Köln trotz(t) Armut – Einblicke in das Leben von Köln jenseits großer Budgets
Dienstag, 31. Dezember 2013 | Text: Antje Kosubek | Bild: Hanna Witte
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Die älteste Straßenzeitung Deutschlands, der DRAUSSENSEITER (früher Bank Extra), berichtet seit 1992 über Menschen, denen sonst ein Sprachrohr fehlt: Wohnungslose und Menschen in sozialen Schwierigkeiten. Die Autorin und Journalistin Christina Bacher arbeitet hier als Chefredakteurin und trägt Verantwortung dafür, dass monatlich ein professionell gestaltetes Heft erscheint. So wird den oft wohnungslosen Verkäufern ein kleines Einkommen und eine Tagesstruktur gesichert: Jeden Tag zur selben Zeit am selben Ort zu stehen und den DRAUSSENSEITER zu verkaufen, ist eine der wichtigsten Regeln, um Stammkunden und somit ein Lächeln zu bekommen. Elfmal pro Jahr erscheint der DRAUSSENSEITER mit Geschichten vom Leben auf der Straße und Interviews mit sozial engagierten Prominenten sowie Tipps von und für Leute, die auf der Platte leben. In diesen Tagen ist nun beim Kölner 11.punkt Verlag ein E-Book erschienen, das die wichtigsten Beiträge unter dem Titel Köln trotz(t) Armut zusammenfasst. Damit die Straßenzeitungsverkäufer in Zukunft auch ein gedrucktes Buch in ihr Sortiment aufnehmen können, haben die Zeitungsmacher gerade mithilfe von Prominenten eine groß angelegte Crowdfunding-Aktion bei startnext initiiert. Gemeinsam mit vielen etwas erreichen, fasst Christina Bacher das Experiment zusammen. Schwarm-Finanzierung gegen künstlerische Leistung und ein gedrucktes Buch. Mal sehen, ob es fruchtet.
Wie lange sind Sie schon Chefredakteurin beim DRAUSSENSEITER und wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Bacher: Ich arbeite seit acht Jahren für den DRAUSSENSEITER und es macht mir nach wie vor Spaß wenngleich es sicher nicht der bestbezahlte Job ist. Wir treffen uns wöchentlich in der Oase (Anm. der Red.: Die Anlaufstelle für Obdachlose und Menschen in sozialen Schwierigkeiten OASE befindet sich auf den Poller Wiesen in Deutz, mehr Infos unter www.oase-koeln.de) zu Redaktionssitzungen und Schreibworkshops. Bei uns kann jeder mitmachen, nur so können wir ein vielfältiges und buntes Heft rund um das Thema Armut und Ausgrenzung auf den Weg bringen.
Wie wird der „DRAUSSENSEITER verkauft, was ist das Prinzip, das hinter Straßenzeitungen steht?
Bacher: Man muss da unterscheiden: Es gibt ja diese Hefte, die nur als Vehikel zum Betteln benutzt werden im Unterschied zu den seriösen Straßenzeitungen, die sich im International Street Papers Verbund (INSP) zusammen geschlossen haben und die ihren Verkäufern auch eine Sozialberatung, einen Offenen Treff oder manchmal auch Wohnraum zur Verfügung stellen können. Das ist für den Kunden sicher nicht immer so einfach zu unterschieden, da hilft nur ein Blick auf das Impressum, den Inhalt und: Dass der Verkäufer einen Ausweis trägt. Der DRAUSSENSEITER erfährt seine Daseinsberechtigung dadurch, dass ca. dreißig Verkäufer durch den Vertrieb eine Tagesstruktur bekommen sowie Kollegen, die dasselbe tun. Die Verkäufer agieren dabei als kleine Unternehmer. Sie kaufen die Zeitung in der Oase. Der Verkaufspreis beträgt 1,70, der Verkäufer bezahlt 80 Cent dafür und erhält also 90 Cent pro verkaufte Zeitung für sich. Es gibt auch ein Starterpaket mit fünf Heften. Unsere Auflage schwankt zwischen 3000 und 5000 Exemplaren, die Kosten werden durch den Verkauf, Anzeigenerlöse, Spenden und einen kleinen städtischen Zuschuss gedeckt.
Nun hatten Sie die Idee ein Best of der Artikel und Porträts aus zwei Jahren DRAUSSENSEITER anzubieten?!
Bacher: Ja! Den DRAUSSENSEITER gibt es nun schon seit mehr als zwanzig Jahren, aber gerade in der letzten Zeit haben wir die unterschiedlichen Einrichtungen in der Wohnungslosenhilfe portraitiert, die sich mal im Arbeitskreisumbruch zusammengeschlossen hatten. Die Reihe von professionell geschriebenen Reportagen mit guten Fotos kam bei den Lesern sehr gut an, genauso wie unsere Interviews mit Menschen, die in Köln viel bewegen. Für alle, die die jeweiligen Ausgaben verpasst haben oder sich über einen Leitfaden durch ein soziales Köln auf den Reader freuen, gibt es jetzt das E-Book. Ein wichtiges Kapitel fasst die Portraits einiger DRAUSSENSEITER-Verkäufer zusammen: Es wäre toll, haben wir uns gedacht, wenn die Verkäufer ihre eigene Geschichte auf der Straße verkaufen könnten. Die Oase hat kein Budget für die Druckkosten, der 11.punkt Verlag macht nur E-Books: Gemeinsam haben wir deshalb eine Crowdfunding-Aktion gestartet. Wenn man diese unterstützen möchte, ist man mit 5 Euro schon dabei, für 15 gibt es beispielsweise ein Buch oder für 300 ein Wohnzimmerkonzert mit dem Brecht-Interpreten Guido Renner. Ziel ist es, 4000 Euro für Layout und Druckkosten zusammen zu bekommen.
Der DRAUSSENSEITER wird von Journalisten sehr geschätzt und wurde im November 2013 mit dem Journalisten-Sonderpreis der AWO Mittelrhein als herausragende Redaktion ausgezeichnet und war mit dem Interview über den ehemaligen Straßenjungen Esat und dem Streetworker Colin Emde für das Beste Interview bei den International Street Paper Awards nominiert. Was bedeutet das für Ihre Arbeit?
Der AWO Journalisten-Preis freut mich ganz besonders, da die ganze Redaktion ausgezeichnet wurde. Der DRAUSSENSEITER ist eine Gemeinschaftsleistung: Die einen bringen die Geschichten mit, die anderen können schreiben das geht Hand in Hand. Und für Leser, die viel unterwegs sind, möchte ich empfehlen, auch in anderen Städten Straßenzeitungen zu kaufen: Von Hinz und Kunz in Hamburg bis hin zu Big Issue in London das ist einfach gute, außergewöhnliche Berichterstattung.
Was ist ihr Lieblingsort in der Südstadt?
Bacher: In der Südstadt bin ich sehr gern im Café Sur. Dort sitze ich gern bei einem Kaffee. Erst kürzlich, vor Weihnachten traf ich mich dort mit Pfarrer Moertter und Ralf Richter, um über das geplante 7 Sterne Hotel für Obdachlose zu sprechen. Das Interview wird in unserer Januar-Ausgabe nachzulesen sein.
Vielen Dank für das Gespräch.
Mehr im Netz:
www.draussenseiter-koeln.de
Link zur Crowdfunding-Aktion
Link zum eBook: Köln trotz(t) Armut – Bestes vom DRAUSSENSEITER“
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