Neues vom Pinkelberg – Nord-Süd-Fahrt für einen Tag autofrei
Freitag, 26. Januar 2018 | Text: Stefan Rahmann | Bild: Stefan Rahmann
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Bezirksbürgermeister Andreas Hupke war – das darf man bei allem Respekt vor Mann und Amt sagen – stinksauer. „Ich habe nicht das Gefühl, dass die Verwaltung daran interessiert ist, den Dringlichskeitsbeschluss der Bezirksvertretung umzusetzen“, donnerte er während der jüngsten BV-Sitzung in den Saal im Historischen Rathaus. Adressat der unverblümt heftigen Kritik war Robert Lewin von der städtischen Liegenschaftsverwaltung. Der hatte sich zuvor schon von Thomas Eichert, seines Zeichens selbst ernannter Stadtwinzer, Einiges anhören müssen. Es ging mal wieder um den mittlerweile bundesweit bekannten „Pinkelberg“ neben der Severinstorburg. Die Bezirksvertretung (BV) hatte vor einem Jahr beschlossen, dass Eichert Rebstöcke auf dieser Fläche einpflanzen darf. Der Stadtwinzer kann sich nur noch wundern, wie das Liegenschaftsamt seitdem mit ihm verfährt. „Zuerst hatte ich eine Sachbearbeiterin, die aber nach einem Monat die Stadtverwaltung verließ. Dann kam eine, die sagte, sie sei neu und müsse sich erst einarbeiten. Als die nach Monaten eingearbeitet war, kam die nächste, und die war auch neu und – Sie wissen schon. Dann hatte ich mit dem Liegenschaftsamt einen Ortstermin ausgemacht. Der fiel aus, weil das Amt an diesem Tag überraschend umzog. Am 15. November, nach fast einem Jahr und vier Tage nach dem 11. im 11., gab es dann den Ortstermin.“ Im Dezember 2017 dann beschloss der Liegenschaftsausschuss, dass dem Winzer der Hang auf 8 Jahre für den Weinanbau zu verpachten sei. Und kurz darauf: der amtliche Bescheid, dass der Aufenthalt auf dem aktuellen Pinkel- und zukünftigen Weinberg unter Umständen Gefahr mindestens für Leib wenn nicht gar für Leben bedeuten könne. So der Stadtwinzer.
Die Mauer hat ein paar Steine locker
Lewin konnte zumindest die Wildpinkler beruhigen: „Lebensgefahr besteht dort nicht unmittelbar. Wir haben einen Diplom-Restaurator beauftragt, die Mauer zu überprüfen. Der hat eine besorgniserregende Feststellung gemacht: Steine sind locker, weil die Fugen ausgewaschen sind. Bei heftigem Starkregen oder Frost könnten sich Teile lösen und herabstürzen. Wir müssen auf jeden Fall ein Gerüst aufstellen und die Mauer sanieren. Das Gerüst wollen wir nicht zwischen die Rebstöcke stellen. Alles Weitere wird übrigens ein umfassendes Gutachten zeigen.“ Danach, irgendwann, werde Eichert die Fläche übergeben. Die Einlassung des Stadtwinzers, dass er der Mauer sowieso nicht näher kommen werde als bis auf zwei Meter, ließ Lewin nicht gelten. Antje Kosubek, Fraktionsvorsitzende der Grünen, teilte die Kritik des Bezirksbürgermeisters: „Diese Hinhaltetaktik ist unglaublich. Was tun Sie denn, um in Kürze die Leute an Karneval zu schützen.“ Lewin war vorbereitet: „In den nächsten Tagen werden wir die Mauer mit einem Bauzaun schützen. Der wird nach Karneval durch einen Schmuckzaun ersetzt.“ Nach Hupkes Hinweis, dass die Sanierung der Mauer und das Anlegen des Weinbergs gleichzeitig möglich seien, war Lewin entlassen. Eichert folgte ihm auf dem Fuße. In der Rathaus-Piazetta ging das verbale Scharmützel weiter. Die Sache mit dem Pinkeln wird eine überregionale. „Wir haben jetzt schon eine Anfrage von Norddeutschen Rundfunk“, erzürnte sich Lewin. „Ach ja“, entgegnete der Stadtwinzer mit schmalem Lächeln. Dass er am Vormittag mit dem Team des Satiremagazins NDR3-Extra auf dem Chlodwigplatz gedreht hatte, behielt er für sich. Sei‘s drum. Auf das erste Schlückchen Vringspinkeler Gerölltraminer wird die Südstadt noch ein Weilchen warten.
