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Bildung & Erziehung Politik

„Ohne Ümi? Ohne uns!“

Freitag, 15. März 2013 | Text: Judith Levold | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Samba, Rasseln, Jonglage und Hunderte Menschen auf dem Severinskirchplatz: unter obigem Motto protestierte die Schulgemeinde des Humboldt-Gymnasiums gegen die für das kommende Schuljahr geplante Streichung der städtischen Zuschüsse beim Nachmittagsangebot der Schule. Strenggenommen ist es nicht die Ümi (Übermittagsbetreuung ist ein originäres Angebot der Jugendhilfe, in Einrichtungen der Jugendhilfe, Anm. der Red.), der es an den Kragen gehen soll, sondern die so genannte MittagspausePlus, die aus einem anderen Fördertopf von Land und Kommunen gemeinsam finanziert wird. Die Stadt Köln bezuschusst das bislang freiwillig an weiterführenden Schulen mit insgesamt 836.000 Euro jährlich, und genau diese Summe will sie fortan einsparen. Beim Humboldt machte das mit 50.000 Euro ungefähr die Hälfte des gesamten Budgets aus. Die Kinder wissen genau, warum sie an diesem kalten Tag auf die Straße gehen: „Ich mache eine AG in der Ümi, die ist sooo toll, das will ich unbedingt weitermachen können!!“ sagt mir Steffen, 12 Jahre alt, und Freund Johan pflichtet bei „Das soll bleiben!“. Die zehnjährige Chaima weiß noch hinzuzufügen: „Die wollen der Ümi einfach 50.000 Euro Fördergeld wegnehmen!“.

 

„Das soll bleiben!“, wollen Chaima, Johan und Steffen.

„Ich habe eine Konsolidierungsvorgabe für mein Dezernat von 82 Millionen Euro für die Jahre 2013-2017, da muss ich überall Einschnitte vornehmen“ sagt Agnes Klein, Kölns Schuldezernentin, der das nicht leicht fällt. „Wir sind deutlich unter dieser Vorgabe geblieben, weil ich denke, dass die Grenze des Erträglichen wirklich erreicht ist.“ fährt sie in unserem Telefonat fort und das klingt auch glaubhaft. An der Grenze des Erträglichen arbeitet aber auch mit viel Fantasie, Kreativität und Engagement die gesamte Schulgemeinde am Humboldt-Gymnasium, um die seit Jahren bestehende Mängelsituation an der Schule zu kompensieren und den Schülern, vor allem den jüngsten, ein gutes Angebot über den Unterricht hinaus, am Mittag und Nachmittag zu machen. Die 50.000,- Euro jährlich, die im Humboldt seitens der Stadt in das ergänzende Ganztagsangebot der MittagspausePlus fließen, sind sinnvoll eingesetzt: Arbeitsgemeinschaften wie Fair Kämpfen, Breakdance, Rollen- oder Sammelkartenspiel, Kickern, Tischtennis, Backen uvm. lassen eine lebendige und vielfältige Szenerie von nachmittäglicher Freizeitgestaltung entstehen, von der gezielten Förderung in den Hauptfächern sowie den betreuten Hausaufgaben und einem Mittagessen mal ganz abgesehen. „Unser Protest richtet sich gegen die aus unserer Sicht spontane Kürzung der Stadt. Das hat uns kalt erwischt, wir haben davon aus dem Internet erfahren. Da können wir zum kommenden Schuljahr gar nicht mehr drauf reagieren!“ empört sich Cornelis Gollhardt, Vater von zwei Kindern am Humboldt und stellvertretender Schulpflegschaftsvorsitzender. Und ärgert sich weiter „Uns geht es nicht darum, hier eine Luxussituation abzusichern, aber das Humboldt tritt seit Jahren in Vorleistung, leistet noch die Fünf-Zügigkeit, improvisiert mit dem Raummangel sowie der maroden Bausubstanz und hat ein funktionierendes, von allen geschätztes „Humboldt-System“ in der MittagspausePlus entwickelt – das kracht uns doch jetzt ein!“. Der Raummangel ist tatsächlich anerkannt und nicht zu knapp: der kommunale Schulträger attestierte schon vor Jahren ein Minus von gut 3000m2, 1500 davon abgefangen durch Container – der geplante und zugesagte Neubau lässt hingegen seit ebenfalls Jahren auf sich warten – und bringt jährliche Einsparungen von geschätzten 500.000 Euro für die Stadt. Demgegenüber stellen sich die städtischen 50.000 Euro für die MittagspausePlus geradezu lächerlich dar – für das Betreuungsmodell der Schule sind sie aber existenziell. „Wir haben hier nun mal einen besonderen Raumbedarf, schon durch den Musikzweig“, erläutert Cornelis Gollhardt weiter, ein gebundener Ganztag, wie an 60% der weiterführenden Schulen in Köln, sei „bei der räumlichen Situation derzeit schlicht nicht machbar!“

 

