Mehr Glitzer – Lars Eidinger zu Besuch im ODEON
Dienstag, 28. März 2023 | Text: Judith Levold | Bild: Judith Levold/Reiner Holzemer Film
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Mal wieder eine große Premiere im Odeon, unserem Südstadt-Kino. „Sein oder nicht sein“ – der Dokumentarfilm über Lars Eidinger.
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Kartäuserkirche – Evangelische Gemeinde KölnVor ein paar Jahren an genau derselben Stelle habe ich Lars Eidinger schon einmal bei einer Premiere getroffen und interviewt. „Die Blumen von gestern“ hieß der Film und wir haben total zwanglos mit ihm, meinem Fotografen und dem Regisseur dagesessen und einfach drüber geredet. Diesmal standen die Zeichen für ein Interview schlecht: Eidinger käme nach einer WDR-TV-Aufzeichnung erst sehr knapp vor Film-Ende und dem geplanten Publikumsgespräch an, teilte mir das Pressebüro mit.
Hi, ich bin Lars
Und so lungere ich mit meinen Gedanken zum Film im leeren Café herum, als ich plötzlich aus dem Augenwinkel jemanden ins Foyer und zur Theke kommen sehe, „Hi, ich bin Lars“, sagt die große Gestalt im schicken Glitzerpulli zu den Kellnerinnen an der Theke, und nachdem ihn Jürgen Lütz und Martin Roelly vom ODEON begrüßt haben, geselle ich mich dazu. Wir kommen gleich ins Quatschen über den TV-Auftritt, von dem er kommt, und dass er ja jetzt noch reichlich Zeit habe – er habe drüben einen Sushi-Laden gesehen, sollen wir? „Ähh, ist eigentlich jemand von meinen Leuten, vom Verleih oder so da oder bin ich hier alleine?“ fragt er, und Jürgen Lütz antwortet prompt: „Nö, Du bist ganz alleine. Aber wir sind ja bei Dir“.
Nicht egal
Lars Eidinger lacht und schaut Richtung Treppe, die eine Frau gerade aus dem großen Kinosaal kommend langsam herabsteigt. „Gehst Du ´raus? Wieso gehst Du ´raus?“, fragt er, sichtlich irritiert (ihr war einfach blümerant, sie wollte nur was trinken, Anm. der Red.) und damit sind wir, wie im weiteren Gespräch bei Sushi und Kölsch, auch schon mitten im Film: Sein oder nicht sein. Ihm sei es eben nicht egal, was über ihn gesagt werde, natürlich wolle er für das, was er tue, wenn er alles aus sich heraushole „geliebt“, sprich wertgeschätzt werden, so Eidinger. Das beschreibt er auch im Film. Sowohl im O-Ton als auch in Passagen bei Proben zu diversen Theaterstücken und Klappen an Filmsets – und das wird auch sehr deutlich.
Wie Schauspielerei funktioniert
In sämtlichen Trailern und Berichten zum Film ist sie zu sehen: Die Probenszene, in der Lars Eidinger als Jedermann den Tod kommen spürt und dessen Todesangst auf sein Gesicht zu bringen sich anstrengt, bevor er plötzlich abbricht. Und den Regisseur wütend und gekränkt angeht bis zur Schreierei. „Das ist im Grunde die zentrale Szene des Films, weil man daran alles ablesen kann, worum es bei der Schauspielerei geht.“ Und: „Es ist ja eine Mär zu glauben, bei guten Dokumentar- Filmer*innen vergesse man irgendwann die Kamera. Ich habe weder die Kamera noch mich selbst in diesem Moment vergessen. Es ist viel mehr umgekehrt ohne die Kamera hätte der Konflikt so nie stattgefunden.“
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in.form – Köln SüdstadtMir persönlich kommt da das Bild des Gebärens in den Sinn, wo im für mich extremsten Moment vielleicht Arzt und Hebamme miteinander scherzen. Lars Eidinger vergleicht es mit einem Bild aus dem Sport: „Das ist, wie wenn Olympionik*innen vier Jahre trainieren, um bei der Olympiade die Latte nicht zu reißen und sehen im Augenwinkel wie der Trainer oder die Trainerin im entscheidenden Moment das Stadion verlässt.“
Hat was mit Einfühlung zu tun
Doch der Film hat deutlich mehr Szenen von großer Intensität zu bieten. Zum Beispiel eine, in der Eidingers „wichtigster“, wie er sagt, Schauspiellehrer an der Ernst Busch-Schauspielschule in Berlin, sich an dessen Abschlussprüfung erinnert. Lars habe dort den Charakter Franz v. Moor aus Schillers Räubern gespielt bzw die Szene, als der auf den Tod des Vater wartet. Eidinger habe Bonbons ausgewickelt und die Papierchen langsam auf einen bereits großen Haufen Bonbonpapierchen gelegt. Dann habe er das Bonbon gelutscht. In einer Weise, in der man förmlich seine Gedanken im Gesicht habe lesen können: Das dauert mir alles zu lange.
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Das Musikhaus Süd – lebendiges Kulturzentrum für alleDas hat mit Einfühlungsgabe zu tun. Lars Eidinger hat niemanden gebeten, einen Dokumentarfilm über ihn zu drehen, doch hat er sich auf diesen Film von Rainer Holzemer, der auch die Kamera macht, eingelassen. Und den fertigen Film natürlich auch vorab gesehen. Obwohl er dazu das Recht gehabt hätte, habe er „nichts geändert“, sondern den Filmemacher umarmt.
Während des Abspanns betritt Lars Eidinger den rappelvollen Kinosaal im Odeon und führt auf der Bühne mit Jürgen Lütz ein kurzweiliges Zwie- und Publikumsgespräch. Und auch anschließend befasst er sich auf Treppe und Foyer noch bis weit Richtung Mitternacht ausdauernd freundlich mit seinen Fans, die ihn umringen. Darunter auch seine Tante, die extra aus Leverkusen gekommen ist. „Das ist meine Tante Ursula“, stellt er sie zwischen Selfiewünsche-Erfüllen und Bücher- und-Fotos-Signieren vor, und sie bemerkt, er habe heute ja so „artige Haare“.
Danke, immerschönes Odeon! Für den Glanz in Deiner Hütte. Sein oder nicht sein – ein sehenswerter Film zum Lächeln und Grübeln, toll gedreht und montiert, eine Kunst.
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