Mit Wolfgang Niedecken durch die Südstadt: Böll folgen.
Freitag, 7. September 2018 | Text: Jeannette Fentroß | Bild: WDR Jürgen Meyer/Jeannette Fentroß
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Der Deutsche Radiopreis ist verliehen worden: Gewonnen haben in 11 Kategorien u.a. das Potsdamer Radio Fritz des rbb mit einer Programm-Aktion zur Vermeidung von To-Go-Kaffeebechern und der NDR mit seiner Investigativ-Reportage zu „Paradise Papiers“. Unser Heimatsender WDR ging außer über seine Beteiligung an „Paradise Papers“ leer aus, war aber nominiert: Theaterregisseurin Philine Velhagen hatte es zusammen mit Martina Müller-Wallraf von WDR 3 in der Kategorie beste Innovation unter die Finalisten geschafft: Mit interaktiven Touren durch Heinrich Bölls Heimatstadt Köln. Ausgezeichnet werden beim Deutschen Radiopreis nämlich auch besonders gelungene Verknüpfungen von Programm und digitaler Technik sowie crossmediale Angebote.
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Lotta wünscht sich was – Köstlichkeiten aus deutschen Manufakturen„Erweiterte Wirklichkeit“
Am 21. Dezember 2017 wäre Heinrich Böll 100 Jahre alt geworden. Grund genug, sich an den berühmten Schriftsteller und Literatur-Nobelpreisträger zu erinnern. Philine Velhagen hat für den WDR insgesamt vier Videowalks auf den Spuren des Schriftstellers entwickelt und produziert, mit Augmented-Reality Effekten, 3-D-Ton, und mit Handkamera gedreht. Verschiedene virtuelle Gastgeber leiten die einzelnen Teile dieser interaktiven Spurensuche und zeigen Schauplätze des Lebens von Heinrich Böll in Köln. Eine dieser Touren führt mit Wolfgang Niedecken durch die Südstadt – Meinesuedstadt.de ist mal mit gewalked.
Mittendrin, im Hörspiel
Wir starten in einer kleinen Gruppe von 10 Teilnehmern am Kreisverkehr Ecke Teutoburger Straße und Alteburger Straße mit Blick auf das Geburtshaus von Heinrich Böll. Wolfgang Niedecken, BAP-Sänger und Wegbegleiter Bölls, ist unser Gastgeber und führt uns für rund 35 Minuten auf den Wegen des Schriftstellers durch die Südstadt. Die Route haben wir zuvor auf unsere Smartphones geladen. Während der Tour schauen wir auf den Bildschirm und laufen parallel an den im Video zusehenden Wegen und Häusern vorbei. Wir begegnen Plätzen, laufen durch Straßen in denen Heinrich Böll gelebt und gewirkt hat. Mit Kopfhörern ausgestattet, erleben wir einen 3-D-Surroundton, sind mittendrin in einem Hörspiel. Niedecken erzählt von seiner eigenen Jugend und Heinrich Bölls in der Südstadt. Auch Heinrich Böll selbst kommt zu Wort und berichtet von aus seiner Sicht relevante und noch heute aktuelle Themen. Gegenwart, Vergangenheit und Inszenierung verschwimmen und nehmen uns mit auf einen besonderen Spaziergang.
Bölls Welt
Auch auf seinem Schulweg folgen wir Böll, laufen in Richtung Bonner Straße, treffen „schwarze Schafe“ in Bäumen und gehen in den Zugweg weiter durch die „Straßenschule“ des damals blutjungen Autors. Er schwänzte oft die Schule und lief auf eben diesen Wegen durch das Viertel. Katharina Blum, die Figur aus Bölls berühmten aber von der Boulevard-Presse verrissenen Roman, treffen wir am Freien Werkstatt Theater.
