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Kultur

Von tollen Roben, fetten Burgern und dem letzten Fernsehpreis der Welt

Montag, 6. Oktober 2014 | Text: Kathrin Rindfleisch | Bild: Jean Michel Vildeuil

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Der Deutsche Fernsehpreis 2014 mit großen Stars und kleinen Sternchen. Mit Glamour, Roben und rotem Teppich. Mit Dankesreden, Sekt und Emotionen. Und mittendrin der Kollege Moll und ich, im Coloneum in Ossendorf.

Schon Tage vorher kann ich mich ihr nicht mehr entziehen, der Gala-Manie, dem Promi-Thrill und dem Blitzlicht-Hype. Was nur zieh’ ich an? Selbst Herr Moll, der großspurig von Jeans und T-Shirt sprach, hat einen Shoppingtag eingelegt. In dunkelblauem Jackett und weißem Hemd holt er mich schließlich ab, und ich denke mir, dass da was dran sein muss, an diesem Preis. Der Preis ist umstritten,  Marcel Reich-Ranicki wollte ihn einst wegen Niveaulosigkeit nicht annehmen, auch seine Stifter denken zum Teil kritisch über ihn und so wurde im Vorfeld von den Intendanten der ARD und des ZDF sowie den Geschäftsführern der teilnehmenden Privatsender SAT 1 und RTL die offiziell letzte Verleihung verkündet. Zu uneins die Vorstellungen von Qualität in den einzelnen Sparten und zu klein das Interesse der Zuschauer an diesem Preis, heißt es. Doch ganz tot scheint er dennoch nicht zu sein, dieser Preis. Das zeigen auch die Reaktionen meiner Umwelt auf meinen Besuch der Preisverleihung. Und schwankend zwischen Gala-Lust und Fernseh-Frust, lasse ich mich anstecken von der Erwartung auf einen aufregenden Abend.

Beim nächsten Mal: Wayne vorlassen!

Der Weg zum Klo ist unsagbar weit. Und lässt unter grellem Licht die von Highheels geplagten Füße unglamourös und haltlos den Teppich entlang wanken. Dieter Wedel wirkt klein und fast verloren, als er mir hinkend auf der Geraden entgegenkommt. Die Toiletten lassen mich unweigerlich an unsere aktuelle Schulklo-Diskussion denken und mein (ich schwöre!) einziger Gang zu diesem erniedrigenden Ort wird nur noch getoppt von Wayne Carpendale händchenhaltend mit Ehefrau Annemarie Warnkross, die nach mir aus dem Klo kommen und damit genau hinter mir langlaufen. Ganz sicher hat der Jungvermählte nur Augen für seine Liebste, meinen Po wünsche ich mir auf diesem nicht enden wollenden Weg zurück zur Gala trotzdem in einem weniger figurbetonten Kleid.

Der umstrittene Preis – und doch ist die Enttäuschung groß

Wolke Hegenbarth wünscht sich vermutlich auch in ein anderes Kleid, denn in ihrem sieht schon Jana Ina Zarrella umwerfend aus und bei Frauke Ludowig bin ich mir nicht ganz sicher, ob sie weiß, dass sie besser ein anderes Kleid tragen sollte. Burkhard Althoff ist egal, was wer anhat, und das Gespräch mit ihm und seinem Team lässt für den weiteren Verlauf des Abends hoffen. Althoff, stellvertretender Chefredakteur des „Kleinen Fernsehspiel“ im ZDF, und seine Crew um Regisseurin Eva Wolf sind für ihre Dokumentation „Intensivstation“ nominiert. Zum ersten Mal an diesem Abend ist von der Arbeit die Rede, die hinter einer solchen Nominierung steckt und trotz der vorgebrachten Kritik an dem Preis, kann man die Anspannung aller spüren. Und die Hoffnung, ihn zu gewinnen, ist er doch trotzdem eine Anerkennung für herausragende Arbeit. Die Sparte Dokumentation ist dann auch die einzige Preisvergabe, bei der ich wirklich mitfiebere. Der Preis geht an „Putins Spiele“ des russisch-israelischen Filmemachers Alexander Gentelev und die Enttäuschung von Regisseurin Eva Wolf ist groß. Gefreut haben wir uns für die völlig überraschte Sinje Irslinger. Die 18-jährige Südstädterin wurde beim Schultheater entdeckt und mit dem 15.000 Euro dotierten Förderpreis für ihre Rolle im WDR-Fernsehfilm „Es ist alles in Ordnung“ ausgezeichnet.

Claudia Stern und Vintage-Team./ Foto: Jean Michel Vildeuil

 

Der Preis stirbt – es lebe das gute Essen!

