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Neuigkeiten

Leer stehende Ladenlokale – eine Gefahr fürs Viertel?

Sonntag, 2. Dezember 2012 | Text: Elke Tonscheidt | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Auf der Goltsteinstraße in Bayenthal erklärt der Hauptgeschäftsführer des Kölner Haus- und Grundbesitzervereins von 1888, Thomas Tewes, warum sich wann ein Umbau lohnt, um Wohnprojekte zu ermöglichen.

„Wer will denn so einen Laden mieten?“ Thomas Tewes steht auf der Goltsteinstraße in Bayenthal. Nach seiner Beschreibung „so eine klassische Straße, wie wir sie auch in Nippes, Niehl oder Kalk haben – überall stehen Läden leer.“ Stimmt. Innerhalb von wenigen Minuten haben wir hier gleich drei Objekte gefunden, die unbelebt sind. Jetzt stehen wir vor Hausnummer 77. Eingerahmt von einer ehemaligen Apotheke, die wohl abgerissen werden soll, wie man sich in Bayenthal seit längerem erzählt, und einem Obst- und Gemüseladen mit seiner schmucken Fassade. Dazwischen ein graues Nichts.

Thomas Tewes, seit 2009 Hauptgeschäftsführer des Kölner Haus- und Grundbesitzervereins von 1888, kann da nur den Kopf schütteln. Denn er ist fest überzeugt: Das muss nicht sein. Das ist, so der gelernte Diplomvolkswirt, nicht attraktiv. Weder für eine Geschäftsstraße, deren Anwohner und Einkäufer noch für die Bewohner, die über einem leerstehenden, vor sich hin gammelnden Objekt wohnen. Deshalb hat er vor einem halben Jahr die Initiative „Leerstand vermeiden – Wohnraum schaffen“ ins Leben gerufen und kämpft seitdem gegen die „unsinnigen Denkblockaden“ vieler Hausbesitzer, die Büros oder Ladenlokale lieblos leer stehen. Die offenbar denken: Im Erdgeschoss darf nicht gewohnt werden. Tewes appelliert an die Ehre der Eigentümer, wenn er überspitzt: „Das ist vielfach wie ein Geschwür, das sich immer weiter zieht, ja, eine Gefahr für‘s Viertel.“ Ups, denkt man da, muss man seine Kinder packen, den Hund von der Leine lassen? Nein, es reicht ein Blick auf die bekannte ‚Broken-Windows-Theorie, die beschreibt, wie ein vergleichsweise harmloses Phänomen, beispielsweise ein zerbrochenes Fenster in einem leerstehenden Haus, später zu Verwahrlosung führen kann.

So weit ist es in der Goltsteinstraße natürlich noch lange nicht. Das weiß auch Tewes. Aber er weiß eben auch, dass man in Köln oft dicke Bretter bohren muss, um sich Gehör zu verschaffen. Und er kennt viele Eigentümer. Ganz schlimm wird es bei Erbengemeinschaften, die irgendwo weit weg wohnten und gar nicht wissen, was vor Ort los ist: „Sie sehen ihr Objekt nicht. Hauptsache, die Kohle fließt.“ Aber eben oft nicht mehr im Erdgeschoss.

Zusammen mit der Stadt Köln und den starken Partnern Bauaufsichtsamt und Amt für Wohnungswesen, die die Initiative „wohlwollend“ unterstützen, will Tewes Wohnraum schaffen. „Alles ist besser als Leerstand.“ Allein aus demographischen Gründen, führt der Immobilienexperte an, spreche vieles dafür, Erdgeschosse bewohnbar zu machen: „Die Leute werden immer älter, wohnen aber oft oben. Was spricht dagegen, von ganz oben nach ganz unten zu ziehen? Oben ist man im Alter irgendwann gefangen. Wer die Möglichkeit bekommt runter zu ziehen, bleibt im Viertel“, ist sich Tewes sicher.

