„Manchmal fehlt es einfach am Nötigsten“
Mittwoch, 13. Dezember 2023 | Text: Jeannette Fentroß | Bild: KÖLN HILFT / Jeannette Fentroß
Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten
An einem verregneten Mittwochmittag treffe ich die „Principessa“ in ihrem gleichnamigen Atelier an der Eiche. Obwohl Simone Hertwig in ihrer Schneiderei viel zu tun hat, geht es in unserem Gespräch nicht um Damenmode.
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Meine Südstadtpartner
Lotta wünscht sich was – Köstlichkeiten aus deutschen ManufakturenMich interessiert ihre Arbeit für das Projekt zur Unterstützung der Opfer des Krieges in der Ukraine: KÖLN HILFT. Sie lacht: „Ich habe jetzt erst recht einen Fulltime-Job – meine komplette Freizeit widme ich diesem Hilfsprojekt. Mein Mann ist nicht begeistert, aber es ist die erfüllteste Zeit meines Lebens!“
Ein Anruf und seine Wirkung
Begonnen hatte alles am 24. Februar 2022 mit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine. Ausgerechnet an Wieverfastelovend, während die Jecken bei uns nach langer Pandemiepause wieder Karneval feiern wollten, startete Putins Angriffskrieg. Etwa ein Drittel der ukrainischen Bevölkerung ist geflüchtet, doch nicht alle können oder wollen ihre Heimat verlassen. Die zurückgebliebenen Menschen, darunter auch viele Ältere und Kinder, leiden Hunger, haben weder Strom- noch Wasserversorgung und es fehlt auch an Medikamenten.
Zu dieser Zeit klingelte bei Simone Hertwig das Telefon, am anderen Ende der Leitung war eine russische Frau zu hören. Sie bat die Südstädterin, die zu dieser Zeit eine 800 Quadratmeter große Lagerhalle auf dem Gelände des Kölner Großmarktes angemietet hatte: „Bitte helfen Sie den Menschen in der Ukraine.“ Simone war schnell überzeugt und aktivierte alle zur Verfügung stehenden Kontakte.
Organisation und Umorganisation
Nach dem ersten Spendenaufruf dauerte es nicht lange und viele Menschen brachten zahlreiche Sach- und Geldspenden, Lebensmittel und Kleidung. „Um all die Spenden zu verpacken, haben wir Tag und Nacht gearbeitet“, sagt Simone. Besondere Pakete für Mütter mit Babies, mit Windeln und Babynahrung, Pflege- und Hygieneartikeln sowie Energy-Riegeln für Nerven und Kraft, wurden zusammengestellt.
Und dann ging die Reise los: Über eine Berliner Hilfsorganisation wurden die Kölner Spendenpakete Teil eines Sammeltransportes in die Ukraine. Das ernüchternde Fazit jedoch: „Die großen LKW sind gar nicht durchgekommen“, so Simone Hertwig. Zu auffällig und zu schwer, um damit auf zerstörten Straßen und Wegen zu fahren. „Nach drei Monaten haben wir den Transport dann umorganisiert und alle Güter in ein Sammel- und Verteillager in Polen, nahe der ukrainischen Grenze, gefahren“, erklärt sie.
Haltbare Lebensmittel wie Konserven, Kaffee, Tee, Reis oder Nudeln, aber auch Porridge und Tütensuppen, sind gefragt – mit einer Haltbarkeit von noch mindestens drei weiteren Monaten. „Wir wissen schließlich nicht genau, wann die Waren wirklich bei den Menschen in den Kriegsgebieten ankommen“, sagt die ehrenamtliche Organisatorin.
Praktische und jahreszeitentsprechende Kleidung wird immer gebraucht. „Doch das Prüfen und Sortieren ist eine sehr zeitaufwändige Arbeit für unsere Freiwilligen.“ Warme Decken, Kopfkissen und Schlafunterlagen sind ebenfalls Mangelware. „Wir versuchen alles zu beschaffen, was an uns herangetragen wird. Egal ob Feuerlöscher, Generatoren oder Solarpaneele.“ KÖLN HILFT betreut auch zwei Tierheime: „Viele Geflüchtete haben ihre Tiere zurücklassen müssen – oder die Besitzer sind den Angriffen zum Opfer gefallen.“
Regelmäßig fährt ein 40-Tonner von KÖLN HILFT aus der Südstadt mit Hilfsgütern für die Ukraine
Das ehrenamtliche Engagement findet Unterstützung auch bei der Stadt Köln: Für die Lagerung und das Umverpacken der Spenden erhält KÖLN HILFT eine leerstehende Halle mit ganzen viertausend Quadratmetern. Die Kliniken der Stadt Köln spenden mehr als 600 Bettenausstattungen, Bezüge und Laken für die Krankenhäuser, denn auch bei uns ausgemusterte Pflegebetten, Rollstühle, Rollatoren und Gehhilfen werden im Kriegsgebiet dringend benötigt.
