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Südstadt

Pjöngjang mit Jägerzaun – Lükes liebes Leben

Montag, 28. April 2014 | Text: Reinhard Lüke | Bild: Botaurus

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Nordkorea ist mir irgendwie egal. Wenn ich Berichte lese, dass dieser Diktator-Kasper Kim Jong Un ein paar politisch in Ungnade Gefallene samt ihrer Familien hat meucheln lassen und das Volk seit Jahrzehnten zu verhungern droht, frage ich mich zwar regelmäßig, ob wir da im Dienste der Menschenrechte nicht mal langsam einmarschieren müssten, aber dafür wird sich in der NATO eh keine Mehrheit finden. Letztens war mir dieses Riesenbaby in Uniform aber denn doch ein Quell der Freude. Denn der Diktator, so stand zu lesen, hatte sich von der BBC zu Testzwecken ein paar Unterhaltungsserien kommen lassen, von denen drei demnächst das gewiss nicht sonderlich lustige Programm des Staatsfernsehens bereichern sollen. Darunter „Top Gear“, eine Serie, in der protzige Luxus-Sportwagen die Hauptrolle spielen, und -kein Scherz!- die „Teletubbies“. Beide Formate sollen die gestrengen koreanischen Prüfer in Pjöngjang für politisch unbedenklich halten. Wenn das mal nicht etwas blauäugig ist. Nun gut, donnernde Ferraris und Jaguars sind für die meisten Nordkoreaner, die noch aufs erste Fahrrad sparen, wömoglich so exotisch, dass „Top Gear“ nicht gleich zum Volksaufstand führen wird. Aber das anarchische Potenzial der „Teletubbies“ würde ich an Kim Jong Uns Stelle nicht unterschätzen. Vier Typen, die nichts arbeiten, den ganzen Tag nur ´rumlümmeln oder Unsinn machen – das könnte sich zu einem Brandsatz entwickeln. Und dann ist da schließlich noch die ungeklärte Geschlechterfrage. Diese gelebte Androgynität in Verbindung mit der Gammelei könnte doch manchen Koreaner ins Grübeln bringen. (Wobei ich im Gegensatz zu manch anderen gewitzten Kommentatoren jetzt gar nicht mal finde, dass der weise Kim eine gewisse Ähnlichkeit mit Tinky Winky hat.) Womöglich ersparen uns die bunten Plüschmonster ja am Ende sogar die Mühsal der Einmarschiererei.

Flächendeckend tote Hose

Von Nordkorea thematisch aufs Paderborner Land zu wechseln, mag kühn anmuten, ist aber gar nicht so abweging. Schließlich sprechen Kenner der Gegend auch gern von „Westfälisch Sibirien“. Letztens war ich jedenfalls mal wieder in meinem Heimatdorf nahe PB, mit dem mich eigentlich kaum noch was verbindet. Die Eltern leben nicht mehr und ich bin irgendwie auch nicht der Mensch, der Jugendfreundschaften pflegt, nur weil er mal im örtlichen Fußballverein gekickt hat oder als Teenager in privaten Partykellern mit roter Glühbirne zu „Nights in White Satin“ geknutscht hat. Und mit verwandtschaftlichen Banden nur um der Verwandtschaft willen hab´ ich es auch nicht so. Wie auch immer. Jedenfalls hat mich denn doch erstaunt, wie tot dieses Kaff inzwischen ist. Womit ich jetzt nicht den Niedergang des Bauernwesens meine. Den gibt´s da natürlich auch. Und die wenigen verbliebenen Landwirte müssen ihre Trecker und Mähdrescher inzwischen um absurde Objekte zur Verkehrberuhigung herum bugsieren, um auf ihre Äcker zu gelangen. Vor allem in Straßen, in denen es diesbezüglich überhaupt nichts zu beruhigen gibt. Aber das Frappierendste ist das Verschwinden so ziemlich jeglicher Form von Öffentlichkeit. Früher hatte das Nest mit rund 800 Einwohnern mal drei Kneipen, inzwischen hat sich die Zahl der Bewohner durch den Zuzug von Städtern, die gern ein Eigenheim in Grünen wollten, zwar verdoppelt, aber eine Kneipe sucht man vergebens. Gesoffen wird nur noch daheim. Auch von mehreren Lebensmittelläden ist lediglich eine Bäckerei übrig geblieben, die auch nicht mehr besonders laufen soll. Einkäufe werden per Auto bei Discountern am Rand der pulsierenden Weltmetropole Paderborn erledigt.