Ist das denn finanzierbar? Ja, wenn man 50.-100.000 Euro in die Hand nehmen kann, so Tewes. Natürlich amortisiere sich das nicht in zwei Jahren, aber was sei die Alternative? „Datt Ding steht leer, man hat gar keine Einnahmen.“ Und er prognostiziert: „Nach etwa 15 Jahren hat man das Investment wieder raus.“ Klingt einfach. Ist es auch, beschwört Tewes fast. Und man merkt, wie ihn das Thema bewegt. Die Eigentümer, wünscht er sich, sollen sich einmal „am Riemen reißen, sich hinsetzen und das durchrechnen.“ Das koste Zeit, aber die müsse man doch bitte schön mal haben…

Dass man in der Goltsteinstrasse in einer früheren Gastwirtschaft gut leben kann, beweist Sabine Klefenz-Ley, hier an ihrer Wohnungstür mit ihrem jüngsten Sohn. Bei unserer Begehung treffen wir sie zufällig. Gemeinsam mit ihrem Mann hat sie das Objekt vor acht Jahren innen umgebaut. Thomas Tewes hätte zwar außen aufgemauert, aber die heute fünffache Mutter wollte die Fassade so belassen wie sie ist. „Altes zu bewahren, finde ich ganz schön“, sagt sie und lacht: „Wenn Leute in unsere Küche schauen, winken wir freundlich zurück.“

 

Objekte, die die Voraussetzung und Förderung für die Umwandlung in Wohnraum erfüllen, können oft schon mit der sogenannten 24-Stunden-Baugenehmigung vorangetrieben werden. Eine Broschüre, die u.a. beim Bauaufsichtsamt zum Download bereit steht erklärt genau, welche Schritte zu gehen sind, auch dass man zinsgünstige Landesförderungen für die Umwandlung in Wohnraum bekommen kann.

Ob das zum Beispiel im Fall der Goltsteinstraße 77 nötig ist, bleibt offen. Tewes wird fast euphorisch, wenn er hinter die leicht verstaubte Glasscheibe schaut: „Ein klassisches Objekt“, sagt der gebürtige Königswinterer. „Oben wohnen, unten Gewerbe.“ Mit wenig Aufwand sei das schnell umbaubar, denn  Abflüsse und Heizungen sind sichtbar, man brauche keine neuen Leitungen, eigentlich nur eine ordentliche Raumtrennung und eventuell an der Fassade einige wenige bauliche Maßnahmen. „Im Endeffekt ist die Wohnung für einen unter sechsstelligen Betrag schnell zu haben“, beziffert der Hauptgeschäftsführer. Was er noch zu diesem Thema zu sagen hat, erklärte er mir anschließend bei einem echten österreichischen Kaffee, ein sogenannter „Verlängerter“, im Ladenlokal ‚Feinkost Seemann‘.

Meine Südstadt: Herr Tewes, kann man im Ladenlokal wohnen?
Thomas Tewes: Nicht in jedem aber in sehr vielen – insbesondere in den Geschäftsstraßen, wo Wohnen mit Gewerbe vermischt ist. Ich kann nicht verstehen, warum Eigentümer solche Ladenlokale häufig einfach leer stehen lassen.

Deshalb also Ihre im Sommer dieses Jahres gestartete Initiative ‚Leerstand vermeiden – Wohnraum schaffen‘, mit der Sie leerstehende Büros und Ladenlokale in Wohnraum umwandeln möchten.
Ja, genau, wir wollen Denken verändern, die Hausbesitzer auf neue Nutzungsformen hinweisen, und wir haben sehr ernsthafte Anfragen seitdem. Viele sind gar nicht auf die Idee gekommen, ihnen war nicht klar, dass andere Nutzungen möglich sind und sie ihre Lokale anders mit Leben füllen können.

Gibt es Pilotprojekte?
Wir sind auf der Suche nach Eigentümern, die bereit sind ein Ladenlokal umzubauen und würden sie gerne dabei begleiten. Wenn ein Eigentümer anfängt und vorne ran geht, tut er auch anderen Hausbesitzern etwas Gutes, nimmt möglicherweise gleich andere mit ins Boot.

Können Sie beziffern, wieviele leer stehende Objekte allein im Kölner Süden in Frage kommen?
Ganz grob geschätzt gibt es in der Südstadt mit Sicherheit 50-60 Ladenlokale, die auf Anhieb prädestiniert scheinen, vermutlich mehr. In vielen Veedeln von Köln beobachten wir diesen Leerstand, aber die Leidensfähigkeit vieler Eigentümer scheint enorm hoch zu sein… Hier müssen wir offenbar noch dicke Bretter bohren, aber ich gebe nicht auf.

