“Man sollte diese Geschichte alle zwei Jahre nochmal lesen”
Freitag, 9. Dezember 2011 | Text: Aslı Güleryüz | Bild: Asl? Güleryüz
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
sagt der italienische Komponist Simone Fontanelli und meint damit Die Abenteuer von Pinocchio aus der Feder von Carlo Collodi. Simone Fontanelli hat für das Kölner Gürzenich-Orchester das berühmteste italienische Märchen Pinocchio als ein musikalisches Erzählstück komponiert. Die Kinderoper Köln stellt es jetzt auf die Bühne als 2-Mann-Stück. Die Premiere von Pinocchio oder Es war einmal ein Stück Holz hat am Nikolaus-Tag im Alten Pfandhaus statt gefunden. Der Komponist war eigens dafür aus Salzburg angereist.
Das Bühnenbild ist bescheiden. Eine Werkbank, ein paar Baumstümpfe das wars. Auf der Bühne selber sehen wir 2 Personen: Einen Klarinettisten und einen Erzähler das wars. Mehr braucht man gar nicht, um Kinderaugen zum Glänzen zu bringen. In dieser Version ist Pinocchio ein musikalisches Erzählstück. Es wird nicht gesungen und es gibt auch kein Orchester. Das Zusammenspiel zwischen der Klarinette und dem Erzähler ist sehr harmonisch, aufeinander abgestimmt und sehr spielerisch. Der Erzähler wird von einen Schauspieler verkörpert, der gerade bei allen Vorschul- und Grundschulkindern bekannt und beliebt ist. Sie kennen ihn nämlich alle als Fritz Fuchs aus der Sendung Löwenzahn. Tatsächlich heißt er Guido Hammersfahr, trat auch schon im Tatort auf, spielte Comedy und Theater und macht auch Musik. Perfekt! Die Klarinette spielt der junge, österreichische Virtuose Robert Oberaigner, der die Solo-Klarinette im Gürzenich Orchester spielt. Den beiden Künstlern macht es sichtlich Spaß, sich in ihre Rollen zu versetzten. Robert Oberaigner spielt den Pinocchio nicht nur mit der Klarinette, er setzt auch ab und zu seine Mimik gekonnt ein. Guido Hammersfahr bezieht die Kinder an manchen Stellen in sein Spiel ein. Er trägt die Handlung in rasantem Tempo vor und nimmt sein Publikum mit. Diese Freude an der Aufführung springt auch auf das Publikum über.
Sebastian ist am Tag der Premiere 9 Jahre alt geworden und besucht die 4. Klasse einer Grundschlue in Bayenthal. Ihm hat das Stück sehr gut gefallen: Wir sind auch gut vorbereitet gewesen. Unser Musiklehrer ist das Stück mit uns durchgegangen und eine Klarinettistin kam in die Klasse und hat das Instrument vorgestellt. Dies ist ein besonderer Service des Gürzenich-Orchestras für Klassen. Wenn die ganze Klasse in eine Vorführung kommen möchte, dann bieten sie einen kostenlosen Workshop an. Eine Klarinettistin kommt für ein paar Tage in die Schule, stellt das einzige Instrument, das in dem Stück vorkommt, vor. Von diesem Angebot hat auch eine Grundschule in Kerpen Gebrauch gemacht. Lara besucht die 1. Klasse der Schule: Mir hat es gut gefallen. Es war gar nicht langweilig. Am Besten fand ich den Fuchs.
Viele der kleinen Gäste kennen die Geschichte von Pinocchio schon. Sie können sich gut in ihn hineinversetzen. Pinocchio ist eine Holzpuppe, die sein Vater Gepetto schnitzt. Er möchte nicht in die Schule gehen sondern lässt sich stets aus der Situation heraus spontan zu etwas Anderem hinreissen. Wie ein Kind eben. Ein Kind aus Fleisch und Blut möchte Pinocchio werden. Aber dafür muss er aufhören ein Hampelmann zu sein, zu lügen und muss in die Schule gehen. Das Thema ist aktuell auch für die Kinder heute. Der italienische Journalist und Schriftsteller Carlo Collodi hat die erste Geschichte von Pinocchio am 7. Juli 1881 in einer neuen Kinderzeitschrift veröffentlicht.
Nach der Premiere beantworten der Komponist Simone Fontanelli, Guido Hammersfahr und Robert Oberaigner gerne unsere Fragen.
