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Politik

Neues aus Schilda

Sonntag, 28. April 2013 | Text: Nora Koldehoff | Bild: William Hoiles/CC-BY-2.0

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

An der Bedeutung Kölns lässt das Onlinelexikon ‚Wikipedia‘ keinen Zweifel:  Die Stadt sei, so kann man weltweit im Internet nachlesen, „für ihre 2000-jährige Geschichte, ihr kulturelles und architektonisches Erbe sowie ihre international bedeutenden Veranstaltungen bekannt.“ Alleinstellungsmerkmale, auf die eine Stadt mit Stolz hinweist – so sollte man jedenfalls meinen. Und die genannten „international bedeutenden Veranstaltungen“ sind für ein Gemeinwesen natürlich auch deshalb erfreulich, weil sie Geld in die leere Stadtkasse spülen. Die Geschichte und das kulturelle und architektonische Erbe dagegen scheint Köln seit langem als eher lästige Verpflichtungen anzusehen: Sie bringen deutlich weniger Geld ein, als sie kosten.

Geschichte und Kultur allerdings sind es, die jedem Menschen Wissen über sich selbst, seinen Platz in der Geschichte und die vielfältigen Möglichkeiten vermitteln, die neben Geldverdienen und Nahrungsaufnahme zum Leben gehören. Durch sie, das ist schon jedem Schüler bekannt, lernt man über sich selbst. Politik und Verwaltung jedoch – diesen Eindruck kann man in Köln zur Zeit gewinnen – scheinen das vergessen zu haben. Wie sonst kommt es hier zu Ideen wie jener, die Archäologische Zone vor dem Rathaus trotz schon jetzt kolossaler Funde einfach wieder zuschütten zu wollen, und jener, Einrichtungen wie dem geschundenen Stadtarchiv nach wie vor nicht den Stellenwert einzuräumen, den es haben müsste?

Der neueste Sparvorschlag betrifft die Kunst- und Museumsbibliothek. Mit über 400.000 Bänden und über 800.000 analogen und digitalen Bildern aus dem seit 1974 angeschlossenen „Rheinischen Bildarchiv“ ist sie eine der umfangreichsten und bedeutendsten Kunstbibliotheken weltweit. Als kunstwissenschaftliche Basiseinrichtung ist die Präsenzbibliothek nicht nur Arbeitsgrundlage der hiesigen Museen und kunstwissenschaftlichen Einrichtungen, sondern auch für jeden Nicht-Wissenschaftler kostenlos und öffentlich zugänglich. Genutzt wird sie nicht nur von Forschern aus Köln oder dem Rheinland, sondern weit darüber hinaus.

Die Arbeitsbedingungen allerdings werden der Bedeutung der Kunst- und Museumsbibliothek Köln bei weitem nicht gerecht. Seit langem sind die Bücher auf fünf unterschiedliche Standorte aufgeteilt: Ein Lesesaal befindet sich im Museum Ludwig, wo wegen Platzmangels die Regale inzwischen sogar im Treppenhaus stehen. Einen anderen beherbergt das Museum für Angewandte Kunst. Die Verwaltung und drei weitere Lager gibt es in der Innenstadt, in drei Häusern in der Kattenbug. Die Folgen beschreibt Bibliotheksdirektorin Elke Purpus: „Obwohl wir eine so umfangreiche Präsenzbibliothek führen, müssen die Nutzer oft warten, bis wir ein Buch oder Magazin von einer anderen Lagerstelle geholt haben. Außerdem können sich auswärtige Gäste, die den Ruf unserer Institution kennen und deshalb extra zum Recherchieren anreisen, kaum auf Anhieb einen Überblick verschaffen.“

