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Umwelt

Leise rieselt die Nadel

Freitag, 13. Dezember 2013 | Text: Jörg-Christian Schillmöller | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Wer hätte gedacht, dass im dichten Grün des deutschen Tannenbaums so viele Geschichten schlummern? „Meine Südstadt“ wollte wissen: Woher kommen unsere Bäume eigentlich? Wie werden sie angebaut? Welche Transportwege legen sie zurück? Sprich: Was stellen wir uns eigentlich jedes Jahr ins Wohnzimmer? Eines vorweg: Es gibt tatsächlich Bio-Weihnachtsbäume. Nur sind die noch ziemlich selten. Aber dazu später mehr.

Erstmal stehen wir auf dem Severinskirchplatz und sprechen mit Klaus Zaar. Seit zehn Jahren verkauft er hier Weihnachtsbäume. Der Mann ist ein Urgestein in dem Metier. Wie viele er pro Saison verkauft, will er nicht sagen. Aber woher sie kommen, verrät er uns: „Aus dem Sauerland, von der Firma Kracht in Cobbenrode.“ Die Bäume werden dort konventionell angebaut, sagt Zaar, und – das ist ihm wichtig: „Da wird nicht so viel gespritzt. Alles im Rahmen.“ Bei ihm kostet der Meter 18 bis 20 Euro, die Tannen sind Nordmann-Tannen, und jetzt gerade wird eine neue Ladung angeliefert, eingepackt in weiße Netze. Klaus Zaar muss los, beim Abladen helfen.

O Tannenbaum 2013: Nach Angaben des Naturschutzbundes Deutschland sorgen dieses Jahr wieder 30 Millionen Weihnachtsbäume in der Bundesrepublik für Stimmung. Ein Drittel stammt den Angaben zufolge aus dem Sauerland. Allerdings, berichtet Birgit Königs vom NABU Nordrhein-Westfalen: „Diese Kulturen sind oft alles andere als ökologisch.“ Das heißt nicht nur, dass es sich oft um Monokulturen handelt. Hinzu kommt: „Der Boden wird extrem bearbeitet: Er wird umgepflügt und gespritzt, schon bevor die Setzlinge gepflanzt werden.“ Und schon fällt ein Begriff, der für Zündstoff sorgt: Glyphosat.

Glyphosat ist ein Herbizid, das auch in Weihnachtsbaumkulturen angewendet wird. Die Hersteller sprechen von einem „Pflanzenschutz-Wirkstoff“, der „keinerlei unzumutbares Risiko für die menschliche Gesundheit“ darstellt. Das ist hier  nachzulesen – auf einer Seite, die von einer Reihe von Firmen (darunter etwa Monsanto) betrieben wird. Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung hat gerade erst einen Entwurf zur Neubewertung veröffentlicht. Zitat: „Die Analyse der zahlreichen neuen Dokumente ergibt keine Hinweise auf eine krebserzeugende, reproduktionsschädigende oder frucht-schädigende Wirkung durch Glyphosat bei den Versuchtstieren.“

Birgit Königs vom NABU in NRW sieht das ganz anders. Sie warnt vor den schädlichen Auswirkungen von Glyphosat auf die Biodiversität und verweist auf eine Studie des NABU, in der von zahlreichen möglichen Risiken für Mensch und Tier die Rede ist. Birgit Königs sagt, Glyphosat sei nicht so schnell biologisch abbaubar, wie das etwa Monsanto behaupte. Sicher ist: Das Thema ist schwierig zu durchblicken, die Meinungen über die Schädlichkeit von Glyphosat gehen weit auseinander. Im Sauerland gab es auch schon Proteste, eine Bürgerinitiative sorgt sich.

 

„Wenn schon nicht ökologisch, dann wenigstens regional.“

Der NABU plädiert dafür, beim Tannenbaum auf Art und Herstellung zu achten. Die Nordmann-Tanne zum Beispiel – so schön sie sein mag – stammt ursprünglich gar nicht von hier. Anders als die Fichte. Wenn eine Nordmanntanne aber halbwegs in der Nähe angebaut wurde, dann entstehen wenigstens keine langen Transportwege. Das Motto für Birgit Königs lautet: „Wenn schon nicht ökologisch, dann wenigstens regional.“ Das heißt: Letztlich ist eine konventionell angebaute Nordmann-Tanne aus dem Sauerland immer noch besser als ein Baum aus Skandinavien oder dem Baltikum, der tausende Kilometer hinter sich hat, bevor er bei uns geschmückt wird.

