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Gesellschaft Kultur

Lächeln, Freiheit, Stromgitarren

Donnerstag, 29. September 2016 | Text: Reinhard Lüke | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

„Mali Blues“ – ein wunderbarer Dokumentarfilm über die afrikanische Wiege von Rock´n Roll, Jazz und Pop.

Zugegeben, dieser Sommerherbst ist vielleicht nicht gerade dazu angetan, sich im Kino den Blues zu geben. Sollte man aber. Unbedingt. Denn dieser Dokumentarfilm um vier wunderbare Musiker aus Mali ist kein Stimmungskiller, sondern lässt einen mit einem Lächeln aus dem Kino kommen.

 

Wieso überhaupt Afrika und Blues? Stammen die schwermütigen Klagegesänge nicht von den Baumwollfeldern der amerikanischen Südstaaten? Nicht wirklich. Denn die Sklaven, die dort schufteten, hatten diese Musik bereits aus ihrer afrikanischen Heimat mitgebracht. Weshalb auf dem Schwarzen Kontinent letztlich auch die Wiege von Rock´n Roll, Jazz und Pop stand.

 

Stimmungsvolle Sequenzen

 

Doch keine Angst, von derlei musikhistorischer Nachhilfe ist der Film von Lutz Gregor gänzlich frei. Vielmehr erzählt er in stimmungsvollen Sequenzen die sehr persönliche Geschichte von Fatoumata Diawara, die es nach ihrem frühen Weggang aus ihrem Heimatland als Schauspielerin („Timbuktu“) und Musikerin inzwischen zu internationalem Ruhm brachte und nun erstmals nach Mali zurückkehrt.

 

Dann sind da Bassekou Kouyaté, der es als Virtuose auf dem tradionellen Saiteninstrument Ngoni bereits zur einer Grammy-Nominierung gebracht hat, und der junge Rapper Master Soumy aus der malischen Hauptstadt Bamako, der sich mit seinen Songs als „Anwalt  der Straße“ sieht. Und schließlich ist da noch der Gitarrist  und Sänger Ahmed Ag Kaedi, Frontmann der Tuareg-Band Amanar, mit von der Partie, der seine Heimat im Norden des Landes auf der Flucht vor radikalen Islamisten verlassen musste.

 

„Ohne Musik sind Musiker Psychopathen“

 

In mal intimen, melancholischen, mal mitreißenden (Straßen-)Szenen voller Lebensfreude porträtiert die Dokumentation ihre vier Protagonisten, wobei allesamt betonen, wie lebenswichtig Musik nicht nur für sie selbst sondern für ganz Mali ist. „Ohne Musik sind Musiker Psychopathen“, sagt  Fatoumata Diawara. Und dieser mit einem Lächeln vorgebrachte Satz ist so frei von jeglichem Singen-für-ein-besseres-Leben-Pathos wie der gesamte Film. Wunderbarer Laid-Back-Blues für den Spätsommer.

Vor der Premiere von „Mali Blues“ sprach Reinhard Lüke mit Dokumentarfilmer Lutz Gregor im Odeon, wo der Film ab heute zu sehen ist.

Meine Südstadt: Wie kam es zu „Mali Blues“?
Lutz Gregor: „Das ist schon der vierte Film, den ich in Mali gedreht habe. Auch bei den früheren Produkutionen hat mich die Musik dort bei der Arbeit immer begleitet und fasziniert. Als dann die Islamisten den Norden des Landes besetzten und das Hören und Spielen von -in ihren Augen- weltlicher Musik verboten, dachte ich, da müsste man etwas tun. Fatoumata Diawara hat 2012 mit vierzig Musikern aus Mali einen Clip gemacht und war anschließend zu einem Konzert in Köln. Da haben wir verabredet, etwas Größeres zur Verteidigung der Musik in ihrem Land zu machen. Das war der Ausgangspunkt für den Film.“

 


Gitarrist  und Sänger Ahmed Ag Kaedi (links), Frontmann der Tuareg-Band Amanar / Foto: © Konrad Waldmann

