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Kultur

„Kunst müssen Sie anders kaufen“

Mittwoch, 4. September 2019 | Text: Nora Koldehoff | Bild: Nora Koldehoff

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Geplant war das mit der Galerie eigentlich gar nicht“, erzählt Heinz Holtmann. „Ich hatte mir eher eine Museumslaufbahn vorgestellt. Angefangen hatte ich in der Kunsthalle Kiel als Assistent, und dann bin ich da so reingeschlittert…“

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Dennoch feiert die Galerie Heinz Holtmann in diesem Jahr ihr 40-jähriges Jubiläum. Und das mit einer zweigeteilten Ausstellung: Der erste Teil, der viele Vertreter*innen der Klassischen Moderne gezeigt hat, wurde von März bis April gezeigt. Der zweite Teil mit jungen Künstlerinnen und Künstlern wird am 6. September 2019 eröffnet.

Gegründet wurde die erste Galerie Heinz Holtmann in Hannover. Gleich im folgenden Jahr fand der Kunsthändler mit Unterstützung des Ehepaars Stünke und ihrer Galerie „Der Spiegel“ in der Kölner Richartzstraße eine neue Bleibe. Für die Ersteröffnung hatte Heinz Holtmann eine Joseph-Beuys-Ausstellung gewählt, zu der der Künstler – Unkenrufen zum Trotz – auch selbst erschienen war: eine kleine Sensation, die sich auch gern mehrere Hundert Besucher ansehen wollten. Manche von ihnen stellten ihre Autos einfach auf der Straße ab, um den Mann mit dem Hut nicht zu verpassen. Sie nahmen in Kauf, dass ihre Wagen dann reihenweise abgeschleppt wurden, weil kein Durchkommen mehr war.

Nach einer langen Zwischenstation in der Obenmarspforten zog es den Galeristen in den Rheinauhafen, als dieser noch ganz neu und lange nicht fertig gestaltet war.

Die Galerie im Rheinauhafen / Foto: Nora Koldehoff

„Zwar gibt es hier kaum Laufkundschaft“, erinnert sich Holtmann, „aber zu den Eröffnungen kommen bis zu dreihundert Besucher – das ist sensationell und viel mehr als am vorherigen Standort. Viele verbinden es mit einem Spaziergang am Rhein.“

Meine Südstadt: Sie hatten erst auch eigene künstlerische Ambitionen…
Heinz Holtmann: Das ist sehr lange her. Vor dem Studium noch. Da wollte ich was mit Kunst machen. Und in Heidelberg sagte mir jemand, der meine Bilder kannte: „Guck dir mal den Band an von Jackson Pollock. Du brauchst deine Arbeiten gar nicht mehr weiter zu machen. Das hat der alles schon gemacht.“ Das war ein solches Ur-Erlebnis, dass ich erstmal 14 Tage krank war und wirklich auch nochmal neu überlegt habe, was ich will. Ich habe dann die Kunstgeschichte weiterverfolgt und auch gemerkt, dass ich Kunst vermitteln konnte. Ich bin viel in Museen gewesen. Das habe ich nie bereut.

Und den Wechsel vom Museum in die Galerie?
Auch die Selbstständigkeit habe ich nie bereut. Eine Selbständigkeit auf diesem Sektor ist immer mit sehr viel Engagement und unruhigen Nächten verbunden, weil man alles selbst finanzieren und auch noch davon leben muss.

Da musste ich erst einmal lernen, wie man ein Bild berechnet, was übrig bleibt für einen selbst. Eine Vorbereitung, eine Lehre hierfür war, dass ich im Vorfeld ein Unternehmen geleitet habe, zu dem zehn Galerien gehört haben, und ich jedes Wochenende irgendwo anders war. Und ich habe gemerkt, dass ich auch eine kaufmännische Ader habe – was dringend notwendig ist in unserem Beruf.

