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Kumm´ loss mer fiere!

Dienstag, 31. Mai 2016 | Text: Judith Levold | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Nach der Safari und dem verkaufsoffenem Sonntag und vor dem Kneipen-Marathon und dem Merowingerstraßenfest geht ein weiteres Südstadt-Groß-Event in die zweite Runde: Am 4. und 5. Juni 2016 ist das Dreieck aus Alteburger-, Darmstädter- und Kurfürstenstraße wieder Veedelsfestmeile mit vielen gastronomischen und Non-Food-Angeboten, musikalischem Bühnenprogramm und auch Präsentationsflächen für gemeinnützige und kulturelle Organisationen.

 

Schon im Vorfeld jedoch spaltet das Fest das Viertel: Neben vielen Befürwortern und Fans unter Mitmachern und Besuchern gibt es auch viele Anwohner und ansässige Gewerbetreibende, denen das zu viel Kommerz und „von sonstwo“ ist. Und die lieber ein echtes Südstadt-Fest komplett aus dem Veedel heraus organisiert haben wollen.

Veranstaltet wird das Ganze erneut von der ABC-Aktionsgemeinschaft rund um Bonner Straße/Chlodwigplatz e.V., einem Verein, der satzungsgemäß die Interessen der Südstadtgewerbetreibenden und die Belebung des Viertels fördern soll (74 Mitglieder hat der Verein, 12 davon Gastronomen – insgesamt repräsentiert ABC also nur einen Teil aller Gewerbetreibenden in der Südstadt, Anm. der Red.).

 

Im letzten Jahr schon fielen aber beim Veedelsfest zahlreiche Stände – besonders beim Essen – ins Auge, die gar nicht aus dem Veedel stammten. Dieses Jahr werden es noch mehr sein. 2013 hatte der ABC-Verein ein solches Fest schon einmal organisiert, damals mit einer Handvoll Leute, rein ehrenamtlich. Alice Baker, Vorsitzende des siebenköpfigen Vorstands der ABC erinnert sich daran nicht wirklich gern.

 

„Ich habe damals sechs Wochen schlecht geschlafen und nur wenig Unterstützung bekommen“, sagt sie. „Das will ich kein zweites Mal erleben. Wir machen als ABC ja auch noch jede Menge andere Sachen ehrenamtlich hier im Viertel, und so ein Fest, das ist neben dem normalen Berufsalltag einfach nicht ehrenamtlich zu stemmen!“ findet sie. Deshalb habe man 2015 beschlossen, die Veedelsfest-Organisation komplett in die Hände einer professionellen Event-Agentur zu geben, der ursprünglich aus Bayenthal stammenden Firma Lekkermann UG.

Eine einsame Vorstandsentscheidung, jedoch mit einiger Tragweite für viele, denn: zwar zahlt die ABC für die Veedelsfestorganisation (inkl. Planung und Durchführung) nach eigenen Angaben null Euro an die Firma Lekkermann. Doch die Firma hat – durchaus berechtigt – kommerzielle Interessen und möchte sicher nicht nur die von ihr getragenen Kosten für städtische Gebühren, AWB, Security, Bühnentechnik oder Künstlergagen decken, sondern darüberhinaus auch verdienen – klar. „Das passiert ausschließlich über ein paar Getränkewagen“, erklärt Alice Baker das Vorgehen von ABC-Mitglied Lekkermann UG.

Doch viele Anwohner und Gewerbetreibende, darunter auch ABC-Mitglieder selbst, sehen diesen Wendepunkt vom Nachbarschaftlichen hin zum Professionellen in der Veranstaltung eines so genannten „Veedels“-Festes kritisch. Aus verschiedenen  Gründen: Zum einen fühlten sie sich nicht oder nur unzureichend eingebunden und informiert.

 

Etwa darüber, dass der Standort der Hauptbühne vom Platz vor der Gastwirtschaft Bagatelle hin zum Kreisverkehr Alteburger-/Maternusstraße verlegt wird. Oder darüber, dass der mal geplante Zweijahresrhythmus der Veranstaltung im Wechsel mit dem Merowingerstraßenfest ad acta gelegt und die Organisation des Festes langfristig an Professionelle vergeben wurde.

 

Die Kritiker stört vor allem der grundsätzliche Mangel an Kommunikation und Partizipationsangeboten seitens des Veranstalters im Vorfeld. Besonders aber regt einige auf, dass die Firma Lekkermann von jedem, der beim Fest einen Stand auf der Straße betreiben oder vor seinem Laden etwas Besonderes anbieten und sich präsentieren will, in ihren Augen zu hohe Teilnahmegebühren verlangt.

