Milieu-Schutzsatzung – Eigentümer wollen vor allem sich selbst schützen
Mittwoch, 20. November 2019 | Text: Susanne Wächter | Bild: Stefan Rahmann
Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten
Ist es nicht schon längst zu spät, könnte man fragen. Die Mileu-Schutzsatzung oder wie es in der Verwaltungsunterlage heißt, die Soziale Erhaltungssatzung, ist noch lange nicht durch alle politischen Gremien gewunken. Der Rat hat einen Beschluss zum Thema verschoben. Die Immobilien-Standortgemeinschaft Severinstraße (ISG) wehrt sich vehement gegen das Vorhaben der Stadt.
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Die Südstadt tanzt! – Parties made by DJ YogiDas Café im Vringstreff ist gut gefüllt. Die ISG hat ihre Mitglieder eingeladen, um über die Auswirkungen der Erhaltungssatzung zu informieren. Und es ist noch lange nicht die letzte Veranstaltung zu diesem Thema. Am 27. November sind es aufgebrachte Südstadtbewohner, die sich Sorgen um ihr Viertel machen und ins Stollwerck einladen. Die Südstadt ist sich uneins darüber, was eine solche Satzung bringen soll. Aber von Anfang an. In der ISG sind die Eigentümer der Immobilien im Severinsviertel zusammengeschlossen. Nicht alle, aber viele. Seit ihnen bekannt ist, dass die Stadt eine Erhaltungssatzung für ihr Viertel auf den Weg bringen will, laufen sie Sturm. Sie haben den Bezirksvertretern der Innenstadt geschrieben, und als das offenbar nichts brachte, setzten sie sich mit einigen Ratsmitgliedern zusammen. Immerhin, der Rat hat das Thema in seiner Novembersitzung geschoben. Die Bezirksvertreter hatten zuvor mehrheitlich gegen die Stimmen von CDU und FDP für die Satzung gestimmt.
Genehmigungspflicht für bauliche Veränderungen
Worum geht es? Im etwas sperrigen Behördendeutsch liest sich das Vorhaben so: „Zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung bedürfen in dem Gebiet der Rückbau, die Änderung oder die Nutzungsänderung baulicher Anlagen der Genehmigung. Die Genehmigung darf nur versagt werden, wenn die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen erhalten werden soll. Die Genehmigung ist unter anderem zu erteilen, wenn auch unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls die Erhaltung der baulichen Anlage wirtschaftlich nicht mehr zumutbar ist.“ Im Klartext heißt das: Bauliche Veränderungen, die zu einer Mietsteigerung beitragen könnten, könnten zum Problem werden. So zumindest interpretieren es die Eigentümer.
„Bürokratisches Monstrum“
Ulrich Schlüter, selbst Architekt und Mitglied der ISG, hält die Schutzsatzung für „ein bürokratisches Monstrum“. Dabei seien die Eigentümer und die Stadt gar nicht so weit voneinander entfernt. „Auch wir wollen, die Menschen hier im Viertel halten“, sagt er, hält die Satzung aber für sehr schwammig. Schlüter gibt ein Beispiel: Wenn ein Eigentümer etwa sein Dach zu einer Loggia ausbauen wollte, könnte das unter Umständen nicht genehmigungsfähig sein, weil dies zu einer Wohnwertsteigerung und letztendlich höheren Miete inklusive Verdrängung der Mieter beitragen könnte. Und was wäre, wenn das jeder mit seinem Dachgeschoss vorhätte? Dabei würden die Mieter im Severinsviertel gar nicht mal wegen einer Mieterhöhung umziehen, sondern eher wegen eines Jobwechsels oder weil die Wohnungen für Familien zu klein geworden sind.
Standortgemeinschaft kritisiert Befragung
Die Standortgemeinschaft fürchtet, dass das Severinsviertel zu einem Testball werden könnte. Der Aufruhr im Vringstreff unter den Eigentümern ist groß. Für die meisten der Anwesenden scheint angesichts ihrer Reaktion die Auswirkung der Schutzsatzung nicht ganz klar gewesen zu sein. Und schon gar nicht die Befragung, die nun als Grundlage für die politische Abstimmung herhalten muss. Das alles sei sehr unseriös gelaufen, sagt ISG. Da seien zum Teil wahllos Menschen auf der Straße befragt worden, die überhaupt nicht im Severinsviertel leben, geschweige denn in Köln.
Die Stadt hat verpasst, günstigen Wohnraum zu schaffen
Wie die ISG herausstellt, setzen nicht die privaten Eigentümer eine Veränderung des Viertels in Gang. Vielmehr habe die Stadt es verpasst, preisgünstigen Wohnraum zu bauen. „Das ist keine hoheitliche Aufgabe der privaten Wirtschaft“, heißt es in einem Schreiben der Standortgemeinschaft an die Politik. Die Frage ist in der Tat, ob eine solche Satzung für das Severinsviertel nicht zu spät kommt. So müsste ein Schutz für diejenigen Viertel, die gerade im Umbruch sind, wie etwa Kalk aufgelegt werden, sagen einige der Anwesenden im Vringstreff an dem Abend.
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TorburgDas letzte Wort jedenfalls ist noch nicht gesprochen. Am Mittwoch, 27. November, ruft das Aktionsbündnis „Recht auf Stadt“ zur Teilnahme an der Informationsveranstaltung im Bürgerhaus Stollwerck um 19 Uhr zum Thema auf. Hier sind es die Mieter, die ihr Viertel schützen wollen.
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Die Älteren werden sich erinnern: Es war am 11. Februar 2014, an dem der Rat der Stadt Köln mit großer Mehrheit ein Stadtentwicklungskonzept Wohnen beschlossen hatte. Demzufolge „ist das Instrument Erhaltungssatzung vermehrt zu nutzen“. Fünf Jahre, sieben Monate und zwei Tage später hat das Stadtplanungsamt endlich den Entwurf einer sozialen Erhaltungssatzung für das Severinsviertel vorgelegt. Es war ein langer Weg, der durch Gebietsidentifikationen, Aufstellungsbeschlüsse, Haushaltsbefragungen, sozialräumliche Untersuchungen und endlose Debatten geprägt war. Dass das alles so lange gedauert hat, bezeichnete Hans Mörtter im WDR als „Peinlichkeit“. Wer wollte da widersprechen?
Statt nun aber konstruktiv zu überlegen, wie das vorgelegte Regelwerk zum Wohle aller im Viertel sinnvoll zur Anwendung zu bringen ist, versteift sich die ISG auf einen Abwehrreflex und stellt erstmal Anlass, Dringlichkeit und Methodik in Frage. Statt sich um ihre Kernkompetenzen zu kümmern (Marketing, Begrünung, Weihnachtsbeleuchtung) mischt sie sich in die politische Beratungsfolge ein und verbreitet fragwürdige Feststellungen wie folgende: „Die Versorgung von Haushalten mit preisgünstigem Wohnraum ist eine hoheitliche Aufgabe, die nicht von der privaten Wirtschaft zu tragen ist.“ Wenn das die wohnungs- und stadtentwicklungspolitische Prämisse der Zukunft sein soll, dann gute Nacht Südstadt.
Michael Scheffer
Bezirksvertretung Innenstadt