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Hat die Galerie, haben Sie eine Handschrift oder einen roten Faden?
Darüber habe ich mal nachgedacht: Was bin ich eigentlich für ein Galerist – und was für eine Galerie führe ich? Ich würde zunächst mal unterscheiden zwischen einer eigentlichen Galerie und Kunsthandel. Beim letzteren geht es nahezu ausschließlich um den Verkauf. Was wir Galeristen machen, ist Künstler betreuen, auch aufbauen, fördern, mit ihnen zusammenarbeiten. Junge Künstler in die Sammlungen und Museen hereinbringen.
Mein Kapital war die Kenntnis der Künstler – und auch Freundschaften mit Künstlern. Mit Dieter Roth etwa oder auch mit Joseph Beuys.

Ich habe dann festgestellt, dass mich der Mainstream nicht gereizt hat. Obwohl einiges dann später Mainstream wurde, im Nachhinein, aber das war unbeabsichtigt. Ich habe immer Individuen gesucht, Einzelkämpfer. Das ist mir aber erst später bewusst geworden. Dieter Roth zum Beispiel. Einzelkämpfer und etwas Besonderes. Michael Buthe, mystische Bilder.

Künstler, die in irgendeiner Weise aus dem Raster herausfallen?
Ja – oder die gar nicht erst drin waren. Das hat mich fasziniert, und die wollte ich gern fördern. Ich wollte auch gern was Besonderes machen. Und wenn ich was Neues entdeckte, habe ich mich immer auf diese Künstler gestürzt.

Die junge Generation wollte ich immer einbeziehen. Charly Banana zum Beispiel, der war mit Buthe und Klauke verbandelt, hieß eigentlich Ralf Johannes, aber weil er immer Bananen aß, haben sie ihn in der Kunsthochschule Charly Banana genannt.

Der hat dann einen Grabstein für Charly Banana gemacht und einen für Ralf Johannes und einen dritten größeren in der Mitte, auf dem stand „Ralf Johannes in Zusammenarbeit mit Charly Banana“. Das sah Polke und sagte „Prima, dann leg ich mich gleich dazu.“ Polke selbst ist ja auch so eine unitäre Erscheinung. An den kam ich nicht richtig ran, weil das Michael Werners Domäne war. Aber ich wollte unbedingt was mit Polke machen. Er wollte aber natürlich auch nicht Michael Werner in die Parade fahren. Aber es gab später einen anderen Weg. Ich war befreundet mit Erhard Klein. Der kriegte immer Bilder von Polke und war auch einer der ersten, die ihn ausgestellt haben. Und da sagte Polke dann bei so einer Gelegenheit zu ihm: „Denk auch an Holti. Und das hat er dann auch getan.“

Heinz Holtmann mit einem Bild von Stefan Wewerka / Foto: Nora Koldehoff

Ist es dann eher die Vita des Künstlers oder die Kunst, die das Interesse weckt?
Die Kunst. Die, die etwas schwerer ankam. Polkes Kunst zum Beispiel ist zuerst nicht gut angekommen. Die Arbeiten kosteten maximal 5000 Mark. Erst, als seine Bilder bei Auktionen erfolgreich waren, sind die Preise schnell angezogen, und er war einer der Großen.

Ich habe mich auch schon sehr früh mit Gerhard Richter auseinandergesetzt. In Braunschweig hat er 1975 ausgestellt. Damals habe ich den ersten Artikel über die „grauen Bilder“ verfasst. Da wollte ich im Jubiläumsjahr ein wenig diese Begegnungen Revue passieren lassen. Mit Mack, Armand, Adolf Luther, Beuys, Andy Warhol, Arnulf Rainer, Dieter Roth, Nitsch, Tony Cragg, Gerhard Richter.

Die heutigen Vertreter der Klassischen Moderne waren vor 40 Jahren ja die „Jungen Wilden“. Und als die nun starben, habe ich auch wieder neu überlegt, was ich noch zeigen will. Und ich wollte immer auch was für junge Künstlerinnen und Künstler tun. Sie werden zu wenig gefördert, der Staat tut da herzlich wenig. Auf die Messen zu kommen, ist schwer, weil schon einen Meter Wand zu mieten so teuer ist, dass sich das allein nicht rechnet. Also heißt das für mich als Galerist: Ich muss eine Beuys-Zeichnung verkaufen, um ein, zwei junge Künstler zu fördern. Reich wird man damit wohl eher nicht, aber wenn man Überzeugungstäter ist, hat man dabei ein gutes Gefühl und tut was für die nächste Künstlergeneration. Und weil das mein zweites Standbein ist, zeigt meine zweite Ausstellung zum 40-jährigen Bestehen der Galerie Holtmann, die jetzt am 6. September zur DC Open eröffnet, einige junge Positionen. Da schließt sich für mich dann wieder ein Kreis – auch wenn es nach außen möglicherweise nicht direkt nachvollziehbar ist, wie es zu solchen Entscheidungen kommt oder wo der rote Faden liegt.

