Nasse Haare gegen Wettverluste
Sonntag, 3. April 2011 | Text: Kathrin Rindfleisch
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Und warum eigentlich kann mal nix so sein, wie es am Tag zuvor noch war?! Da ist er, der erste Sommertag des Jahres: Sonnenbrille, nackte Füße, Eis und draußen sitzen bis um neun. Die Stimmung so locker und frei, man erahnt, was einen im kommenden halben Jahr noch Gutes erwartet…oder gleich am Tag darauf.
Und warum eigentlich kann mal nix so sein, wie es am Tag zuvor noch war?! Da ist er, der erste Sommertag des Jahres: Sonnenbrille, nackte Füße, Eis und draußen sitzen bis um neun. Die Stimmung so locker und frei, man erahnt, was einen im kommenden halben Jahr noch Gutes erwartet…oder gleich am Tag darauf. So jedenfalls denken Smilla und ich, als wir am Tag nach den magischen 26 Grad vor die Tür treten. Kurze Arme, Sonnenbrillen, Sommerschühchen, dünne Jacken – flexibel müssen wir doch sonst schon sein. Also werden wir angestarrt. Super flexible Heute-so-und-morgen-So-ler in warmen Jacken und Regenmonturen lassen ihren Blick mitleidig schweifen, auf das kleine Mädchen mit großer Sonnenbrille, vorwurfsvoll hin zur Mutter mit zumindest etwas wärmender Lederjacke und dickem Tuch um den Hals. Doch statt die Zeichen für uns zu deuten, nochmal umzukehren und garderobentechnisch aufzurüsten, fährt die Mutter mal wieder ihren Rabenmutterschlechtgewissen-Film und suhlt sich darin.
Derart schlechtmüttrig ausgerüstet, machen wir uns also auf den Weg nach Weidenpesch, dorthin, wo noch das ausgelebt wird, für das ich die leicht abgehalfterten Jungs beim Blick in die miefige Zutritt-erst-ab-18-Wetthalle am Ring nur bemitleide: auf zum Wett-Eldorado auf die Galopprennbahn in Weidenpesch! Meine Freundin Ursula kam am bisher heißesten Tag des Jahres auf die Idee und hatte uns – wenn auch aus unterschiedlichen Motiven – rasch von ihrem Plan eingenommen. Zwischen „Super! Der Sonntag ist gerettet!“ und „Super! Pferde!“ liegt am Ende nicht viel, und so freuten sich beide, Mutter und Tochter, in unflexiblem 22-Grad-Outfit auf die Dinge, die da kämen. Dass es ein heftiger Regenguss sein würde, wussten 98 Prozent der Rennbahnbesucher, das zumindest würde erklären, woher auf einmal all die Schirme, Regenjacken und Kapuzen kamen, aber diese Menschen, die für alle Eventualitäten gerüstet sind, die gehen mir sowieso schon viel zu lange auf den Nerv.
Aber erst mal: Kinderhüpfburg – überfüllt. Stallführung – ausgefallen. Super: Ponyreiten! Smilla freut sich, möchte gerne, lange Schlange, endlich dran. Just in diesem Moment, Pony Polly nimmt geduldig Smillas zappelnden Körper zur Kenntnis und trottet los, fängt`s an zu regnen. Verzweifelte Versuche, ihr mein schönes warmes Tuch um den Kopf zu binden, wie auch die Bitte, Ursulas abknöpfbare Anorak-Kapuze aufzusetzen, verursachen Geschrei, ein wildes Kopfschütteln und damit einhergehend eine unmögliche Vertrauensbildung der Reiterin zum Pony. Und so war nicht nur Polly froh, dass das Gezeter auf ihr nach nur einer von möglichen zwei Runden beendet war. Auch der Polly-Führer wirkte erleichtert, auch wenn er keine Miene verzog. Und ich? Ich sah nur das in weniger als drei Minuten klitschnass gewordenen Haar von Smilla und der Ärger über mich selbst schwoll an, um mitnichten abzunehmen, als eine andere Mutter mit Kapuzenkind an der einen und einem großen Schirm in der anderen Hand Smillas nassen Schopf mit den Worten „Na, das wird aber ein kalter Nachmittag!“ kommentierte. Nicht ohne den selbstverständlich mitleidigen Blick auf derart verwahrlostes Kind.
Ich versuchte es mit Pommes und Mayo, doch wenn ich ernsthaft erwartet hatte, dass Fett und Salz Kälte und Nässe absorbieren würde, dürfte man an dieser Stelle augenblicklich mitleidig gucken. So erahnte ich, was schnell zur Gewissheit wurde: Essen als kurzer Leid-Ablenker funktionierte, aber eben auch nur für die Zeit des Essens. Pünktlich zum Start des ersten Rennens der Saison verkündetet Smilla dann das, was für jede Heut-machen-wir-was-Schönes-Erwartung ein Schlag ins Gesicht ist: „Ich will nach Hause! Jetzt!“ Ja, aber…
Sie konnte überredet werden, die Pferde samt putziger Gefährten oben drauf, eine Runde rennen zu sehen. „Ich will JETZT nach Hause! Sofort!“
Hätte ich also gewappnet sein müssen? Regenjacke, Gummistiefel, Mütze und `ne warme Hose? Ein Tach wär das geworden! Wunderbar! Das Kind hätte sich erfreuen können, über so viel tolle Pferde, die Mutter hätte vor lauter Übermut über den gelungenen Sonntag gespielt – und verloren. Mit Sicherheit! Wie gut, dass wir den Wettmoloch so schleunigst verlassen haben. Wie wär das denn gewesen: mit trockenen Haaren und warmen Füßen lost in Weidenpesch. Das Geld für das Bahnticket hätt ich ja verzockt…!
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