt werden und für Dinge, die für uns normal waren, dankbar sein. „Dass man sich einfach ein bisschen mehr zufriedener gibt mit den Sachen, die man hat und mit den Menschen, die einen umgeben, wie wichtig das ist, jemand mal in den Arm nehmen zu können. Die grundsätzlichen Dinge, die schon gar kein Wert mehr hatten, sollen wieder ein bisschen mehr an Wert gewinnen.“
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