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Kultur

Mütter und Töchter: nicht miteinander, nicht ohne einander

Mittwoch, 4. November 2015 | Text: Alida Pisu | Bild: ©Meyer Originals

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

„Warum nehmen Juden keine Schmerzmittel?“  „Weil dann der Schmerz weggeht!“ Jüdischer Witz, der so bitter-scharf, aber auch mit philosophischer Tiefe daherkommt, steht am Anfang und auch am Ende von „Muttersprache Mameloschn“, der scharfzüngigen Komödie von Marianna Salzmann. 2013 mit dem Publikumspreis der Mülheimer Theatertage ausgezeichnet, erlebte sie nun ihre Premiere am „Freies Werkstatt Theater“.

Die Bühne teilt und verbindet. Drei Holzpodeste, drei absolut konträre Lebensbühnen, auf denen sich drei Frauen-Generationen -Enkelin Rahel, Mutter Clara und Großmutter Lin- in ihren Lebenswelten eingerichtet haben. Rahel, die Enkelin, braucht in ihrer Welt kaum mehr als einen Rucksack und eine Landkarte an der Wand. Denn es zieht sie ins pulsierende New York, fort von ihrer gluckenhaften Mutter Clara, die sich eher als Deutsche, denn als Jüdin empfindet. In deren Welt darf die Kommode nicht fehlen, Sinnbild der Bürgerlichkeit. Klar, dass die Kommode vor einer grauen Wand steht, was ist schon grauer und langweiliger als ein Leben in Schubladen-Konventionen. Ganz anders Großmutter Lin, die vor einer roten Wand, einem Bühnenvorhang sitzt, spricht und singt, mit dem Bandoneon auf dem Schoß. Eine schillernde Persönlichkeit. Stolz auf ihre jüdische Identität. Ebenso stolz auf ihre sozialistische DDR-Vergangenheit, in der sie als Künstlerin mit jiddischen Liedern Triumphe feierte und durch die Welt tourte.

Diese drei völlig unterschiedlichen Frauen können eigentlich nicht miteinander, aber sie können auch nicht voneinander lassen. Und so ist es ein munteres Hin und Her, mal wird auf der einen Bühnen diskutiert, mal treffen sie sich auf einer anderen, heftig streitend und dann stehen sie auch wieder mutterseelenallein auf ihren kleinen Inseln der Sehnsucht. Nach Nähe, aber auch nach Abgrenzung. Und darum ringen sie, streiten und fetzen sich bis zur Erschöpfung. Machen sich Vorwürfe, aber fangen sich auch gegenseitig wieder auf, denn bei allem Trennenden: Familienbande sind stark, das wird spürbar in diesem Beziehungsgeflecht. Die Liebe zueinander, die ist doch da und trägt. Man kennt es nur allzu gut aus eigener Erfahrung, erst wird eine (verbale) Wunde zugefügt, anschließend reuig verbunden.

Höhen und Tiefen von Familienbanden ausloten. Susanne Flury, Anja Jazeschann und Mona Mucke.

Kay Link hat in seiner Inszenierung drei wunderbare Darstellerinnen, die in einem beeindruckenden Bühnenbild die Höhen und Tiefen von Familienbanden ausloten. Wider Erwarten kommt das bei Salzmann nicht mit bedrückender Schwere daher, sondern mit viel Witz, mit der Lust an pointierten Dialogen. Vor allem aber mit drei Frauen, die man so, wie sie sind, mit ihren Eigenheiten, einfach sympathisch finden muss. Weil ihre unterschiedlichen Perspektiven in sich stimmig und nachvollziehbar sind und man Verständnis für sie entwickelt.

Wer wollte leugnen, dass Geschichte Biographien prägt. Das zeigt sich besonders eindrücklich bei Lin. Im Sockel ihrer Bühnenwelt stapeln sich Bücher, voll mit Geschichte und Geschichten. Lin sitzt buchstäblich auf Vergangenheit, auf Vorbei, aber nicht vergessen. Kann man den Holocaust vergessen? Den realen Sozialismus in der DDR? Lin kann es nicht. Susanne Flury verkörpert Lin als eine Frau, die an ihre eigenen Lebenslügen glaubt, sich an ihnen fest klammert und sie mit Klauen und Zähnen verteidigt. Gegen Tochter Clara, die ihrer Mutter vorwirft, sie aus Karriere-Gründen vernachlässigt zu haben. Mehr noch: für die Stasi tätig gewesen zu sein. Das passt nicht ins Selbstbild einer Frau, die sich als überzeugte Antifaschistin inszeniert hat. Die davon überzeugt ist, etwas „für“ getan zu haben. Für die gerechte Sache. Oder für Tochter Clara. Dabei fehlt ihr jegliches Gespür für Claras Gefühle und Bedürfnisse. Kein Wunder, dass Clara auf Lins Frage, wie es ihr gehe, erwidert: „Ich habe keinen Job, meine Tochter ist weg und ich lebe mit meiner Mutter zusammen, die jeden Tag nerviger wird.“

Susanne Flury beherrscht die großen Gesten, aber auch die leisen Momente. Es ist anrührend zu sehen, wie sie Kieselsteine, die zwischen den Kleinbühnen liegen, zu einem Grabhügel schichtet. Und dann reicht ein Blick, im Vorübergehen auf die Steine geworfen, und man weiß: Wege zueinander sind oftmals steinig und manchmal setzt der Tod ihnen auch ein Ende.

Anja Jazeschann als Clara und Mona Mucke als Rahel sind ebenbürtige Partnerinnen. Jazeschanns Clara schwankt zwischen Hysterie, Bitterkeit, Sorgen um die Tochter im fernen New York, Trauer um den Verlust des Sohnes, der sich abgenabelt hat und in einen israelischen Kibbuz gegangen ist. Eine Mutter, die wie viele Mütter auf einen Anruf ihrer Tochter wartet. Mona Mucke gibt Rahel als eine junge Frau, die gar nicht anders kann, als zu gehen, wenn sie erwachsen und frei werden will. Mameloschn ist das jiddische Wort für Muttersprache und vielleicht muss man die Sprache der Mutter, mit allem, was sie so transportiert, tatsächlich hinter sich lassen, um zu einer eigenen Sprache zu finden. Clara und Rahel sind beide diesen Weg gegangen. Dass sie die Muttersprache nicht verlernt haben und dann doch wieder miteinander reden, zeigt die Möglichkeit des Menschlichen. Rahel gibt den Witz zum Besten, der den Schlusspunkt unter einen packenden Theater-Abend setzt: „Wie telefoniert ein schlauer Jude mit einem dummen Juden? Von Amerika nach Europa!“

 

„Muttersprache Mameloschn“ von Marianna Salzmann
Mit: Susanne Flury, Anja Jazeschann, Mona Mucke, Inszenierung und Ausstattung: Kay Link

Weitere Termine: 4., 5., 26., 29., November, 17., 18., 26., 27. Dezember 2015
Freies Werkstatt-Theater, Zugweg 10, 50677 Köln

Text: Alida Pisu

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