Sauberes Trinkwasser ist in Krisengebieten mit zerstörter Infrastruktur überlebenswichtig. Wasserfilter und Tabletten zur Aufbereitung sind bei den Transporten mit dabei.
Alle sechs Wochen starten die Transporte ins Lager nach Polen. Von dort wird umgeladen, in kleinere Transporter mit Allradantrieb, und es geht weiter in Richtung Odessa. Simone Hertwig hat Kontakt zu zwei jungen Kölnern, die sich bei der Fluthilfe an der Ahr getroffen haben. Beiden war – wie ihr selbst – nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine sofort klar, dass sie helfen müssen.
Die Fahrer tragen allesamt ein extrem hohes Risiko und sind sich dessen auch bewusst. Der Job ist extrem gefährlich und ständig herrscht Lebensgefahr. Trotzdem haben sie sich der humanitären Hilfe verschrieben und leisten einen gewaltigen Beitrag zur Linderung des Leides in der Ukraine. Irgendwie halten die Fahrer untereinander Kontakt, informieren sich über Kontrollen und Kampfhandlungen, befahrbare Strecken oder Straßenschäden, stimmen die schussfreien Korridore mit den Militäreinheiten ab. Und immer wieder stellen sie fest, dass in vielen, entlegenen Dörfern zuvor noch niemand von den großen Hilfsorganisationen war.
Das Wichtigste: Licht und Wärme
„Manchmal fehlt es einfach am Nötigsten“, sagt Simone Hertwig. „Es gibt entweder keinen Sprit oder das Geld dafür ist nicht da. Alle vier Stunden ist Luftalarm in Kiew oder Odessa – da sitzen die Menschen in den Kellern und hungern.“ Simone Hertwig weiß, dass Kochen, Licht und Wärme meist das Wichtigste sind. Und Not macht erfinderisch: Die „Aktion Büchsenlichter“ sammelte Wachs- und Kerzenreste und zeigte, wie aus einer leeren Konservendose, einen Blatt Zeitungspapier oder einem Stück Karton und eingeschmolzenem Kerzenwachs eine neue Wärme- und Lichtquelle herstellbar ist, auf der auch noch gekocht werden kann. Im Dezember sind Weihnachtstüten unterwegs in die Ukraine, zu verschiedenen Einrichtungen für Kinder und zu Familien. „Wir schenken Licht und Schokolade, ein Nikolaus muss dabei sein und etwas Süßes auch. Und eine ganz besondere Taschenlampe, die ohne Batterien mit einem Dynamo funktioniert – perfekt gegen die Angst in der Dunkelheit.“
„Spendenbereitschaft hat extrem nachgelassen“, stellt Simone Hertwig fest. „Aber die Südstadt bleibt aktiv!“ Gerade wird alles gebraucht, was warm hält: Dicke Socken, neue Thermounterwäsche, Winterjacken in dunklen Farben. „Bitte keine leuchtenden Neonfarben oder Reflektoren, das würde die Träger zur Zielscheibe machen!“, sagt die Organisatorin von KÖLN HILFT.
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cambio CarSharingNeben Sachspenden braucht das Projekt weiterhin finanzielle Unterstützung. Ein Transport kostet zwischen zwei und dreitausend Euro für Diesel, das Geld muss alle vier Wochen bereitgestellt werden.
Simone Hertwig hat nicht weggeschaut, sondern tut, was sie kann, für alle Opfer des Krieges in der Ukraine. Wer KÖLN HILFT unterstützen möchte, kann Spenden von Dienstag bis Freitag zwischen 11 und 16 Uhr direkt im Geschäft an der Eiche 3A in der Kölner Südstadt abgeben. Bei größeren Mengen ist eine vorherige Kontaktaufnahme sinnvoll. Die Bankverbindung ist auf der Homepage von KÖLN HILFT zu finden, Spendenquittungen können ausgestellt werden.
KÖLN HILFT | Simone Hertwig | An der Eiche 3a | 50678 Köln | Büro 0221 32 80 40 | mobil 0173 2976 800
SPENDENLAGER E 63 im Großmarkt (Einfahrt Bischofsweg) | Marktstraße 10 | 50968 Köln
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