Liebe.
Montag, 5. Dezember 2011 | Text: Kathrin Rindfleisch
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Mal nicht allein unter Zwergen sein, sondern allein OHNE Zwerge – auch das ist mein Leben. Und was zu schreiben, wo absolut kein Zwerg drin vorkommt, gelingt mir das überhaupt? Ich werde es von nun an öfter tun und dann können ja ruhig auch Zwerge wieder dabei sein, aber eben nicht allein. Die Weiche-Knie-Liebe zum Beispiel ist ein Thema, das ganz gut ohne Zwerge auskommt.
Mal nicht allein unter Zwergen sein, sondern allein OHNE Zwerge – auch das ist mein Leben. Und was zu schreiben, wo absolut kein Zwerg drin vorkommt, gelingt mir das überhaupt? Ich werde es von nun an öfter tun und dann können ja ruhig auch Zwerge wieder dabei sein, aber eben nicht allein. Die Weiche-Knie-Liebe zum Beispiel ist ein Thema, das ganz gut ohne Zwerge auskommt. Mit ihnen im Schlepptau zumindest hätte ich mir ´nen heftigen Magenschlag, erhöhten Blutdruck, zitternde Hände und eine angesteckte Erkältung gespart, ohne sie allerdings bin ich auf Wolken geschwebt auch noch, als ich schon längst wieder gelandet war …
Bäng! Landet die Faust in der Magengrube, sacken die Knie augenblicklich zusammen, wird mir leicht schwindlig. Der Kuss kommt so unverhofft, so erhofft, so atemberaubend. Leidenschaft und dann ein viel zu jäher Abschied. Aber, damit hatte auch niemand gerechnet, und der Flieger geht um neun. Und da muss ich mit. Schließlich wartet hier mein Leben auf mich. Meine Tochter (Achtung, doch wieder Zwerg im Text), mein Job.
Zweieinhalb Tage Auszeit in einer anderen Stadt. Ganz allein, ganz entspannt, ganz gespannt. Am ersten Abend folge ich dem Tipp eines Einheimischen und lande in einem Café, das auch Kneipe ist und Lokal. Keine Musik, vergilbte Poster an den dunklen Wänden, Holztische und ein Raum voll angeregter Gespräche. Was ich noch nie gemacht habe, mir aber beim Betreten der Kneipe klar ist, ich setze mich nicht an einen der Tische, ganz alleine. Ich setze mich ganz selbstverständlich an die Theke. Und bestelle ein Köl…, nein, ein Bier. Ich denke Kölsch und sage Bier, ich denke kleines Glas und bekomme einen Riesenhumpen. Und fühle mich wundersam wohl, aufgekratzt und gleichzeitig so sehr bei mir. Und dann passiert das Phänomen, das einen ereilt, wenn man sich selbst genug ist, man macht sich interessant für andere. Eine laute Frau am anderen Ende der Theke spricht mich an, nennt mich „Eine Deutsche“. Kurz fühle ich mich ertappt, irgendwie aber auch geschmeichelt. Neues Gefühl, als ich frage, ob man mir das an der Nasenspitze ansieht. „Nur eine deutsche Frau sitzt so selbstbewusst an der Theke und bestellt ein Bier!“ Dass sie, wie sie mir dann erzählt, Köln-Fan ist, ist nur konsequent – die Welt ist klein.
Den Barkeeper habe ich beim zweiten Getränk auf meiner Seite und ab dann gibt`s das Bier für lau. Mir geht’s gut, und dann spricht mich Andi an, der Architekt aus München. Er hat Geburtstag, möchte mit mir feiern, zeigt mir die fremde Stadt bei Nacht. Ich fühle mich wie im Traum, genieße die Stadtführung. Auch noch am nächsten Tag, als er sich krank meldet, um mir seine Sehenswürdigkeiten zu zeigen. Eigentlich war ich mir doch selbst genug, sah mich stundenlang in Caféhäusern sitzen und schreiben, beobachten und aufsaugen. Vernichtet augenblicklich alle Flirt-Ratgeber und kümmert Euch um Euch, dann kommen sie von ganz allein. Oder sie kommt von ganz allein, die Liebe!
ER war meine Möglichkeit, mir die Auszeit zu nehmen. Weil ich auf seinem Sofa schlafen konnte. Ein Freund eines Freundes, mir ein flüchtiger Bekannter. Bis zum dritten Tag. Bei meiner Ankunft ist er furchtbar krank, öffnet mir die Tür mit verquollenen Augen, und ich denke trotzdem kurz: „Wow, ach der war das…!“ Dann stellt er mir sein Zimmer zur Verfügung, schläft selbst auf der Couch, und wir sehen uns zwei Tage kaum, weil er krank ist und ich unterwegs bin. Am Abend des zweiten Tages schlägt er vor, doch wenigstens am letzten Tag zusammen zu Mittag zu essen, das müsse er schließlich auch, auch wenn er krank sei. Gerne! Und dann treffe ich ihn, den Freund eines Freundes, der mir von seinen aufkeimenden Gefühlen zu einer texanischen Musikerin erzählt und davon, endlich ankommen zu wollen. Eine Familie zu wollen, davon, dass er es leid ist, das Singleleben. Er hätte gerne, was ich lange hatte und das, was ihn nervt, empfinde ich gerade als spannend. Und trotzdem, oder gerade deswegen, entwickelt sich eine Spannung, wir verbringen den Mittag miteinander, dann ist schon Nachmittag, und plötzlich ist es dunkel. Und ich denke nur die ganze Zeit, hoffentlich geht das nicht vorbei. Denn ich fühle mich so wohl in seiner Gegenwart, möchte einfach nicht, dass er geht. Das denke ich, nicht mehr. Er ist der Freund eines Freundes, er ist verliebt in eine texanische Musikerin, er möchte eine Familie.
Schließlich ist Abend, wir haben wieder Hunger und landen in einem schicken Restaurant mit DJ und asiatischer Küche. Ich sei Gold wert, so schnell hätte er in dem stets überfüllten Laden noch nie einen Tisch bekommen. Kurz schlägt mein Herz doppelt so schnell.
Wir essen, reden und lachen miteinander und ich finde ihn immer toller, mit seiner süßen Zahnlücke und diesem charmant trockenen Humor.
Draußen dann legt er mir den Arm um die Schulter. Einfach so. Und ich sacke zusammen. „Oh, Entschuldigung,! Vielleicht willst Du das ja gar nicht!“ Aaaahhhh, doch dann Bäng! Dieser Kuss…!
Im Flieger muss ich nach der Tüte suchen, mein Magen dreht sich und mein Kopf ist so weich wie die Wolken, durch die wir gerade schweben. Ich hab das Gefühl, es zerreißt mich, und ich schreibe ihm eine Nachricht. Ich wusste gar nichts von meinem ungeheuren Kitsch-Potential, ich wusste gar nichts von verdrehtem Kopf und weichen Knien. Die Liebe bleibt zurück in Wien, ich bin zurück in meinem Leben, mein Herz ist etwas wunder, mein Kopf manchmal etwas vernebelter und wow, ja! Ich bin etwas glücklicher, durfte ich sie doch spüren, die Weiche-Knie-Liebe.
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