Schon 2009  hatte der Rat der Stadt deshalb beschlossen, dass die Kunst- und Museumsbibliothek ins selbe Gebäude wie das neu zu errichtende Stadtarchiv am Eifelwall ziehen solle. Ein Jahr später schlug Kulturdezernent Georg Quander dann aber plötzlich die Schließung der Bibliothek vor. Die Finanzkrise hatte zu empfindlichen Sparmaßnahmen geführt, die Notwendigkeit weiterer Einschnitte war bereits absehbar, und man wollte keines der Häuser schließen, die ihre Bestände in Ausstellungen präsentieren und nicht „nur“ der Forschung dienen. Der Plan löste große Empörung aus. Eine Unterschriftensammlung und Protestbriefe verhinderten die Schließung vorerst. Außerdem bot die Universitätsbibliothek eine Kooperation an, mit der man voneinander profitieren könne – auch in finanzieller Hinsicht.
Beim davor geplanten Zusammenzug mit dem neuen Stadtarchiv hätte die Kunst- und Museumsbibliothek ihre Eigenständigkeit behalten und weiterhin beispielsweise über Ankaufspolitik, Sammlungsschwerpunkte und Nutzungsbedingungen entscheiden und ihre Bestände gebündelt zeigen können. Deshalb wurde nach den Protesten dieser ursprüngliche Plan wieder aufgegriffen.

Nun allerdings steht er schon wieder infrage: am 30. April soll der Rat der Stadt über einen Antrag entscheiden, nach dem die Bibliothek nicht mehr mit ins neue Archivgebäude einziehen soll. Das geplante Haus am Eifelwall könnte dadurch kleiner ausfallen – die Stadt würde Kosten sparen. Maßgeblich erfolge der Antrag auf Betreiben von SPD und Grünen. Diese führten bereits Gespräche mit der Universität, in denen die zu tragenden Mehrkosten deutlich höher ausfielen als in den Verhandlungen zuvor, so Purpus. Dies kann auch die Universität nicht auffangen, doch betonte die Universitätsleitung, man sei weiterhin an einer Kooperation mit der KMB interessiert. Elke Purpus indes befürchtet, dass sich durch diesen Antrag sogar die aktuelle, ohnehin schon schlechte Situation der Kunst- und Museumsbibliothek noch weiter verschlechtern wird: Die zur Zeit genutzten Häuser in der Kattenbug sollen aufgegeben werden, weil auch sie Miete kosten. Die dort gelagerten Bestände müssten dann ebenfalls auf die Museen aufgeteilt werden. Dort allerdings gibt es schon jetzt keinen Platz mehr. Der Plan ist, wie auch die betroffenen Museumsdirektoren bestätigen, unrealistisch. Die logische Konsequenz wäre eine Schließung der Bibliothek.

Gleichzeitig riskiert der Antrag eine Aufkündigung des bisherigen gesellschaftlichen Konsenses, nach dem unterschiedliche Interessengruppen – kulturelle wie soziale, politische wie sportliche – im Gemeinwesen Stadt gleichberechtigt nebeneinander agieren. Schon jetzt gibt es Initiativen gegen die Archäologische Zone, die damit argumentieren, das dort zu verplanende Geld werde dringender für andere gesellschaftliche Aufgaben benötigt. Natürlich sind die Kölner Kassen leer – leerer als leer sogar. Das aber liegt nicht an kulturellen oder historischen Einrichtungen, die zu Köln so selbstverständlich gehören wie seine Kindergärten, Schulen und Krankenhäuser. Es liegt auch an schlechter Wirtschaftsförderung und an Projekten wie der Nord-Süd-Stadtbahn oder den Messehallen, bei denen die Stadt zu Gunsten Dritter weit über ihre Verhältnisse gewirtschaftet hat. Soziale und kulturelle Arbeit bilden in vielen Bereichen eine Einheit. Zusammen bilden sie den sozio-kulturellen Hintergrund einer Stadt: ein soziales Miteinander und ein kulturelles Bewusstsein. Beide Bereiche des städtischen Lebens nun gegeneinander ausspielen zu wollen, wäre ein fataler Fehler mit unabsehbaren Folgen.
 

 

 

Mehr zum Thema:
Die Freunde der Kunst-und Museumsbibiliothek und die Bürgerbewegung ArchivKomplex rufen zur Unterstützung des Erhaltes der Bibliothek und zur Aufhebung des Planungststopps für den Neubau des Stadtarchivs auf. Hier finden Sie die Petition.

Zudem findet heute, am 29.4.2013 um 12 Uhr auf dem Theo-Burauen-Platz, Rückseite Rathaus/Spanischer Bau eine Protestaktion gegen die drohende Schließung statt.
 

Text: Nora Koldehoff

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