Oma, die Sau
Montag, 6. Januar 2020 | Text: Reinhard Lüke
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Nachdem sämtliche Festmahle die Klärwerke erreicht haben, auch die letzten Plätzchen verputzt sind, sich alle Psychologen mit ihren hilfreichen Tipps zu Weihnachten („Nicht zu viel erwarten.“) und Vorsätzen für neue Jahr („Nicht zu viel erwarten.“) aus Radio und Fernsehen wieder in ihre Praxen zurückgezogen haben, könnte man endlich wieder entspannt zur Tagesordnung übergehen. Wäre da nicht die Sache mit Oma. Und mit der Umwelt. Bis zum Wochenende war die Posse in unserer südstädtischen facebook-Gruppe erstaunlicherweise überhaupt kein Thema. Doch anlässlich der Demo vor dem WDR am Samstag ging dann umso heftiger die Post ab und einmal mehr durfte ich als staunender Leser Zeuge einer absurden Netzwerk-Erregung werden, für die der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen den schönen Begriff der Spektakelpolarisierung erfunden hat.
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Bambule’s Chilistube – Keine Angst vor SchärfeSpektakelpolarisierung
Der Reihe nach. Am 9. November letzten Jahres brachte WDR 5 in seinem belanglosen Heiterkeits-Format „Satire Deluxe“ eine Umtextung des Berliner Gassenhauers „Wir versaufen unser Oma ihr klein Häuschen“ aus dem Jahre 1922 zu Gehör. Mit den inzwischen hinlänglich bekannten Reizwörtern SUV, Discounter-Fleisch, Oma und Umweltsau. Gesungen von zwei erwachsenen Männern. Gemeint war das Ganze als satirische Spitze gegen ökologisch hyperkorrekte Jugendliche, die ihre Eltern und Großeltern nerven. Ob irgendwelche Hörer das so verstanden haben, ist nicht bekannt. Proteste gab´s jedenfalls keine. Nichtmal von Omas.
Nur bei der Dudelwelle WDR 2 fand man die Nummer offenbar irgendwie lustig
Flugs ließ man das Lied von einem Dortmunder Kinderchor aufnehmen und sendete die Version nicht nur, sondern stellte sie am 27. Dezember obendrein als Video ins Netz. Dass die ursprüngliche Stoßrichtung der geplanten Satire durch die trällernden Kinder nun beim besten Willen nicht mehr zu erkennen war, hätte den beteiligten WDR-Profis eigentlich klar sein müssen. War es aber nicht. Und ab ging die Post. Im Netz gab´s den, wie man inzwischen weiß, von rechten Trollen angefachten Shitstorm. Wobei ich mich anfangs durchaus gefragt habe, wieso dieses belanglose Liedchen überhaupt die Ewiggestrigen hinter dem Ofen hergelockt hatte. Wollten die womöglich über die Omas das das Mutterkreuz verteidigen oder gar wieder einführen? Inzwischen hab´ ich kapiert, dass es ihnen lediglich ein willkommener Anlass war, einmal mehr Stimmung gegen den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk, Lügenpresse usw. zu machen.
Luftballons zur politischen Willensbildung
Unterstützung erhielten die Protestler aus dem rechten Lager dabei u.a. von Politikern, die keineswegs der AfD angehören. So meldete sich Landesvater Armin Laschet und geißelte die Instrumentalisierung von Kindern durch den WDR und FDP-Senior Wolfgang Kubicki stieß ins selbe Horn und fühlte sich gar an DDR-Verhältnisse erinnert. Was einigermaßen drollig ist. Sollen die in Wahlkämpfen von allen Parteien in Fußgängerzonen verteilten Luftballons und Buntstifte etwa zur politischen Willensbildung der Wahlberechtigten beitragen? Ja, auch Eltern, die ihren Kindern Schilder mit „Hambi bleibt“ umhängen, machen sich der Instrumentalisierung schuldig. Geschenkt.
