„Lecko Mio“: Wie das „Formula Uno“ im Zugweg über die Italien-Wahl debattiert
Mittwoch, 27. Februar 2013 | Text: Jörg-Christian Schillmöller | Bild: Tamara Soliz
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Gleich vorne rechts am Tisch sitzen Freddy und Gaetano, und es ist gar nicht nötig sie zu fragen, ob sie mit uns über die Wahl sprechen wollen: Freddy hat den einschlägigen Artikel der Süddeutschen Zeitung bereits aufgeschlagen. Drüber steht: Lecko Mio – denn Italien steckt in der Klemme.
Die Fakten: Das Mitte-Links-Bündnis von Pier Luigi Bersani hat zwar im Abgeordnetenhaus die Mehrheit bekommen – nicht aber im Senat, der allen Gesetzen zustimmen muss. Dort holte jemand die meisten Sitze, mit dem viele nicht gerechnet hatten: Silvio Berlusconi. Im Abgeordnetenhaus landete er zudem auf Platz zwei. Und: Der Komiker Beppe Grillo erzielte aus dem Stand 25 Prozent der Stimmen. Was fängt man mit so einem Ergebnis an?
Und schon sind wir mitten drin in der Diskussion. Wir sind beide entsetzt und erstaunt, sagt Freddy über sich und Gaetano (der seine Bulldogge Murphy dabei hat). Worüber sind beide so entsetzt und erstaunt? Darüber, wie einfach sich das Volk manipulieren lässt von haltlosen Wahlversprechen, die das Land in die Krise stürzen. Freddy meint Silvio Berlusconi und dessen Wiederaufstieg. Aber kann es nicht sein, dass die Menschen ihn gewählt haben, weil sie einfach genug hatten von der Sparpolitik?
?Freddy legt nach. Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel. Wenn ein Café zehn Jahre lang einen Geschäftsführer hat, der das ganze Geld ins Casino bringt und das Geschäft herunterwirtschaftet – stellen Sie den ein Jahr später wieder ein? Gaetano sieht das ähnlich. Wenn Berlusconi an die Macht kommt, dann ist es vorbei. Der macht seine eigenen Gesetze. Gaetano ist Sizilianer, er stammt aus der Kleinstadt Barrafranca. Nein, sagt er, ich habe nicht gewählt. Aber wenn, dann hätte ich Beppe Grillo gewählt, also was Neues.
Freddy, Gaetano und Carmelo suchen nach Erklärungen bei Espresso und Zigarette.
Es wird Zeit für den Chef des Formula Uno: Carmelo bringt Espresso und Wasser, die Brille trägt er auf der Stirn. Das ist alles nur zum Lachen, meint er. Es gibt einen Schreihals, das ist Beppe Grillo. Und dann gibt es Bersani und Berlusconi. Wenn die beiden sich zusammentäten, dann würde vielleicht was laufen. Aber die gehen getrennte Wege. Carmelo wendet sich zu Freddy: Was habe ich Dir gesagt: Der kommt wieder, der Berlusconi.
Warum ist Beppe Grillo ein Schreihals? Er kann nur brüllen, sagt Carmelo. Aber in manchem hat er Recht. Zum Beispiel gibt es zu viele Politiker im Land. Brauchen wir 630 Abgeordnete? Reicht nicht ein Drittel? Es wird zuviel Geld verschwendet. Was wir aber jetzt brauchen, in diesem Notstand, das ist ein Konzept. Und das hat Grillo nicht. Und wen hat Carmelo dann gewählt? Oder hat er gar nicht gewählt? No comment, meint der Chef. Aber es hat keiner geglaubt, dass Berlusconi mal wieder so weit hochkommt.
Dann erzählt er von Berlusconis Fernsehauftritten, zum Beispiel bei Porta a porta auf Rai Uno – da habe selbst Moderator Bruno Vespa (und der hat sonst eigentlich Pfeffer im Mund) nicht viel zu den Zahlen und Ideen von Berlusconi gesagt. Berlusconi habe halt in den letzten Wochen viel versprochen, zum Beispiel die ungeliebte Immobiliensteuer von Mario Monti zurückzunehmen. Carmelo gestikuliert mit den Händen. Ich bin kein Berlusconiani, betont er. Ich bin Anhänger von keinem.
Und warum hat Monti so schlecht abgeschnitten? Er ist ein sehr intelligenter Mann, ein guter Ökonom. Er war zur falschen Zeit am richtigen Platz: Er musste den Dreck von Berlusconi und Prodi wegschaffen. Was braucht das Land jetzt am dringendsten? Neue Gesetze, eine Steuerreform.
„Lecko mio“ – denn Italien steckt in der Klemme.
Es müssten einfach alle Italiener aus Italien raus, scherzt jemand aus der Ecke. Es ist Wolfgang, der gern Deutschlandfunk hört – und der Überzeugung ist: Wenn die Menschen in Italien so sehr auf Populismus reagieren, dann ist es schwierig, Rationalität zu verlangen. Schauen Sie sich die letzten Jahre an, all diese emotionalisierten Wahlen.
Jetzt mischt sich auch Martin ein. Er war früher Soldat, jetzt ist er Lkw-Fahrer. Wie es weitergeht in Europa? Ungebremster Fall, sagt Martin. Die Menschen müssten jetzt aufstehen und was tun. Sowas wie Occupy? Nein, das war zu extrem, zu sehr abgedriftet. Martin hat eine bessere Idee: Man müsste einfach alle Rheinbrücken von der Schweiz bis in die Niederlande mit Lkw zustellen. Ich garantiere Ihnen, in drei Tagen ist die Infrastruktur am Ende. Aber was ist das Ziel von so einer Aktion? Das Ziel ist es, den Politikern zu sagen: Ihr könnt das alles nicht länger ohne uns machen.
Freddy hat inzwischen ein Zitat in seinem Süddeutsche-Artikel gefunden. Er liest vor. Wie kann das sein, dass die Leute vergessen haben, was Berlusconi und seine Regierung angerichtet haben? Carmelo zückt sein Handy. Darauf zu sehen eine Fotomontage: Silvio Berlusconi als Papst. Freddy kommentiert: Genau, dann kommt Leben in den Vatikan. Carmelo grinst und ergänzt: Und am Wochenende immer Bungabunga. Alle lachen. Italien ist in diesem Moment weit weg.
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