Ausstellung „The Young Positions“ / Foto: Galerie Heinz Holtmann

 

Wobei ein persönlicher roter Faden ja nicht zwingend eine Ähnlichkeit der Werke voraussetzt, sondern vielmehr im Sammler berühren sollte. Spiegelt denn die Galerie Ihr eigenes Sammeln wider?
Ja, das tut es auf jeden Fall. In der eigenen Sammlung und in der Galeriearbeit wird sichtbar, wofür ich mich interessiere. Beuys sagte mal: „Ein Bild muss senden, muss berühren. Wenn es nicht mehr sendet, häng‘ es ab“. Wenn ich platt gefragt werde: „Was hat sich der Künstler dabei gedacht?“, zitiere ich dagegen immer Alfred Schmela aus Düsseldorf: „Näh. Da müssen Sie schon den Künstler fragen. Ich verklopp dat nur für den.“

Werden Sie gelegentlich ganz generell gefragt, was ‚man‘ sammeln sollte?
Zu mir kam mal einer rein, ein Student, der Geld anlegen wollte. Der hatte, damals noch in der Richartzstraße, bei mir in die Schaufenster geguckt und hatte eine Skulptur gesehen, für 2000 Mark. Der fragte mich: „Wenn ich diese Skulptur jetzt kaufe, können Sie mir garantieren, dass sie jährlich zehn Prozent mehr wert ist?“ Da habe ich geantwortet: „Wissen Sie was? Da hinten ist eine Bank; gehen Sie lieber dahin oder zum Aktienmarkt. Kunst müssen Sie anders kaufen.“

Das eine ist die Liebhaberei, das Interesse an der Kunst. Wenn jemand vor allem Geld anlegen will…- Das kommt hier auch vor. Und die Frage, ob für das Geld ein entsprechender Gegenwert vorhanden ist, kann ich auch nachvollziehen. Eine Frage, die für die Klassiker natürlich leichter zu beantworten ist. Die Kunden schicke ich darum auch nicht weg, sondern erzähle lieber – und vielleicht kann ich damit dann ein echtes Interesse wecken. Wenn ich das aber nicht verspüre, dann sage ich lieber nur: „Nee, das musst Du kaufen, wenn es Dir gefällt.“ Ich habe in meinem Buch „Keine Angst vor Kunst“ unter anderem zehn goldene Regeln für den Kunstkauf aufgestellt. Nummer eins ist: „Kaufen Sie nie etwas durch Hörensagen, nur weil andere sagen, man müsse den Künstler kaufen. Kaufen Sie mit Auge, Verstand und Bauch.“ Die schönste Rückmeldung zu dem Buch bekam ich von einer Frau, die sagte, sie studiere Kulturwissenschaften, und das Buch sei das Standardwerk, nach dem unterrichtet werde. Da war ich schon sehr stolz.

Delacroix hat mal gesagt „vu par temperamente“ – „gesehen durch das Temperament“, durch die Augen des Künstlers. Der Künstler soll durch seinen subjektiven Blick die Zeit, die Welt, in der er lebt, künstlerisch ausdrücken. Und damit auch das Sein hinterfragen. Das hört sich nun etwas hochgestochen an, aber es ist so.

40 Jahre Heinz Holtmann

The Young Positions

Yijie Gong – Tobias Nink – Paul Schuseil – Christian Seidler – Alicia Viebrook
Anlässlich der DC Open
6. September – 31. Oktober 2019
Öffnungszeiten Dienstag – Samstag 11-18 Uhr
und nach Vereinbarung

Anna Schneider Steig 13, 50678 Köln

Text: Nora Koldehoff

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