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Kolumne

Konsequente Kompromisse

Montag, 6. Juni 2011 | Text: Kathrin Rindfleisch

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

„Smilla, komm Zähneputzen!“ „Jaa!“ „Smilla, ab ins Bett!“ „Ich komm ja schon!“ Herrlich. Schön. Schnee von gestern. Denn seit Neustem ist einfach alles „Will ich nicht!“ Zähneputzen ist doof und schlafen erst recht und wer das Aufstehen erfunden hat, der gehört zur Strafe schon um sechs ins Bett! Jeder Abend wird so zum Kampf an knallharter Front. Denn, Aufgeben ist was für Babys.

„Smilla, komm Zähneputzen!“ „Jaa!“ „Smilla, ab ins Bett!“ „Ich komm ja schon!“ Herrlich. Schön. Schnee von gestern. Denn seit Neustem ist einfach alles „Will ich nicht!“ Zähneputzen ist doof und schlafen erst recht und wer das Aufstehen erfunden hat, der gehört zur Strafe schon um sechs ins Bett! Jeder Abend wird so zum Kampf an knallharter Front. Denn, Aufgeben ist was für Babys. Es ist wirklich erstaunlich, wie lange Smilla meinem „Mach das jetzt!“ ein bewundernswert bestimmendes „Nein!“ entgegensetzt. Ihre Ausdauer im Eigenen-Kopf-Durchsetzen setzt mich dabei auch gerne das ein oder andere Mal unter Druck. Dann nämlich zum Beispiel, wenn ich einen anstrengenden Tag hinter mir habe und wirklich müde bin. Mir also im Grunde nichts sehnlicher wünsche, als ich von ihr verlange: Zähneputzen und ab ins Bett! In solchen Momenten dann ertappe ich mich dabei, nach dem dritten „Nein!“ das Putzen der Zähne für gar nicht so wichtig zu halten und der Begriff „ausnahmsweise“ formt sich in meinem Kopf zu einem wunderbar weichen Kissen im Himmelbett. Vermutlich einer der Momente, der dem Erziehungsstil „Laissez-fair“ einen humusreichen Boden bereitete.

In diesen Momenten des „Du putzt jetzt die Zähne!“ „Nein!“ „Doch!“ „Nein!“ „Doch!“ „Nein!“, ist ein „Dann lass es doch sein.“ so verlockend. Und wird im selben Atemzug zu einem „Dann lass MICH doch!“ Und immer genau dann, wenn ich das merke, wenn es am Ende nur um meine Bequemlichkeit geht, um meine Unlust, mich auseinander zu setzen, schellen in meinem Kopf die Alarmglocken und das rote Licht geht an. Und ein inneres, nicht konkret zu ortendes Gefühl sagt mir, dass es genau jetzt wichtig ist, beim „Doch!“ zu bleiben um die bisher überschaubaren „Neins!“ nicht wachsen zu lassen. Ich gebe bei so manch einer Frage ja gerne nach – des Öfteren ist darüber hier zu lesen – aber gut und richtig fühlt sich an, bei Dingen, die mir besonders wichtig erscheinen, konsequent zu bleiben. Interessanter Weise hat meine ewig agierende und oftmals nervende Mütter-Unsicherheit keine Chance gegen dieses klare Gefühl im Bauch, das mich bestätigt, immer dann, wenn ich Smillas Willen nicht nachgebe. Ich sollte mich wohl endlich mal darauf verlassen und an den Punkten, die mich unsicher machen lassen, die mich und meine Konsequenz in Frage stellen, einfach mal locker bleiben. Wenn schon was in Frage gestellt wird, kann´s ja so wichtig nicht sein, oder?
 
Erste Erfolge haben sich prompt auch schon eingestellt: Haare waschen? Ja! Und ohne Geschrei. Fingernägel schneiden? Doppel ja. Und tatsächlich auch hier: ohne Geschrei. Jetzt sind das natürlich Beispiele die, sagen wir mal „naturgemäß“ nicht laufen zu lassen sind, anders gesagt: ungewaschene Köpfe und sich vor Länge krümmende Nägel gehören in einen Artikel über Verwahrlosung, klar. Nichts desto trotz ist es ein gutes Gefühl, nach langen Zeiten des Kampfes – und alle Leid geplagten Eltern werden mir recht geben, wenn ich beim Fingernägel Schneiden wider Willen von einem „Kampf“ spreche – entspannt das machen kann, was ehedem unausweichlich ist. Und das Wichtige dabei: mir sitzt kein besiegtes und unterjochtes Kind gegenüber, Smilla scheint sich regelrecht selber zu  freuen, dass sie nicht mehr kämpfen muss, dass es gar nicht schlimm ist, dass sie jetzt schon groß ist, dass sie lacht statt Stress zu spüren.
 
Ich bin – auch wenn das nicht immer zu vermuten ist – im Grunde ein unverbesserlicher Optimist. Und als Dieser passieren mir die verrücktesten Dinge. Ich male mir zum Beispiel aus, dass Smilla irgendwann in naher Zukunft so Sachen sagt wie „Mama, ich gehe Zähneputzen und dann ins Bett.“ Als unverbesserlicher Optimist stapelt man immer ein bisschen höher, damit am Ende selbst nach Abzügen noch was Gutes dabei raus kommt. So ist mir in dieser Zukunftsvision ein realistisches „Muss ich wirklich Zähne putzen? Na gut.“ und „Ich geh ins Bett – aber darf ich noch was Buch gucken?“ immer noch ein zufriedenstellendes Szenario, mit dem ich gut leben kann. So lange gibt’s den allabendlichen Kompromisskampf mit Bürste. So landen wir immer in der hinteren Badezimmerecke auf dem Fußboden, statt – wie irgendwie praktischer – über dem Waschbecken, aber bitte, ich kann auch konsequent sein UND Kompromisse zulassen!

Text: Kathrin Rindfleisch

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