Noch ein Detail erzählt uns Birgit Königs: Das nordrhein-westfälische Landesforstgesetz ist gerade geändert worden (NRW ist nach ihren Worten bundesweit ein „Nachzügler“). Vor dieser Änderung galten Weihnachtsbaumkulturen als „Wald“. Das heißt: Sie bedurften keiner besonderen Genehmigung. Das führte dazu, dass nach Sturmschäden (wie nach dem Orkan Kyrill 2007) viele Flächen als Weihnachtsbaumkultur wieder aufgeforstet wurden, zum Beispiel im Sauerland. Die neue Rechtslage besagt: Künftig gelten die Kulturen nicht mehr als „Wald“ – und künftig muss sich jeder, der eine Weihnachtsbaumkultur von mehr als zwei Hektar Größe betreiben will, das vorher genehmigen lassen. Die Latte liegt also etwas höher.

Zurück in die Südstadt. Wer Weihnachtsbäume verkaufen will, muss das beim Amt für Straßen- und Grünflächennutzung beantragen. Eine „Erlaubnis“ kostet 250 Euro Verwaltungsgebühr und 6,70 Euro pro Quadratmeter Stand. Und, das geht aus der Antwort der Stadt Köln auf eine Anfrage von „Meine Südstadt“ hervor: „Eine Qualitätsprüfung kann nicht durchgeführt werden.“ Das heißt: Für die Stadt ist es nicht relevant, welche Sorte Bäume verkauft werden und wo diese herstammen.

Weihnachtsbäume gibt es aber nicht nur am Stand von Klaus Zaar auf dem Severinskirchplatz. Es gibt sie zum Beispiel auch im Hof der Maternuskirche oder bei IKEA in Godorf: Der Konzern spendet drei Euro pro gekauftem Baum, nimmt die Bäume nach dem Fest wieder zurück und stellt dafür einen Gutschein über fünf Euro aus. Aber es gibt natürlich auch in den Südstadt-Supermärkten jede Menge Bäume. Die stehen meist vor der Tür in kleinen Eimern. Und stammen woher?

Beispiel REWE: Per Mail antwortet uns Klaus Bonrath von der Unternehmens-kommunikation. Er schreibt, dass der Konzern seine Bäume aus „verschiedenen, konventionellen Anbaugebieten in Deutschland“ bezieht. Aha, Deutschland. Und da ist es wieder, das Wort „konventionell“. Also nicht „bio“. Bio-Bäume gab es laut Bonrath schon in REWEs Bio-Markt TEMMA, allerdings nicht dieses Jahr. Weitere Details nennt der Sprecher keine. Zitat: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir Bezugsquellen und Bezugsmengen grundsätzlich nicht kommunizieren.“

Beispiel Kaiser’s: Eine Unternehmenssprecherin sagte uns, die Bäume seien zertifiziert mit dem Siegel „Global G.A.P.“ und stammten von einem Hersteller aus Grimma in Sachsen. Das Siegel steht für „Good acricultural praxis“, gute landwirtschaftliche Praxis. Das heißt laut Homepage. Es geht um sichere und nachhaltige Produktion. Sprich: Es wird auf einige Faktoren geachtet, aber es ist kein anerkanntes Bio-Siegel. Bei Wikipedia lesen wir zu GAP: „Laut EU ist gute landwirtschaftliche Praxis der gewöhnliche Standard der Bewirtschaftung, die ein verantwortungsbewusster Landwirt in der betreffenden Region anwenden würde. Dabei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff.“

Fazit: Auch beim Thema „Weihnachtsbaum“ kann es nicht schaden, sich Gedanken über die Herkunft zu machen. Bleibt für uns noch immer die Frage: Was genau ist eigentlich ein „Bio-Tannenbaum“? Heute verraten wir soviel: Am Eifelplatz kann sich jeder einen kaufen, immer von 10 bis 18 Uhr. Die Bäume stammen aus der Obhut des Gartenbaubetriebes Lüdenbach in Vordersteimel (Engelskirchen). Dort sind die Bäume ungespritzt – und was Shropshire-Schafe damit zu tun haben – das lesen Sie morgen im Interview mit dem Standbetreiber Norbert Krütt-Hüning – hier bei „Meine Südstadt“.

 

 

Text: Jörg-Christian Schillmöller

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