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Kultur

Unser aller Trude

Donnerstag, 3. Mai 2012 | Text: Reinhard Lüke | Bild: Chargesheimer

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Mythos, Kult, Ikone. Am 4. Mai wäre Trude Herr 85 geworden. Wer war die die Frau eigentlich? Trude Herr, das war in meinen Kindertagen fernab von Köln die lustige Dicke, die an Sonntagnachmittagen im Fernsehen durch die stockbiederen Schlagerfilme der Nachkriegsrepublik turnte. Die Streifen trugen Titel wie „Drei Liebesbriefe aus Tirol“ oder „Freddy und das Lied der Prärie“ und sahen auch genau so aus. Klar, der Gassenhauer „Ich will keine Schokolade“ war mir damals auch schon mal zu Ohren gekommen. Anfang der 80er als Immi in Köln gelandet, hätte ich mir Trude Herr in ihrem „Theater im Vringsveedel“ auf der Bühne ansehen können. Immerhin hatte ich irgendwo gehört, das sei „nicht ganz so blöd wie Millowitsch“. Aber, mit Verlaub, außer ein paar Juristen und BWLern gingen Studenten damals nicht ins Boulevard-Theater. Ich nicht und auch keiner, den ich kannte. Auch in den Jahren danach drängte mich eigentlich nichts, mich in irgendeiner Form mit dem Phänomen Trude Herr zu beschäftigen. So stehe ich heute, an ihrem 85. Geburtstag, noch immer einigermaßen ratlos vor der rückhaltlosen Veehrung, die der 1991 gestorbenen Autorin und Schauspielerin nach wie vor selbst von Menschen entgegengebracht wird, die es auch nie mit dem Volkstheater hatten. Trude Herr ist Ikone, Kult und was weiß ich. Und einen eigenen Park mit Denkmal hat sie in der Südstadt auch. Aber warum eigentlich?

 

„Tutti war ein Unikat“
 
„Tutti war schon ein Unikat“, sagt Josef Tratnik. „Tutti“? „Klar, so hieß sie in Köln doch nur.“ Der Schauspieler und langjährige Sprecher beim WDR muss es wissen. Immerhin hat Tratnik in „Scheidung auf Kölsch“ im Theater an der Severinstraße 1981 in der Rolle des Fensterputzers mit Trude Herr auf der Bühne gestanden. Just in jenem Schwank also, dessen Fernsehmitschnitt morgen, Samstag, im Open-Air-Kino vor der Severinskirche gezeigt wird. „Tutti schwebte“, so Tratnik weiter, „ein anderes Volkstheater vor als die muffigen Schwänke mit ihrer Spießer-Moral aus dem 19. Jahrhundert, die Millowitsch auf die Bühne bracht. Trudes Figuren waren aus der Gegenwart und mit der Moral war es bei ihnen nicht weit her.“ Als Highlight jener Jahre hat Tratnik das Stück „3 Glas Kölsch“ in Erinnerung, in dem Trude Herr eine Pennerin spielte, die das Ende des Stücks nicht erlebte. „So herzzerreißend habe ich nie wieder auf der Bühne jemand sterben sehen.“ Aber Armut, Obdachlosigkeit und Tod – das wollte das Publikum in Vringsveedel dann doch nicht so gern sehen, weshalb Trude Herr sich in ihrem unsubventionierten Theater bald wieder dem klassischen Lustspiel verschrieb.   

 
 Josef Tratnik, Schauspielkollege von Trude Herr.