Was macht die Musik in Mali besonders?
L.G.: „Im Unterschied zu anderen afrikanischen Ländern ist in Mali die Musik extrem im Alltag verwurzelt. Es gibt dort die große Tradition der Griots, die einerseits das Sprachrohr der Herrschenden waren, andererseits aber auch gerufen wurden, wenn es private Konflikte zu schlichten galt. Was in Teilen auch heute noch üblich ist. Bei einem Ehekrach kommt der Griot ins Haus und trägt die unterschiedlichen Standpunkte der Kontrahenten in Liedform vor und versucht, unter ihnen zu vermitteln. Auch bei Hochzeiten sind Griots mit ihren Liedern unverzichtbar. Auf diesem Nährboden ist in Mali eine große Musikkultur gewachsen.“

Wie kam es zum Siegszug der Fender E-Gitarre in der malischen Musik? Auch traditionelle Instrumente hängen da ja scheint´s stets am Verstärker…
L.G.: „Ich nehme an, das hat schlicht damit zu tun, dass Musik in Mali nahezu ausschließlich unter freiem Himmel gemacht wird. Und da ist es mit einem Batterieverstärker nunmal einfacher, sich Gehör zu verschaffen. Bassekou Kouyaté sieht sich aber auch als Erneuerer des traditionen Ngoni-Spiels, bespannt sein Instrument mit sechs statt der üblichen vier Saiten und steht der Pop-Musik oder technischen Neuerungen wie eben der elektrischen Verstärkung aufgeschlossen gegenüber.“

Der Blues in Mali kommt im Film oft leichter, weniger schwermütig als der in den Südstaaten der USA daher…
L.G.: „Das hängt von den jeweiligen Künstlern und ihrer Herkunft ab. Es gibt nicht die malische Musik. Bei den Tuareg existieren beispielsweise ganz andere Traditionen als im Süden des Landes. Und der junge Rapper Master Soumy ist eindeutig ein Kind der Großtadt Bamako. So gibt es ungemein viele Stilarten in dem Land, und wenn deren Vertreter dann zusammen Musik machen, wird es spannend.

 

Der Begriff Blues ist als besondere Stilrichtung u.a. im Norden des Landes in Form des ‚Desert Blues‘ präsent. Aber Bassekou Kouyate kommt wie auch der verstorbene Gitarist Ali Farka Touré, der 1993 mit Ry Cooder das legendäre Album ‚Talking Timbuktu‘ aufnahm, aus dem Zentrum Malis, wo seiner Meinung nach noch heute die Lieder auf den Baumwollfdern gesungen werden, die die Sklaven nach Amerika brachten und in den Südstaaten sangen.“

Was hat es mit dem Videodreh im Film auf sich?
L.G.: „Viele Musiker produzieren mit vergleichsweise bescheidenen Mitteln Video-Clips zu ihren Songs, die dann in erster Linie über Handy verbreitet werden. Da es auf dem Land kaum Fernseher gibt und sich reguläre CDs ohnehin kaum jemand leisten kann, spielt das Mobiltelefon auf dem Musikmarkt in Mali inzwischen eine zentrale Rolle. Mit klassischen Plattenaufnahmen gibt es für die Künstler auch kaum etwas zu verdienen, da die schon einen Tag nach der Veröffentlichung in unzähligen Raubkopien auftauchen.“

Der Film zeichnet trotz unübersehbarer Armut und islamistischer Bedrohung ein vergleichsweise heiteres Afrika-Bild…
L.G.: „Das war meine Absicht. Ich hatte die Nase voll von all diesen Krisenbildern und wollte der Unsitte, dass Afrika in unseren Medien immer nur im Zusammenhang mit Kriegen, Hunger und Katastrophen vorkommt, etwas entgegensetzen. Diese Krisen gibt es durchaus, aber Afrika ist so viel mehr. Mali ist so ein reichhaltiges Land mit einer hohen Kultur und vielen Menschen, die keineswegs nur jammern, sondern mit wenigen Mitteln Herausragendes schaffen.“

 

Vielen Dank für das Gespräch.
 

 

Mehr im Netz

Alle Infos zum Film findet ihr hier.

Text: Reinhard Lüke

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