Relikt aus der autogerechten Stadt
Schneller geht‘s, wen wundert’s, bei einem Projekt des Festkomiteepräsidenten des Kölner Karnevals. Christoph Kuckelkorn und Klaus Eschmann, Macher von Großveranstaltungen und Events wie Summerjam, Harley Dome Cologne und Open-Air-Kino, wollen die Nord-Süd-Fahrt für einen Tag autofrei machen. Beide waren in die BV gekommen, um für ihr Vorhaben zu werben. Am 3. Juni soll dieses „Relikt aus städteplanerischen Zeiten, in denen eine autogerechte Stadt im Mittelpunkt stand“, so Kuckelkorn, autofrei sein. Wahrscheinlich zwischen der Ursulastraße im Norden und der Ulrepforte im Süden. Genaueres wird man sehen, weil es bislang noch keine Genehmigung gibt. Und auch keinen Antrag. „Den schaffen wir vor Aschermittwoch nicht“, warb Kuckelkorn bei den Bezirksvertretern erfolgreich für Verständnis. Die stehen den Plänen wohlwollend gegenüber. Das gilt auch, wie man hört, für die Oberbürgermeisterin, mit der der Festkomiteepräsident mal als erstes darüber gesprochen hat. Und, so heißt es, für ein größeres ortsansässiges Automobil-Unternehmen, für einen örtlichen Energieversorger und für eine Telekommunikationsfirma und für etliche andere auch. Die Idee für die Sperrung entstand mitten im Leben. Kuckelkorn, im ernsten Leben Bestatter, hat angesichts der dauerverstopften Straßen in Köln festgestellt, dass die Fahrer seiner Leichenwagen immer größere Probleme haben, bei Beerdigungen pünktlich den Friedhof zu erreichen, berichtete er in der BV. Da hört für den Karnevalisten der Spaß auf. Es muss sich was ändern: „Durch die Bereitstellung der Hauptverkehrsader der Stadt am 3. Juni als Erlebnisraum sollen die Bürger Kölns die Chance erhalten, den täglich oftmals unbedacht genutzten öffentlichen Raum „Straße“ neu zu entdecken. Dafür ist die Beteiligung vieler Gestalter des alltäglichen Lebens in Köln geplant, die das Straßenfestival bereichern werden.“
„Move your town“
Unter dem Motto „Move your town“ sollen die Bürger am 3. Juni in spielerischer und konstruktiver Atmosphäre das „STRASSENLAND“, so der Titel der Veranstaltung, auf drei Kilometern Länge mit kreativen Aktionen für sich erobern und gemeinsam nachdenken über Themen wie Mobilität, Nachhaltigkeit, Kultur, Ernährung und Zusammenleben. Angesprochen sind Gestalter wie Verbände, Institutionen, Schulen, Hochschulen, Unternehmen, Stadtentwickler, Kulturbetriebe und Bürgerinitiativen, die alle Bürger der Stadt mit ihren Angeboten inspirieren sollen. Mit Martin Herrndorf vom Tag des guten Lebens, der ein paar Wochen vorher ja im Agnesviertel gefeiert werden wird, hat Kuckelkorn auch schon gesprochen. Man mag sich und jeder hofft auf den Erfolg des anderen. Der 3. Juni als Termin wurde einerseits gewählt, weil er auch der fahrscheinfreie Tag der KVB ist. „Und der Sonntag nach Fronleichnam. Das kann man sich gut merken“, verwies Kuckelkorn auf die Absicht, „STRASSENLAND“ zu einer wiederkehrenden Veranstaltung auszubauen. Bezirksbürgermeister Hupke fasste für alle Fraktionen zusammen: „Herr Kuckelkorn, es sei Ihnen von Herzen gegönnt, dass das klappt.“ Das wird schon. Bei soviel Wohlwollen.
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