Nichts zu spüren vom „Letzten Deutschen Fernsehpreis der Welt“, wie Moderator Klaas Heufer-Umlauf ihn nennt und den Preis damit im Sendesaal mehrmals begräbt. Zumindest nich im nur einige Meter entfernten Studio 35. Dort hat, wie schon in den 15 Jahren zuvor, Claudia Stern das Kommando. Und so lange ist hier noch niemand tot. In dem zur Großküche umfunktionierten Fernsehstudio dirigiert Stern, die im Rheinauhafen das Vintage betreibt, mit Ruhe, Blick für Details und drei verschiedenen Outfits an diesem Abend die 150 Köche, Kellner und Bartender. Um Punkt 22 Uhr strömen die Gäste aus dem Preissaal, 480 setzen sich zum Menü an Tische, 1500 verteilen sich im Foyer an den einzelnen Stationen. Und die Stars können endlich mal von dem kosten, was wir Südstädter täglich haben: kreative Küche aus dem Vintage, Sushi aus der Bento Box und tolle Törtchen von Dehly & de Sander. Die NRW Genussbotschafter namhafter Gastronomien wie dem Schloss Hugenpoet, dem Hotel Königshof und der Monschauer Senfmühle bieten Herbstgerichte im Gala-Format, eher ungala jedoch mit der längsten Schlange an der Station gibt es Pommes und Hamburger bei The Grill. Zu meiner großen Verwunderung habe ich den ganzen Abend nicht eine Festrobe mit Fettfleck entdeckt. Chapeau, meine Damen! An einen Burger habe ich mich nicht getraut…

Glamour in Köln-Ossendorf

Aber was war das denn jetzt eigentlich? Leichenschmaus mit rotem Teppich? Die knapp 2000 Gäste erweisen dem sterbenden Preis auf jeden Fall alle Ehre. Und das ziemlich ausdauernd. Im Studio 33, dem Europa Park Club tanzen wir mit bis vier morgens in wenig galaeskem, dafür eher groteskem Ambiente: unter großen Leinwänden, auf denen Achterbahn in Dauerschleife läuft. Der Werbefilm vom Europa Park Rust.
Irgendwie passend dazu im Anschluss unser Gang über den roten Teppich. Vorbei an einer unglaublichen Handvoll Menschen, die dort noch immer stehen und warten. Und ich frage mich, auf was? Auf die echten Stars oder die Stars in echt? Auf Entgleisungen oder auf Glamour? Auf Niveau oder –losigkeit? Dort zwischen Ikea und Müllverbrennungsanlage, auf diesem Parkplatz in Köln-Ossendorf.

Und, nur falls das Interesse nicht ganz so klein ist, wie von den Machern befürchtet, hier die Preisträger des Deutschen Fernsehpreises 2014:

Bester Fernsehfilm: Männertreu (ARD/HR)
Beste Serie: Danni Lowinski (SAT.1/UFA FICTION GmbH)
Bester Schauspieler: Roeland Wiesnekker für Spreewaldkrimi – Mörderische Hitze (ZDF/Aspekt Telefilm-Produktion GmbH)
Beste Schauspielerin: Suzanne von Borsody für Männertreu (ARD/HR)
Beste Dokumentation: Putins Spiele (ARTE/MDR/ORF/Saxonia Entertainment GmbH/Satel Film GmbH/Sasha Klein Productions)
Bester Mehrteiler Dokumentation: 24h Jerusalem (ARTE/BR/zero one 24/Alegria Productions)
Beste Reportage: Team Wallraff – Reporter undercover (RTL/infoNetwork GmbH)
Beste Information: Hubert Seipel für Snowden exklusiv – Das Interview (ARD/NDR/CineCentrum Deutsche Gesellschaft für Film- und Fernsehproduktion mbH)
Beste Unterhaltung: Sing meinen Song – Das Tauschkonzert (VOX/Schwartzkopff TV-Productions GmbH & Co. KG)
Bestes Dokutainment: Shopping Queen (VOX/Constantin Entertainment GmbH)
Beste Comedy: heute-show (ZDF/Prime Productions GmbH)
Beste Sportsendung:
Bester Kommentator der FIFA WM 2014: Tom Bartels (ARD/SWR)
Bester Experte der FIFA WM 2014: Mehmet Scholl (ARD/SWR)
Bester Moderator der FIFA WM 2014: Oliver Welke (ZDF)
Publikumspreis „Bester Show-Moderator“: Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf (ProSieben)
Förderpreis (Gesetzter Preis): Sinje Irslinger für ihre schauspielerische Leistung in „Es ist alles in Ordnung“ (ARD/WDR/2Pilots Filmproduction GmbH)
Ehrenpreis der Stifter (Gesetzter Preis): Gerd Ruge
 

Text: Kathrin Rindfleisch

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