Westfälische Amphoren

Komplett irre ist aber, dass man in dem Dorf heute auch keine zweibeinige Sau mehr sieht. Zumindest nicht auf der Straße. Keine alten Menschen, keine jungen, keine Kinder. Zwar verfügt das Nest über zwei öffentliche Spielplätze mit allem Schnickschnack, auf denen ich in den drei Tagen meiner Anwesenheit aber nie Kind gesehen habe. Alle im Osterurlaub auf den Malediven? Mitnichten. Am Samstag lärmten die Rasenmäher auf nahezu jeder Parzelle und ab Mittag wurde die gute Landluft komplett gegen Grillschwaden eingetauscht. Diese steinzeitliche Art der Fleischzubereitung ist für den ostwestfälischen Ländler offenbar überhaupt das Größte. Und das lässt er sich durchaus was kosten. Von wegen so ein Blechteil für fünf Euro von der Tanke. Nix da. Da lagern wahre Monster an Luftverpestern in den Gärten und wer was auf sich hält, hat gleich einen gemauerten Trumm da stehen. Darüber gern auch noch ein eisernes Schild, auf dem „Bernd´s Grillecke“ (den absurden Genitiv-Apostroph ordentlich ausgefräst!) prangt. Damit nicht genug, zieren die (Rasen-)Flächen hinter den Häusern, auf denen früher mal Gemüse angebaut wurde, oft auch noch große Blockhütten, in denen rauschende Feste gefeiert werden könnten. Wenn es denn was zu Feiern gäbe. Gibt´s aber nicht. Auch gegrillt wird offenbar nur intrafamiliär. Hinterm Haus. Vor den Häusern, wo zu meinen Kindertagen Bänke standen, auf denen man abends ein Schwätzchen mit Nachbarn hielt, hängen heute Deutschland-Flaggen (ersatzweise auch BVB- und SC Paderborn-Lappen) schlapp am Mast, während die Flächen darunter mit Deko-Müll wie römischen Amphoren, Putten und griechischen Säulennachbildungen aus Gips für Heimeligkeit oder was auch immer sorgen sollen. Und die monströsen Briefkästen, die neben den Eingangsportalen meist vergeblich auf Post warten, wären ganze Bildbände wert. Jedenfalls war ich nach diesem Ausflug nach Absurdistan heilfroh, wieder im meinem belebten Innercity-Dorf in der Südstadt zu sein.

Das Wut im Bauch

Wo es derzeit ja mächtig bunt zugeht. An jeder Ecke hängen Plakate mit mehr oder minder gequält lächelnden Köpfen, die uns am 25. Mai zum Urnengang animieren wollen. In ganz Köln  sollen 35 000 dieser Pappen hängen. Botschaft: null. Oder was soll ich davon halten, wenn ausgerechnet meine blonde FDP-Kandidatin für die Kommunalwahl darauf „Mehr Wohnungen. Niedrigere Mieten“ fordert? Ob diese opulente Vesrschandelung des Stadtbildes für irgendeine Partei ein paar Stimmen mehr bringt, wird sich leider nie ermessen lassen. Kluge Forscher haben inzwischen kundgetan, dass die Dinger da in erster Linie zur Motivation der Kandidaten hängen. Soll heißen: Die Politiker freuen sich, wenn sie ihr eigenes Konterfei von Bäumen und Straßenlaternen anlächelt und legen sich dann mächtig ins Zeug. Was vermutlich auch für unsere mental irrlichternden Freunde von Pro Köln gilt. „Wut im Bauch? Lass es raus!“ haben die plakatiert. Wobei jetzt weniger verwundert, dass die braune Truppe konsequent nicht ans Hirn sondern an den Bauch appelliert. Aber dass der vaterländische Verein mit all seiner Deutschtümelei nicht mal des Deutschen mächtig ist, erstaunt denn doch. Lass es ´raus, das Wut! Oder was oder wie?   

Sonst noch was passiert? Ja. Bei den Holländern. Heintjes Ehe ist nach 33 Jahren am Ende. Was vermutlich bedauerlich ist. Noch trüber stimmt allerdings die Vorstellung, wie sich einer fühlen muss, der mit 59 Jahren noch imer als „Heintje“ in solchen Meldugen auftaucht. Oder singt der womöglich auch heute noch „Mama“ auf Kaffeefahrten und Kreuzfahrtschiffen? Nochmal Holland: Maxima, Gattin des Königs, hat auf einer belgischen Autobahn ihren Tank leergefahren. Ist aber weiter nix passiert. Die Bodyguards im Wagen dahinter hatten einen Reservekanister an Bord. Schön, dass es in diesen Tagen auch noch wirklich beruhigende Nachrichten gibt.

           

 

Text: Reinhard Lüke

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