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Kultur

Let it be – Das Kulturfinale des Sommerblutfestivals 2010

Dienstag, 25. Mai 2010 | Text: Jens Rosskothen | Bild: Meyer Originals

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Eigentlich wollte ich an dieser Stelle einen einigermaßen objektiven Artikel über das diesjährige Kulturfinale des Sommerblutfestivals im Alten Pfandhaus der Südstadt schreiben. Aus der Sicht des interessierten Zuschauers, der sich genießerisch zurücklehnt und erwartungsvoll auf ein buntes Programm hofft.
Und nun stehe ich am Pfingstsonntag gegen 19:30 Uhr mit klopfendem Herzen im Backstagebereich, das ‚Alte Pfandhaus‘ voll bis auf den letzten Platz, meine Gitarre schon dort, wo ich gleich sein werde, und das Licht im Saal geht aus. Das Publikum verstummt, ich gehe hinaus auf diese wunderbar in der Mitte angelegte und somit von Zuschauern umringte Bühne, befreie meine Gitarre aus ihrer Untätigkeit und singe ein leidenschaftliches (zumindest fühle ich mich in diesem Moment durch und durch leidenschaftlich) „Let it be“.

„Wow, jetzt schreibt er über sich selbst“ werden einige vielleicht denken, oder „toll in Szene gesetzt, Deine eigene Befindlichkeit….., Angeber“. Stimmt und stimmt nicht. Kurzfristig wurde ich gefragt (durchaus als Musiker, aber auch als Freund), ob ich das diesjährige Kulturfinale nicht mit dem altbekannten Beatlessong eröffnen wolle. Als Hälfte eines Rahmenprogramms sozusagen, denn beim abschließenden Finale des Finales sollten alle Künstler gemeinsam „Let it be“ singen. Und natürlich pinsel ich mir rückblickend den eigenen Bauch, stolz, das Intro dieser Veranstaltung gewesen zu sein. Aber das war es auch schon. Denn nach meinem Auftritt kehre ich zurück in den Zuschauerraum, suche das Gesicht meiner Frau und begnüge mich mit einem Platz auf der Treppe, der Saal ist brechend voll. Nun bin ich ganz Zuschauer, und auf der Bühne erscheint Alexandra Gauger alias Fräulein Cäsar, die an diesem Abend durch das Programm führen wird. Das wirkt direkt gekonnt witzig und kurzweilig.

Nach kurzem Aufwärmprogramm für das Publikum kündigt sie Seyran an, einen Musiker aus Aserbaidschan, der traditionelle, orientalische Musik mit Popmusik vereint. Er singt, tanzt, animiert und die positive Stimmung seiner Musik überträgt sich auf die Zuschauer. Schon hier erahnt man die bunte Vielfalt des abendlichen Programms, stellvertretend für das gesamte Festival. Und dann betritt eine junge Frau mit Gitarre die Bühne: Johanna Zeul, die deutschsprachige Lieder schreibt und diese emotionsgeladen vorträgt. Die intelligenten Texte brennen sich mir ins Hirn, und die Musikerin wirkt sehr authentisch, wie sie fast körperlich in ihre songs eintaucht und mich mit ihrem rhythmisch individuellen Gitarrenspiel beeindruckt. Gerade in der Garderobe hatte ich noch eine junge, leise, freundlich lächelnde Frau wahrgenommen. Vielleicht auch nur ein Teil in mir, dieses ungewollte „alter Sack sieht junge Frau, findet sie süß und nimmt sie nicht ganz ernst“. Tja, alter Sack, und nun rockt diese Frau den Saal. Und während ich das verarbeite, betreten gutgekleidete Männer die Bühne. Einer setzt sich an den Flügel, einer geht in Dirigentenposition. In witzig stimmiger Weise zeigt Köln’s erster schwuler Männerchor, die Triviatas, einen Auszug seines aktuellen Programms. Das entspannt und verstärkt die gute Laune, die ich mit in die Pause nehme.