Von wegen Südstadtpflanze
 
Machte man in der Südstadt eine Straßenumfrage zu Trude Herr, käme vermutlich dabei heraus, dat dat Tutti ein urkölsches Veedelsgewächs war, im Klösterchen geboren wurde, hier zur Schule gegangen ist und später auf der Severinstraße über Jahrzehnte ein eigenes Theater hatte. Ein Urgestein des Südstadt, das irgendwie immer schon da war und bis heute nicht weg ist. Sollte sie inzwischen doch tot sein, schlug ihr letztes Stündlein wahrscheinlich irgendwo am Clodwigplatz, bevor sie dann auf dem Südfriedhof ihre letzte Ruhestätte fand.
Alles Quatsch. Trude Herr liegt in Grab ihrer Familie auf dem Nordfriedhof begraben und gestorben ist sie in Südfrankreich. Überhaupt war ihre Beziehung zur Südstadt ebenso zufälliger wie vorübergehender Natur. Geboren am 4. Mai 1927 im rechtsrheinischen Kalk, 1943 ausgebombt lebte Trude Herr mit ihrer Familie für zwei Jahre in Hessen, bevor sie nach Kriegende zurück nach Köln zog. Nicht in die Südstadt, sondern nach Nippes. Wenig später spielte Trude Herr erste kleine Rollen am Millowitsch-Theater und gründete 1949 die Kölner Lustspielbühne, der jedoch schon bald das Geld ausging. Mitte der 50er Jahre mischte sie mit ihren Auftritten vorübergehend den Kölner Sitzungs-Karneval auf und tanzte in Revuen im legendären Kaiserhof auf der Bühne. Wenig später nahm sie ein Engagement im Berliner Kabarett Tingel-Tangel an und tingelte anschließend mit Soloprogrammen durch die Republik. 1970 war sie dann mit eigenem Theater-Ensemble, aber ohne eigenes Haus wieder in Köln und gastierte vorwiegend im Millowitsch-Theater. Ihre Liäson mit der Südstadt begann 1977, als sie im ehemaligen Kino auf der Severinstraße ihr Theater eröffnete, das sie, in erster Linie aus gesundheitlichen Gründen, 1986 wieder zumachte. Gewohnt hat Trude Herr in der Südstadt nie.
 
Ein innerlich zerrissener Mensch
 
Überhaupt hatte sie es mit der Kölschtümelei gar nicht so arg. „Ich liebe meine Vaterstadt, aber ich bin nicht bereit, darüber den Verstand zu verlieren“, erklärte sie einmal. Auch ihre Liebe zu den Wüsten Afrikas, in die sie schon in den 60er Jahren immer wieder für mehrere Woche flüchtete, passt nicht so ganz ins gängige Klischee der volkstümlichen Heimatpflanze. (Nach der Schließung ihres Theaters zog es Trude Herr bekanntlich für mehrere Jahre auf die noch etwas entlegeneren Fijis.) „Sie hat zwischendurch immer die Einsamkeit gesucht“, erinnert sich Josef Tratnik. „Denn wie alle großen Komiker war Trude Herr auch ein sehr trauriger, innerlich zerrissener Mensch.“ Was das Leben und Arbeiten mit dem „Nerven- und Energiebündel“ (Tratnik), stets zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt schwankend, wohl bisweilen auch anstrengend machte. Geblieben ist dem Schauspieler aber auch die Erinnerung an viele saukomische Situationen, in denen sich die Vollblutschauspielerin, die sich und ihre Körperfülle stets genüsslich selbst auf die Schippe nahm, vor Lachen geradezu wegwarf. Auch mitten auf der Bühne und an Stellen, wo eigentlich gar keine Lacher vorgesehen waren. „Tutti stieg machmal“ so Tratnik, „mitten im Stück aus ihrer Rolle aus und bekam einen Lachanfall, weil sie irgendeine Situation gerade saukomisch fand. Das Publikum war von diesen Einlagen jedes Mal begeistert.“ Und wie er das so erzählt, muss er auch heute noch lachen. Hat er gerade „Ach, Tutti!“ geseufzt? Hat er nicht. Oder vielleicht doch ein bisschen. Nur, wie Trude Herr zur überlebensgroßen Figur, zum Kult, zum Mythos wurde, kann Josef Tratnik auch nicht so ganz erklären. Aber er hegt so etwas einen Verdacht. „Nach ihrem frühen Tod ist sie zur Projektionsfläche für alle möglichen Leute und Geschichten geworden, die eigentlich gar nichts mit ihr zu tun haben.“ Aha. Ich hatte doch auch so ein Gefühl.

Am Samstag, 05. Mai 2012, gibt es zum 85. Geburtstag von Trude Herr OPEN-AIR-KINO auf dem Severinskirchplatz. Hierzu sperren die Macher der Kölschen Fimmatinée – Cornel Wachter, Dieter Oeckl & die Betreiber des Odeon-Kino den Severinskirchplatz und werden das Theaterstück „Scheidung auf Kölsch“ von und mit Trude Herr als WDR-Aufzeichnung zeigen.

Text: Reinhard Lüke

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