Sie sprechen die Veedel bereits an, hier gibt es häufig Interessengemeinschaften, die sich in ihren Vierteln für bessere Lebensräume engagieren. Sind das nicht natürliche Partner für Ihre Initiative?
Viele Interessengemeinschaften richten sich in erster Linie an die Gewerbetreibenden. Aber wir werden versuchen, sie insofern mit ins Boot zu holen, da sie in der Regel guten Kontakt auch zu Eigentümern haben. Sollten sie also länger andauernden Leerstand feststellen, so wäre es eine große Hilfe wenn sie auf uns und unser Projekt verweisen würden und Eigentümern so Hilfestellung geben.

Eigentümern also auf die Sprünge helfen Leerstand zu vermeiden?
Genau.

Wenn ich jetzt Eigentümer mit Leerstand wäre, was kann ich konkret tun?
Es ist als erstes unumgänglich, sich mit den Gegebenheiten vor Ort richtig zu beschäftigen…

 

Sie unterstellen, dass das viele Eigentümer nicht tun?
Jedes zu vermietende Objekt ist ein Produkt, das ich am Markt platzieren will. Das ist wie mit jeder Kaffeemaschine, die ich verkaufen will. Wenn ich die nicht ordentlich einpacke, dann will die keiner haben. Das kann drinnen technisch tipptopp sein. Wenn sich das von außen nicht ordentlich präsentiert, läuft jeder dran vorbei und sagt: Um Gottes willen, wie sieht das denn aus? Manche führen sich das nicht vor Augen, die denken, na ja, ist doch egal, wie der Laden aussieht, kann sich doch der, der den Laden später betreibt, dann herrichten, ich mach doch keine Arbeit zweimal. Aber der erste Eindruck ist meines Erachtens entscheidend. Wenn ein Laden aussieht wie Sau, gehen viele potentielle Mieter vorbei, es bleibt beim Leerstand.

Angenommen also, ich habe das als Eigentümer verstanden. Was sind nächste Schritte?
Ein Engagement eines Architekten wird schnell unumgänglich sein. Wer bei uns Mitglied ist, bekommt die Architekturberatung sogar kostenlos. Mit einem Architekten unterhält man sich z.B. darüber, ob sich die Immobilie für einen Umbau zum Wohnen lohnt. Ist der Entschluss zum Umbau gefasst, muss der Architekt Baupläne beim Bauaufsichtsamt einreichen. Da dieses Mitglied unserer Initiative ist, wie übrigens das Amt für Wohnungswesen auch, hat man dort ein besonderes Interesse daran, dass das Projekt schnell abgewickelt wird. Viele Bauvorhaben sind übrigens mit der 24-Stunden- Baugenehmigung durchzusetzen, so dass sich der Verwaltungsapparat absolut in Grenzen hält.

Das hört sich eigentlich nicht so schwer an… Und wenn ich nicht genug Eigenkapital habe?
Es geht zum einen mit Sicherheit schneller als man denkt. Das Bauaufsichtsamt hat als Partner der Initiative zugesagt sich schnell zu befassen. Zum anderen gibt es außerhalb des normalen Bankkredits auch zinsgünstige Landesförderungen für die Umwandlung in Wohnraum. Das wäre dann der geförderte Wohnungsbau mit besonders günstigen Darlehen. Dann allerdings unterliege ich einer Beschränkung und habe eine Belegungsbindung, kann also auch nicht jeden Mietpreis nehmen.

Letzte Frage: Wie sind Sie auf die Idee zu dieser Initiative gekommen?
Die Idee kam mir in Kalk-Nord. Hier sind wir seit geraumer Zeit im „Kalker Wohndialog“ engagiert. Rund 20 bis 25 Ladenlokale stehen hier leer, haben als Ladenlokal keine Chance, aber nur eine einzige wurde in Wohnraum umgewandelt. Da habe ich mich gefragt, woran das liegt. Die Denkblockaden habe ich ja bereits beschrieben. Also habe ich mit der Stadt Köln die Initiative „Leerstand vermeiden – Wohnraum schaffen“ gegründet. Wir sind noch am Anfang, aber Oberbürgermeister Roters hat die Initiative schon zu einem Teil seiner Aktion gegen die studentische Wohnungsnot gemacht. Ich hoffe, dass sich noch viele Eigentümer erwärmen lassen mitzumachen.
 

Text: Elke Tonscheidt

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