Die zweite Hälfte beginnt mit dem Duo The Snoopy Lads. Ein eingängiger Mix aus 80er Jahre Wave, Popmelodien und Elektrobeats. Visuell begleitet von Videos auf der Leinwand, die über der Bühne thront, und auf der den ganzen Abend stimmungsvoll fotografische Eindrücke der diesjährigen Festivalbeiträge zu sehen sind. Nach einem spontanen Duett mit einer Musikerkollegin aus dem Zuschauerraum verabschiedet sich The Snoopy Lads, und das mir mittlerweile ans Herz gewachsene Fräulein Cäsar betritt wieder die Bühne. Ich freue mich über ihre gelungene Moderation, gekonnte Comedy, und meine Freude weicht blankem Staunen, als sich ihre Moderation zu einem eigenen musikalischen Programmpunkt entwickelt. Alexandra Gauger alias Fräulein Cäsar setzt sich an den Flügel und parodiert Mariah Carey, indem sie den englischen songtext ins Badische übersetzt. Dies macht sie musikalisch derart eindrucksvoll, daß ich die Parodie kurzzeitig vergesse. Übertroffen wird dies in ihrer zweiten Gesangsdarbietung. Eine Operndiva nachahmend offenbart sie eine fantastische Stimme, und frenetischer Jubel bricht los.

Ich fühle mich wohl, jubelnd auf meinem Treppenplatz, denn diese Gefühlswallung spiegelt die gesamte Atmosphäre an diesem Frühlingsabend. Das Publikum feiert die Künstler, und die Künstler feiern mit dem Publikum. Ein stimmiges, unsentimentales Miteinander. Richtig bewußt wird mir das bei den Interviews mit Stefan Burkhardt aus dem Vorstand und Rolf Emmerich, dem Initiator des Festivals. Denn was ich als momentane Stimmung wahrnehme, ist Ursprungsgedanke des gesamten Sommerblutfestivals. Seit 2002 existiert es nun, prächtig gemausert, durch zahlreiche Sponsoren letztlich unabhängig und nur dem eigenen Anspruch verpflichtet, ein buntes Programm jenseits des Mainstream zu bieten. International, gesellschaftliche Minderheiten und Randgruppen integrierend und immer auf der Suche nach künstlerisch anspruchsvollen, innovativen Projekten.

Ich spüre, wie lebendig dieser Anspruch ist. Und als die zahlreichen, ehrenamtlichen Helfer auf die Bühne kommen, Stefan Burkhardt dem überraschten Rolf Emmerich einen Strauß Blumen überreicht, und die beiden sich ohne jeden Pathos innig umarmen, erahne ich, wieviel Herzblut in diesem Sommerblut steckt. Dankbar für dieses Engagement, dankbar, auch als Publikum ein Teil dieser Idee zu sein, lasse ich mich gerne auf den letzten Programmpunkt ein. Die Special Guest Band, drei junge Musiker, fangen die Stimmung mit Gesang, Klavier und Gitarre gekonnt auf, und dank der hervorragend gesungenen und gespielten Coversongs entwickelt sich der Konzertabend zu einer ausgelassenen Party, in deren Verlauf ich mich mit Rose auf der Bühne wiederfinde, meiner Frau zuwinke und mit Künstlern und Publikum ein beherztes „Let it be“ zwischen die herabschwebenden Luftballons jauchze. Und ich spüre Stolz. Nicht auf mich, sondern auf die Grundidee des Sommerblutfestivals, auf das gegenseitige Geben und Nehmen von Künstlern und Publikum, das gerade in diesem Kulturfinale nochmal augenscheinlich wurde. Und „Let it be“, das ich als Jugendlicher immer im Sinne von „Lass es bleiben“ verstanden habe, erfährt hier seine eigentliche Bedeutung. „Lass es zu“. „Lass es geschehen“.

Text: Jens Rosskothen

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