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fbs – evangelische FamilienbildungsstätteVatis Krankenbett
So richtig Fahrt nahm die Umweltsau-Nummer aber erst durch das souveräne Krisenmanagement des WDR auf. Statt einfach zuzugeben, dass der Song vielleicht nicht ganz der Knaller war oder zu erklären, wie er eigentlich mal gemeint gewesen war, und anschließend zur Tagesordnung überzugehen, nahm man das Video flugs von der facebook-Seite. (Womöglich gar in der Annahme, damit sei es aus der Welt.) Zudem bastelte man für den 28. Dezember eine Sondersendung auf WDR 2, in der erst der Wellenchef zerknirscht Abbitte leistete und um Entschuldigung bat. Dann rief auch noch Tom Buhrow an. Nicht von irgendwo, sondern, wie er wissen ließ, vom Krankenbett seines Vaters aus. Der habe, ließ der Intendant wissen, sein Leben lang hart gearbeitet und sei gewiss keine Umweltsau. Mit diesem Homestory-Element gab Buhrow der leidlichen Debatte, die dringend einer Versachlichung bedurft hätte, auch noch eine peinlich persönliche Note.
Lustig. Falls „lustig“ draufsteht
Mit seiner finale Entschuldigung „ohne Wenn und Aber“, brüskierte er zudem Redakteure, die ihm nun vorwerfen, vor rechten Trollen eingeknickt zu sein. Was der Intendant in einem Interview dann wiederum heftigst dementierte und auf die zahlreichen Antworten erboster Senioren verwies. Worüber er vermutlich in der Tat mehr erschrocken war als über den Shitstorm im Netz. Was man verstehen kann. Schließlich liegt das Durchschnittsalter der Zuschauer beim WDR Fernsehen inzwischen deutlich über 60. Tendenz steigend. Da darf man die letzten Fans nicht auch noch verprellen. Weit bedenklicher finde ich jedoch einen anderen Punkt, den Buhrow als Grund für sein energisches Zurückrudern geltend machte. Der Beitrag, also das Liedchen, habe keine Kennzeichnung als Satire gehabt und sei somit als solche nicht zu erkennen gewesen. Soll heißen, beim WDR ist Satire inzwischen nur noch erlaubt, wenn ausdrücklich „Satire!“ draufsteht. Weil man den verblödeten Nutzern nicht zutraut, das selbst zu entdecken. Mal abwarten, ob bei den anstehenden Übertragungen von Karnevalssitzungen bei Büttenreden künftig irgendwo am Bildrand ein Insert „Achtung Satire“ auftaucht.
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Kommentare
Ach, das war eine „satirische Spitze gegen ökologisch hyperkorrekte Jugendliche, die ihre Eltern und Großeltern nerven“. Na, dass ich da -wie viele andere ÖR-Rundum-Versorgte- nicht sofort drauf gekommen bin!
Obwohl – jüngere Eltern kommen in dem Lied gar nicht vor. Nur Großeltern. Daher habe ich angenommen, dass die Jugendlichen ihre eigenen Eltern gedrängt haben, SUV und Motorrad-Hobby aufzugeben (statt sie damit zum Reitunterricht zu fahren), um beides der Oma zu schenken. Die dann wiederum anschließend ihre unverdient hohe Rente durch Motorradfahren im Hühnerstall sprichwörtlich verbrennt, anstatt den Enkeln zu Weihnachten neue Smartphones für die nächste FFF Demo zu kaufen. Die Sau! Noch dazu: Umweltsau.
Tja, und dass die Alte täglich Discounterfleisch isst, statt wie Mami und Papi Sojafutter bei Alnatura oder Temma einzukaufen, geht natürlich gar nicht bei ihrer Rente. `n paar Opis kann sie dagegen im Altersheim ruhig umnieten. Denn seien wir ehrlich: die sind genau wie die Omas laut satirischem FFF-Tweet ‚eh nicht mehr solange dabei‘. Außer bei den 10 Kreuzfahrten natürlich. Jedenfalls einige. Super umweltverträglich ist es auch noch.
Aber jetzt ist das ja glücklicherweise geklärt! So muss Satire sein: klar und unmißverständlich auf einen gesellschaftlichen Missstand bezogen, den das weltoffene Publikum sofort erkennt. Auch (oder erst recht), wenn er im Duktus der unschuldigen Unbefangenheit eines FDJ-Kinderchors vorgetragen wird! Na dann, da Capo!