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Kultur Südkids

Petrus ist kein Gaukler

Montag, 4. Juni 2012 | Text: Sonja Alexa Schmitz | Bild: Barbara Siewer

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

„Petrus is ´ne Kölsche!“ heißt es immer, wenn am Rosenmontag die Jecken bei strahlendem Sonnenschein durch die Stadt ziehen.
Doch am Wochenende fand in Friedenspark und Baui das 4. Kölner Gauklerfest ohne himmlischen Beistand statt. Am Samstag zwar bei idealem Wetter und idealen ca. 5000 Besuchern. Doch am Sonntag bei Dauerregen und 13 Grad mit, optimistisch geschätzt, 500 Besuchern.

Als ich um 13 Uhr im Friedenspark eintreffe, ist das Erste, was ich wahrnehme die Musik von „Amelie Poulain“. Schön melancholisch unterstreicht sie die Stimmung, die von den Bäumen in die großen Pfützen tropft, streicht um die zwei Zelte, die auf der großen Wiese hinter dem Baui stehen. Ich sehe zwei kleine Jungs, gelbe Ostfriesennerzleuchtpunkte, deren Gummistiefelfüße in den Pfützen tanzen. Die Popcornmaschine unter dem roten Zeltdach spuckt unlustig Popkörner aus. Kein Mensch da. Ein skurriles Bild.
Die Musik kommt aus dem anderen Zelt, wo die Nachwuchsbühne wacker die Stellung hält und auf erste Besucher hofft. Ein paar Menschen sitzen auf den Bänken. Vermutlich die Eltern der Auftretenden.

Ich gehe zum Baui. Keine Besucher, aber eine Vielzahl von Festival-Helfern, die gerade zwischen Kopf-in-den-Sand und Wir-machen-das-Beste-draus, einen guten Mittelweg zu suchen scheinen.
Sie schaffen es, verdauen die große Enttäuschung, und packen es an. Dann findet das Programm eben im Baui und im Zirkuszelt draußen statt. Scheinwerfer werden ummontiert, Stühle und Bänke im Baui aufgestellt, und mit abgedunkeltem Licht und Kerzen auf den Tischen entsteht eine neue, keine Frühlings-Hippie-Gauklerwiesenstimmung, aber dafür eine gemütliche Herbst-Showbühnen-Atmosphäre.

Shiva Grings in action. /Foto: Barbara Siewer

 

Einer wagt es dennoch in einer Regenpause draußen die zaghaft eintrudelnden Besucher  auf seine Art zu begrüßen.
Shiva Grings, ein junger Mann mit weißem Hemd, schwarzer Hose, Hosenträgern, wachem Gesicht und lachenden Augen, steht mit einem Koffer in der Mitte des Platzes. Eine Frau mit roter Jacke kommt vorbei. „Lady in Red“ singt der Künstler und geht ihr hinterher „Hey bleib doch stehen!“ die Frau geht weiter. „There is no other show!“ Er hakt sich bei ihr ein, begleitet sie um die Ecke, wo tatsächlich außer einer nassen Bühne und leeren Buden nichts zu sehen ist.
Die zwei Jungs in ihren gelben Ostfriesennerzen stehen dem Straßenkünstler gegenüber. Zwischen ihnen eine große Pfütze. „Ok, einmal wettschwimmen durch die Pfütze. Eins, zwei, bei drei springt ihr, ok!?“ „Eins, zwei, drei!“ Die Ostfriesennerze springen in die Pfütze.
Oh nein! Alles lacht.

Shiva kommt aus Irland. Viele seine Sätze sind auf englisch. „There is a dove of peace!“ freut er sich und schaut zu dem Adler auf dem Dach des Baui.
Hinterher, als ich mich mit ihm unterhalte sagt er: „ Das ist skurril. Da ist so ein böser Vogel und hohe Mauern ringsrum, und das heißt dann Friedenspark!“
Neben der Dove of Peace steht ein Mann. „Hey the king is there“ ruft Shiva, und fordert uns auf, alle dem König zu winken. Der König winkt zurück.
Wenig Zurückhaltung der Zuschauer, spontanes Mitmachen, gelöstes Beiwohnen empfinde ich in seinem Publikum.
Ein Mann kommt mit dem Rad um die Ecke. Bleibt abrupt stehen als er Shiva sieht. Der hat ihn sofort erkannt, und auch das, was er darstellen könnte. Er holt ein rotes Tuch aus seinem Koffer und will mit ihm Stierkampf spielen. Der Mann zögert. Shiva lacht und wirbelt mit dem Tuch. Der Mann traut sich, fährt auf ihn zu.
„Ich habe geahnt, dass er mitmachen würde. Ich habe gute Menschenkenntnis und meine Intuition geschärft, durch meine Arbeit auf der Straße.“
„Wie schaffst du es, dass dein Publikum so entspannt und offen ist? Hier wird nicht zögerlich ein oder sogar kein Arm gehoben, wenn du sie dazu aufforderst und sie antworten „Ja“ und „Nein“ mit lauter, fester Stimme, wenn du von ihnen etwas hören willst. Wieso?“
„Die Menschen wollen das. Das steckt im Menschen drin“ sagt der wohl etwas bescheidene Improvisationskünstler.
Er hat schon in vielen Ländern gelebt und gespielt. „Macht es einen Unterschied wo du spielst? Sind zum Beispiel die Dänen herzhafter als die Deutschen?“ „Nein, eigentlich nicht. Da sind nur Nuancen. Zum Beispiel Norweger brauchen sehr lange um warm zu werden. Und Franzosen sind sehr geduldig. Sie schauen sich die ganze Nummer an, ohne vorher weg zu gehen.“
„Und wie sind die Kölner, gibt es da einen Unterschied zu anderen deutschen Städten?“ „Ja, schon. Die Kölner sind sehr lieb, sie unterstützen mich gut bei meiner Show, machen alles mit.“

 

Zuschauer des Gauklerfestes (oben),  Männermusik (u.l.) und Urban und Staedler (u.r.).
 