 

Und die seien im Vergleich zum letzten Jahr erhöht worden und vielen einfach zu hoch. Sie könnten sich das nicht leisten, sagen zum Beispiel Birgit Winterberg vom „Geschnitten Brot“, Ruth Neuerburg von der „Speisekammer“ oder Goldschmiedin Cordula Rössler – alle auf der Alteburgerstraße ansässig. „800 Euro für Gastro mit Alkoholausschank -als ABC-Mitglied wohlgemerkt, für Nichtmitglieder sogar 1000 Euro – da zahle ich drauf!“ bringt Winterberg es auf den Punkt. Zum Vergleich: bei der Südstadt-Safari am 23. April kostete die Teilnahme 80€ pro Tag.

„Außerdem brauchen wir hier keine Foodtrucks von wer weiß wo, die gar nichts mit der Südstadt zu tun haben“, findet auch Frank Cordes, der den Schusterladen in der Darmstädterstraße betreibt und auch gleich seinen Nachbarn Oli P. von Stöckchens Delikatessen zu zitieren angibt.

In der Tat bestätigt Alice Baker von der ABC Aktionsgemeinschaft, dass unter den Ausstellern nur etwa ein Drittel aus dem Viertel kommen, aber dass ein reines Nachbarschaftsfest ja auch gar nicht Ziel der ABC sei – dafür könne man nicht als Veranstalter in die Haftung gehen, das habe der ehrenamtlich organisierte Versuch 2013 gezeigt.

 

Ihre Kritiker hingegen wollen genau das: Nämlich die Organisation eines Nachbarschaftsfestes alle zwei Jahre mit Hilfe ortsansässiger Unternehmen und Anwohner. Sie versichern, dass sowohl das Knowhow als auch die Bereitschaft zu Engagement für ein Veedelsfest vorhanden seien (z.B. mit ehrenamtlichem Input der Veranstalter von „Jeck im Sunnesching“, der „ARTFAIR“ und der „Südstadt Safari“,  dem Südstädter und Erfinder des „Original Street Food Festival“ Till Riekenbrauk u.a., Anm. der Red.).

Bezahlbar und genehmigungsfähig wäre es ebenfalls, denn laut Auskunft des Ordnungsamtes der Stadt Köln sind die Kriterien dafür – neben der Einhaltung von straßen-, wege-, ordnungs- und baurechtlichen sowie feuerwehrtechnischen Vorgaben – vor allem das „Öffentliche Interesse (…) und der beabsichtigte Nutzen für Bewohner und Bewohnerinnen sowie Gewerbetreibende des Veedels.“ Die städtischen Gebühren für die Sondernutzung der Flächen sind mit 1,20€ pro qm pro Tag dabei dann der bescheidenste Kostenfaktor.

Obwohl nach Angaben des Ordnungsamtes viele Straßenfestveranstalter auf die Dienste von Profis, zumindest teilweise, zurückgriffen, sind sich eben viele Südstädter sicher, auch ohne auskommen zu können und ein wirkliches Veedelsfest aus ihren Reihen auf die Reihe zu kriegen. Ein nachhaltiges Fest, für die Südstädter und natürlich viele Gäste, sei so sogar besser möglich, und die Vielfalt der hier lebenden Menschen und hier arbeitenden Unternehmen könne man besser zeigen.

„Die Behauptung, dass mit dem Veedelsfest in der jetzigen Organisationsform viele Menschen aus anderen Vierteln dauerhaft angelockt würden, ist Quatsch“, so Daniel Rabe, Inhaber der Lokale Bagatelle und Sissi&Franz. „Streetfood und Klamotten aus aller Welt sind beliebig, das zeigt nicht, was unser Viertel kann und da kommen die Besucher dann nur für einen Tag mal.“

 

Wenn aber das Ganze aus dem Viertel heraus gestemmt werde, dann werde es sicher keine so teure Bühne geben, deren Kosten über die massiven Standgebühren wieder eingespielt werden müssten. Und auch keine Profis, deren Einsatz für das Fest sie zum Verdienen zwinge, fügt er hinzu. So bliebe dann womöglich sogar ein Überschuss für die Organisatoren – gerne auch die ABC. Und damit könne sie dann nämlich genau das tun, wovon -am besten alle- Gewerbetreibenden und Bewohner der Südstadt profitierten: Das Veedel beleben und fördern!

Was viele der Kritiker überdies befürchteten, nämlich dass ihre eigene Läden mit Ständen konkurrierender Anbieter oder Versorgungsbauten zugestellt würden, passiert aber garantiert nicht: Das wäre seitens der Verwaltung nie genehmigt worden und war laut Auskunft von ABC-Vorstand Alice Baker auch nie geplant.

Für Fans und Gegner dieses Festes ist aber gleichermaßen klar wie Kloßbrühe: Kommendes Wochenende wird es steigen, nur anschließend müsse man sich zwingend zusammensetzen – das sagen viele genau so klar. Hans Mörtter, Pfarrer der Lutherkirche, bietet sich für die Moderation an, und sowohl die ABC als auch die Kritiker dieser Form von Veedelsfesten sind gesprächsbereit, denn: nach dem Fest ist vor dem Fest.
 

Text: Judith Levold

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