Während wir auf dem Grünstreifen der Rolandstraße weitergehen, erzählt Böll von den häufigen Umzügen der Familie, teils mit dem Handwagen. Radfahrer überholen uns beim Spaziergang und Passanten grüßen, doch all das passiert nur im Video. Komplett in die Szenerie eingetaucht holt uns ein Schnitt mit einer Einstellung wie im ‚Making of‘ zurück in die reale Umgebung. Am Bücherschrank am Martin-Luther-Platz vermischen sich erneut persönliche Erinnerungen und Gedanken mit realen Eindrücken. „Straßen wie diese“ – Bölls Text aus Chargesheimers „Unter Krahnenbäumen“ eindrucksvoll gelesen von Wolfgang Niedecken führt uns in die Merowinger Straße.
Niedecken: Einer der prominenten Video-Gastgeber
Bölls Vater war Schreiner und Bildschnitzer, seine Werkstatt war ganz in der Nähe, in der Vondelstraße. Jetzt wird klar, warum der Weg genau hier entlang verläuft. Bei der Ausgestaltung der Maternuskirche hatten Victor Böll und Niedeckens Großvater, der Kirchenmaler war, vermutlich zusammengearbeitet. Durch den engen Hof mit Wäschereckchen an den Fenstern kommen wir zum Hinterhaus mit Büro und ehemaliger Werkstatt, hier spielt eine Bratschistin.
Zum Ende des Südstadtwalks kommt Niedecken ins Bild und lädt uns mit seinem Heinrich Böll gewidmeten Lied „All die Aureblecke“ noch auf ein Böll-Bier in die Ubierschänke ein. Na dann, Prost! – „auch die kostbarsten Momente gehen vorbei…“
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in.form – Köln SüdstadtBöll folgen: Zur Nachahmung empfohlen
Vier Routen durch Köln und vier verschiedene Perspektiven erzählen vom Leben des Schriftstellers Heinrich Böll. Neben der Südstadttour gibt es noch drei weitere Videowalks auf Bölls Spuren.
Samay Böll führt die zweite Tour durch das Agnesviertel, wo Böll in den 1970er Jahren wohnte. Die Enkelin erinnert sich an die Besuche in der Hülchrather Straße, sonnige Nachmittage im Garten und Spiele mit ihrem Großvater. Mit lila Teppich und gleichfarbigem Nagellack führen die Erzählungen von Heinrich Böll bis zur Rede zum Erhalt des Nobelpreises durch die Straßen und lassen sogar Kinder auf Autodächern spielen.
Rund um den Heinrich-Böll-Platz neben der Hohenzollernbrücke startet der Spaziergang am Rhein mit der Moderatorin Siham El-Maimouni. Der Fluss war für Böll ein Symbol der Weltoffenheit. Zufällig vorbeigehende Passanten lesen in der dritten Folge der Spurensuche aus den Texten des Schriftstellers und untersuchen die Bedeutung von Heimat.
In den 1950er Jahren arbeitet Heinrich Böll für den WDR Hörfunk. Er verfasste Rezensionen und Beiträge, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Nachts arbeitete Böll an seinen literarischen Werken, wie „Wanderer kommst du nach Spa“ oder „Die schwarzen Schafe“, für das er 1951 den Preis der Gruppe 47 erhielt. Im vierten Videowalk führt WDR-Intendant Tom Buhrow durch das Funkhaus. Diese Tour ist jedoch durch den Sendebetrieb im Funkhaus nicht öffentlich zugänglich.
Geschichte, völlig neu erleben
Alle Videowalks sind mit Auszügen und Zitaten aus Bölls wichtigsten Texten und Reden sowie mit ganz persönlichen Erinnerungen der prominenten Gastgeber ergänzt. Die Kameraführung im Video und die Ansicht auf den Smartphone-Bildschirm lässt beim Spaziergang eine erweiterte Realität (Augmented-Reality) erleben. Die Kombination aus Film, 3-D-Ton, historischen Bildern und Wegen zu den Original-Schauplätzen vermittelt ein wirklich neuartiges Geschichtserlebnis.
Alle Infos zu den Videowalks „Böll folgen“ findet man auf der WDR-Homepage.
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