Lesestoff für die Sommerpause
Montag, 3. Juli 2023 | Text: Nora Koldehoff | Bild: Nora Koldehoff
Sommerzeit, Ferienzeit: Auch wir gehen wieder für den Rest des Monats in Sommerpause und werden nur hier und da Neuigkeiten als Meldungen in der Rubrik „Aufgeschnappt“ veröffentlichen.
Anfang August geht es dann weiter.
Wir wünschen Euch einen schönen Sommer – hier noch mit einigen Leseempfehlungen für unterwegs oder zuhause.
Euer Meine-Südstadt-Team
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Meine Südstadtpartner
Stadtgeschichten Köln – Besondere StadtteilführungenNell Zink
Avalon
Die 16-jährige Brandy, genannt Bran, führt ein hartes Leben. Von beiden Elternteilen verlassen wächst sie bei einer Pflegefamilie auf, die eine Baumschule betreibt, gern das Pflegegeld einstreicht und sie als billige Arbeitskraft ausbeutet. Bran hat wenig Perspektiven, nutzt sie aber trotzig. Sie schafft die Highschool und versucht, die Selbstbestimmung über ihr Leben an sich zu nehmen und ihrem sozialen Hintergrund zu entkommen, unterstützt von der Mutter eines Schulfreundes.
Bran kampiert in ihrem klapprigen Mazda, jobbt im Strandcafé und als Ghostwriterin für Drehbücher. Und sie verliebt sich in Peter – der sich auch in sie verliebt, aber mit Yasira verlobt ist. „Avalon“ ist dabei für Bran ein Sehnsuchtsort und – allen mythologischen Anspielungen zum Trotz – ein gleichnamiger Touristen-Ort an der kalifornischen Küste. Dort war sie als Zehnjährige mit ihrer inzwischen verstorbenen Mutter, bevor diese sie verließ, um Nonne in einem buddhistischen Kloster zu werden. Ihren Vater hatte sie nie kennengelernt.
Nell Zink schreibt lakonisch und roh, springt durch die verschiedenen Erzählebenen und mischt mit viel Humor Anspielungen aus Literatur und Mythologie hinzu. Sehr lesenswert.
Nell Zink: „Avalon“, Rowohlt Verlag, 272 Seiten, 24 Euro.
Jochen Rausch
Im toten Winkel
Ein lang zurückliegender Mordfall an einem Abiturienten weckt das Interesse der Kommissarin Marta Milutinovic: Sie entdeckt anonyme Tweets, die im Namen des Mordopfers verschickt werden – mehr als zwanzig Jahre nach dem unaufgeklärten Todesfall. Im kleinen Ort Schwarzbach in Franken, im ehemals deutsch-deutschen Grenzgebiet, sucht die Ermittlerin nach einem folgenschweren Fehler bei ihrer letzten Stelle in der Großstadt nach einem Neuanfang: Durch eine Fehleinschätzung kam beinah ein Mann ums Leben, der nun ein Pflegefall ist. Milutinovic leitet nun in Schwarzbach die kleine örtliche Polizeidienststelle.
Noch weniger, als der Cold Case, lässt sie dort das eigene Trauma los, denn ihre eigene Tochter wurde mit siebzehn Jahren ermordet. Einfach so, weil ihr Pferdeschwanz den Täter „verrückt gemacht“ habe. Der kleine Ort im Grenzland gibt sich zunächst verschlossen – Marta aber auch. Sie eckt an, bleibt beharrlich, schließt Freundschaften und deckt nach und nach auf, was wirklich hinter dem unaufgeklärten Mord vor über zwanzig Jahren steckt. Melancholisch und in schnörkelloser Sprache, psychologisch und vielschichtig.
Jochen Rausch: „Im toten Winkel“, Piper, 304 Seiten, 24 Euro.