Das war auch einer der Gründe, warum die Schule den Antrag zum gebundenen Ganztag zunächst noch nicht stellte – im geplanten Neubau sind allein dafür vier große Räume vorgesehen, die ja aktuell faktisch nicht vorhanden sind. Es gibt aber noch andere Gründe als den Raumbedarf, mit dem gebundenen Ganztag noch zu warten: ein gebundener Ganztag mit mindestens drei Unterrichtstagen bis 15h, ist zwar politisch gewollt und käme der Kommune allein schon deshalb gelegen, weil er über Lehrerstunden abgewickelt und somit vom Land finanziert wird. Er bräuchte aber Platz und ein Konzept jenseits des nachmittäglichen Unterrichts, von Lehrern geleistet. Denn Lehrer sind keine Freizeitpädagogen und außerdem auch teurer als diese. „Wenn wir jetzt in den gebundenen Ganztag einsteigen würden,“ sagt Gregor Raddatz, Liebling aller Humboldt-Kids und engagierter Leiter der Nachmittagsbetreuung, „müssten wir das deutlich mehr als bisher mit Lehrern tun. Das bedeutete eine drastische Verschlechterung des Betreuungsschlüssels von aktuell 1:10 in Richtung 1:50. Also ein Lehrer müsste gleichzeitig bis zu 50 Schüler im Ganztag beschäftigen.“ Wieso denn das so sei, frage ich ihn, warum denn im jetzigen Modell viel mehr Betreuer für dieselbe Anzahl Kinder da seien? „Ja das ist so: eine ganze Lehrerstelle kostet etwa so viel wie eine halbe Stelle pädagogische Fachkraft plus neun Bundesfreiwillige, die als Betreuer arbeiten.“, erklärt er. Und dass jetzt nicht einfach diese Anzahl Betreuer gegen einen Lehrer quasi getauscht werden können, liege daran, dass aktuell die Lehrerstunden nicht kapitalisiert werden dürften, heißt: nicht umgerechnet in Leistungen anderer Mitarbeiter. Und das wiederum habe mit dem aktuellen Lehrerüberhang wegen des doppelten Abiturjahrgangs zu tun. Scheint kompliziert, und ja – das ist es. Aber damit muss man sich wohl auseinandersetzen, wenn man protestiert, ebenso wie wenn man sparen

will, wie die Stadt. Es wäre also für das erfolgreiche Humboldt-Modell eben nicht einfach damit getan, in den gebundenen Ganztag aufzuschließen, zumal das zum kommenden Schuljahr rein verfahrenstechnisch auch nicht mehr machbar wäre – die Information über die angedachte Streichung der städtischen Zuschüsse kam für die Humboldtianer auch einfach zu spät.

 

Gregor Raddatz, Leiter der Nachmittagsbetreuung im Humboldt Gymnasium (l.) und Cornelis Gollhardt, stellvertretender Schulpflegschaftsvorsitzender.

 

Und was denn mit einer Erhöhung der Elternbeiträge für die MittagspausePlus, am Humboldt Ümi genannt, wäre, frage ich Herrn Raddatz. Ist da nicht noch ein bisschen Spielraum? „Ja wissen Sie, wir haben 8 prozent Kölnpass-Inhaber, da gibt es viele Eltern, die das gar nicht zahlen können und schon viele, die deshalb einen Solidarbeitrag leisten. Und was der Stadtanzeiger da vor zwei Wochen vorgerechnet hat, war schlicht falsch! Denn es zahlen ja nicht 300 Eltern, sondern nur die 180, wo die Kinder am ergänzenden Ganztagsangebot der MittagspausePlus teilnehmen und so müssten wir die Beiträge, die zur Zeit schon für viele bei 30 Euro im Monat liegen, nochmals um gut 20 Euro erhöhen – das ist nicht machbar und vor allem nicht im Nachhinein. Die Eltern der künftiger 5er etwa haben doch schon für das kommende Schuljahr unterschrieben!“. Das ist wirklich ein Problem und es sieht auch ganz danach aus, als werde hier wieder mal viel Funktionierendes, Gutes zerschlagen, ohne dass dies bei den Haushaltsproblemen der Stadt wirklich relevant weiter helfen könnte. Ein Rechenbeispiel: in 500 sinnvollen Projekten je 50.000 Euro Kürzungen ergäbe Einsparungen von 25 Millionen – es fehlen aber 300 Millionen Euro im Haushalt. Und die fehlen nach solchen Kürzungen eben (fast) immer noch. Hinterlassen aber im sozialen und Bildungsbereich verbranntes Feld, obwohl gerade von der SPD immer angekündigt wurde: keine Einsparungen bei Bildung! Vielleicht wäre es da tatsächlich den Gedanken wert, doch mal eines der Großprojekte in dreistelliger Millionenschwere zu canceln – Ideen? Wer weiß, die Sparvorschläge sind ja noch nicht durch den Rat, erst im April wird endgültig entschieden!
 

Text: Judith Levold

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