Meine Südstadt: Herr Fontanelli, wieso haben Sie die Geschichte von Pinocchio für Ihr musikalisches Erzählstück ausgewählt?
Simone Fontanelli (Komponist): Ich bin in der Nähe des Dorfes groß geworden, in dem Carlo Collodi wohnte und seinen Pinocchio verfasst hat. Ich bin mit der Geschichte groß geworden. Sie hat so viele Facetten. Je nach dem, wann man es liest, versteht man eine andere Ebene der Geschichte. Liest man es als Kind, identifiziert man sich mit Pinocchio. Liest man es als Elternteil, erinnert man sich an all die gleichen Worte, die man seinem eigenen Kind sagte. Man sollte diese Geschichte alle zwei Jahre nochmal lesen. Die Sätze bekommen immer eine andere Bedeutung für uns. Das Märchen ist so weise.
Bevor der Auftrag vom Gürzenich Orchester kam, hatte der Holzlausebengel Pinocchio Sie bereits inspiriert.
Ja. In den 90er Jahren habe ich Etüden für die Klarinette komponiert, die ich Es war einmal ein Stück Holz nannte. Diese hat Robert bereits in Salzburg gespielt.
Herr Fontanelli, warum haben Sie sich gerade für die Klarinette entschieden?
Für mich ist Pinocchio eine Klarinette. Wie er ist auch die Klarinette aus Holz. Aber die Klarinette ist nicht so aristokratisch wie eine Violine oder ein Cello. Die Klarinette ist den Kindern näher als eine Violine. Die Klarinette kann sprechen, singen, tanzen, laufen, lachen, weinen, sie kann lieben und gemein sein.
Spielen Sie selber auch Klarinette?
Simone Fontanelli: Nein, ich habe Gitarre und Klavier gespielt. Aber ich habe während der Phase der Komposition sehr eng mit Robert zusammen gearbeitet. Ich habe ihm Vorschläge gemacht und er hat seine Meinung dazu gesagt. Oder er hat Vorschläge gemacht und ich habe sie umgesetzt.
Robert Oberaigner: Es lassen sich mit der Klarinette einfach die meisten unterschiedlichen Töne erzeugen. Außerdem ist es vokal, wie die Sprache.
Die Musik ist recht modern und atonal. Ist es schwierig, Kindern solch eine Musik näher zu bringen?
Simone Fontanelli: Wenn man für Kinder schreibt und komponiert, ist es wichtig, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Für Kinder muss das Theater nicht auf der Bühne sondern in ihrer eigenen Phantasiewelt, in ihrer Vorstellung statt finden. Weniger ist mehr. Die Klarinette personifiziert nicht nur Pinocchio sondern sie erzäht auch die Handlung musikalisch. Gepetto schnitzt ein Auge , es gibt einen Ton von der Klarinette. Noch ein Auge, noch ein Ton. Dann schnitzt er den Mund, der lacht. Lauf der Klarinette stellt das Lachen dar. Pinocchio streckt die Zunge raus, noch ein Klarinettenlauf. Seufzen oder Rufen stellt die Klarinette dar. Der Esel trabt und galoppiert. Die Klarinette macht es mit ihm. So wird das Geschehen sensitiv besser erlebbar, da es hörbar ist.
Herr Hammersfahr, es heißt Kinderoper, aber sie singen gar nicht?
Guido Hammersfahr: Das ist auch besser so! Ich bin der Erzähler und stelle teilweise auch pantomimisch und schauspielerisch die Handlung dar. Ich schlüpfe in die verschiedenen Personen. Dafür brauche ich keine Hilfsmittel. Selbst mit der Fuchsmaske habe ich mir schwer getan. Ich konnte mich nicht mit ihr anfreunden. Aber sie ist ja sehr reduziert und minimalistisch. Daher hat es dann doch gut geklappt. An einer Stelle singe ich ein wenig. Fontanelli hat für den Fuchs einen Tango komponiert, den ich singe.
Weitere Vorführungen:
Samstag, 10.12., 15:00 Uhr
Montag, 12.12., 15:00 Uhr
Freitag, 16.12., 15:00 Uhr
Mittwoch, 21.12., 15:00 Uhr
Donnerstag, 22.12., 15 Uhr
Empfohlen für Kinder ab 6 Jahren
Ort: Altes Pfandhaus
Tickets: Kinder 7 Euro, Erwachsene 11 Euro
Hörprobe von der Uraufführung gibts hier
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