Es fängt an stärker zu regnen. Shiva fragt sein Publikum ob es lieber drinnen weitermachen wolle. Arm heben und abstimmen. Es scheint gleiche Stimmanzahl zu geben „Boah, Demokratie ist echt schwierig!“ stellt der Künstler fest. Wir gehen hinein und er setzt sein Programm auf der Bühne fort. Die Bühne ist nicht die ideale Umgebung für ihn. Er braucht das Spontane. Er schnappt alles auf, und spielt damit.
Draußen kam ein Junge mit einem Cruiser- Fahrrad angefahren. „Wow! Cool bike!“ Der Junge reagiert nicht, schaut absichtlich in die andere Richtung. Shiva holt eine Baseballkappe aus seinem Koffer und zieht seine Hose unter die Hüfte, Hände in die Hosentaschen: „Hey, vielleicht sprichst du jetzt mit mir?“

„Bist du aufgeregt vor deinen Auftritten?“ interessiere ich mich. „Ja, ziemlich. Aber das gehört wohl dazu. Da ist immer so ein Zwiespalt zwischen machen oder lassen. Aber ich mag das. Das ist lebendig. Immer wieder sich trauen müssen.“
„Was machst du wenn du schlecht drauf bist? Man muss doch gute Laune haben für den Job!?“ „Ich gehe auch mit schlechter Laune in die Menge. Dann spiele ich meine schlechte Laune aus. Geht auch. Und hinterher hab ich dann gute Laune.“

Nach seiner Show klappt er den Regenschirm auf und bittet um Hutgeld. Nicht nur für sich selbst sammelt er, sondern das geht an alle auftretenden Künstler hier.
„Schöner wäre es, wenn wir das nicht machen bräuchten. Die Show könnte viel schöner enden, wenn ich nicht noch Geld ins Spiel bringen müsste. Manchmal verschwinde ich nämlich einfach wenn es die Situation hergibt, oder ich mache was Poetisches zum Ausklang. Man muss die Show anders aufbauen, wenn hinterher der Hut angekündigt wird. Das nimmt mir Freiheit.“

Aber Geld ist leider die große Sorge des Kölner Kleinkunst e.V., den Organisatoren des Gauklerfestes. Letztes Jahr musste das Fest sogar ausfallen, weil es nicht zu finanzieren war.
Stefan Heckl, Mitorganisator und Programmgestalter des Festivals, erklärt mir, dass das Gauklerfestival sich in den ersten Jahren realisieren konnte, weil es befreundete Künstler waren. Denen hat das Hutgeld gereicht. Mittlerweile ist das Kölner Gauklerfest so bekannt geworden und sein Ruf schallt bis nach Australien und andere Ecken der Welt, so dass E-Mails von Künstlern aus der ganzen Welt kommen, die sich um ein Engagement bewerben. Die Qualität kann sich also sehen lassen. Das Problem ist nur, dass die großen Künstler gerne große Gagen möchten. Dieses Jahr konnte der Kölner Kleinkunst e.V den LVR als Sponsor gewinnen. Der Landschaftsverband darf aber immer nur einmalig ein Projekt fördern, so dass um das nächste Jahr erneut gezittert werden muss. Also sammelt man auf dem Gauklerfestival fleißig Unterschriften, um die Stadt Köln als Sponsor zu gewinnen.

 

Matthias Romir (o.l.), Bucket & Co. (o.r.), Jeff Hess (u.l.)  und Scharniertheater (u.r.).
 

Wenn man sich das Programm des 4. Gauklerfestivals ansieht, dann wird gleich klar, dass das keine Bühne für Feierabend-Jongleure und Parkbaum-Seiltänzer ist. Hier wird Großes geboten. Ich habe mich nur auf den Improvisationskünstler Shiva Grings konzentriert, aber jeder einzelne von den Auftretenden wäre ein Portrait wert gewesen!

Es wäre ein Leichtes, zu bedauern, dass ich den sonnigen Bilderbuch-Samstag verpasst habe, und stattdessen den verregneten Spielverderber-Sonntag erwischt habe. Aber mir hat es gefallen zu sehen, wie die Menschen, die leider nicht mehr durch die kindliche ostfriesennerzfarbene Brille zu schauen vermögen, es schaffen, ihren Unmut zu verwandeln, die Energie aufzubringen und aus der Enttäuschung etwas Neues entstehen zu lassen.
„Humor ist wenn man trotzdem lacht.“ Das haben die Gaukler bewiesen.

Wer den Kölner Kleinkunst e.V. mit einer Spende unterstützen möchte, dem sei herzlich gedankt.
Kölner Kleinkunst e.V.
Kontonummer: 190 141 985 1
Bankleitzahl: 370 501 98
Sparkasse Köln/Bonn
Verwendungszweck: Spende

Ab einer Spende von 50,- Euro gibt es gerne eine Spendenquittung.

Und wer Shiva Grings erleben möchte, kann das am 25/26. Juli wieder, wenn er im Rahmen des Sommerfestivals Köln die Menschen vor dem Schokoladenmuseum zum Lachen bringt.

Text: Sonja Alexa Schmitz

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