Caroline Schmitt
Liebewesen
Lios Körper hat gelernt auszuhalten. Nicht nur die Schläge der Mutter, mit einem Kochlöffel, bis er zerbrach, einfach nur dafür, dass es sie gab. Und die Vergewaltigung auf dem Dorffest. Selbst eine Umarmung, überhaupt jeder Körperkontakt ist für sie seitdem eine Zerreißprobe. Umso verwunderter ist sie, dass Mariam sie mag – direkt und vorbehaltlos, dass sie nur wenig später als WG zusammenziehen. Mariam, die impulsiv ist und lebensfroh, die ihre sexuellen Sehnsüchte nicht nur ausspricht, sondern auch auslebt. Dann lernt Lio Max kennen, woran Mariam nicht ganz unschuldig ist. Lio verliebt sich in ihn, erlebt ihre erste Liebesbeziehung.
Die ist nicht nur darum nicht ganz einfach, weil es Lio schwerfällt, sich zu öffnen; auch Max, mit seinem charmanten und lebenslustigen Wesen, fällt immer wieder in tiefe Depressionen, von der Außenwelt unbemerkt.
Caroline Schmitts starker Debütroman behandelt kein leichtes Thema, ist aber in leichtem Tonfall, teils mit ironischem Humor und teils in schonungslosem Realismus geschrieben, ohne oberflächlich zu werden. Berührend.
Caroline Schmitt: „Liebewesen“, Eichborn Verlag, 224 Seiten, 20 Euro.
Jens Foell
Foellig nerdiges Wissen
Untertitel: „42 höchst zufällige und äußerst wissenswerte Tatsachen über unsere Welt, das Universum und den Nacktmull“. Warum ist es sinnvoll, sich am Timesquare zu verabreden, was haben Elefanten mit Zyklopen zu tun und was hat es mit der „Substanz P“ und dem Nacktmull auf sich? Diese und viele weitere Fragen beantwortet der Neuropsychologe und Hirnforscher Jens Foell auf ausgesprochen kurzweilige und unterhaltsame Weise in den nicht ganz zufällig 42 Kapiteln. Seit 2020 ist er Teil des Teams von Mai Thi Nguyen-Kim, die zum Buch auch das Vorwort verfasste. In „maiLab“ hieß seine eigene Rubrik einst noch „Foellig unnützes Wissen“, aber unnütz, so die Moderatorin und Namensgeberin der Sendung, sei dieses Wissen ja keineswegs.
Der Science-Journalist jedenfalls liebt es, wissenschaftliche Themen leicht verständlich zu machen. Die Bandbreite ist so umfassend, wie der Untertitel vermuten lässt und langweilt dabei kein bisschen. Wer noch kein Nerd ist, möchte es jetzt werden.
Jens Foell: „Foellig nerdiges Wissen“, Droemer Verlag, 288 Seiten, 18 Euro.
Tarkan Bagci
Heartbreak
Extra-Tipp zum Vorbestellen:
Im Podcast „Gefühlte Fakten“, den Tarkan Bagci und Christian Huber seit vier Jahren wöchentlich gemeinsam herausbringen, erzählte der Kölner Comedy-Autor und Fernseh-Moderator unlängst, dass er seit zwei Jahren auch privat schreibe. Erst nur für ihn selbst, bis er dann gemerkt habe, dass etwas ganz Eigenes entstehe. „Und da ist dann nach und nach ein Roman draus geworden, der mir sehr sehr viel bedeutet. Es sind auch ein paar Themen dabei, die nicht so lustig sind eigentlich, also Depressionen zum Beispiel, das Verhältnis zu den eigenen Eltern, das Loslösen von den Eltern. Keine Comedythemen. Aber ich bin sehr froh, dass am Ende ein okay lustiges Buch draus geworden ist.“
Und – so viel Spoiler sei erlaubt – die Geschichte ist nicht nur okay lustig geworden, sondern sehr, zumindest stellenweise. Sie kommt leicht daher und spart schwere Themen nicht aus, ohne sie dabei ins Lächerliche zu ziehen, mit einem liebevollen Blick auf die beiden Hauptpersonen: Sowohl Marie, als auch Tom wurde übel mitgespielt. Marie wurde ganz plötzlich und ohne ein Wort verlassen und Tom gilt unschuldig als Hundemörder; seine gerade begonnene Karriere liegt in Scherben. Ihre Wege kreuzen sich, als sie versuchen, die Dinge wieder geradezurücken und zu klären.
Das Buch erschient im August und ist bereits vorbestellbar.
Tarkan Bagci: „Heartbreak“, dtv, 304 Seiten, 22 Euro.
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