Pommes und Platin – Lokalmedien in Südafrika
Dienstag, 23. Oktober 2012 | Text: Wassily Nemitz
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
„First we go to the restaurant“, sagt William. Ohrigstad an der Tankstelle, Mittwochnachmittag. Meine Mit-Freiwillige Anne und ich sind von Kgautšwane mit dem Taxi hierher gefahren. Jetzt stehen wir vor einem silbernen Suzuki-Geländewagen und fahren unverhofft ins Restaurant. Hätten wir uns bloß nicht die Pommes im Tankstellen-Supermarkt geleistet.
„First we go to the restaurant“, sagt William. Ohrigstad an der Tankstelle, Mittwochnachmittag. Meine Mit-Freiwillige Anne und ich sind von Kgautšwane mit dem Taxi hierher gefahren. Jetzt stehen wir vor einem silbernen Suzuki-Geländewagen und fahren unverhofft ins Restaurant. Hätten wir uns bloß nicht die Pommes im Tankstellen-Supermarkt geleistet. Aber dass uns William mit seiner Freundin gleich zum Essen einladen würde, hätten wir nicht erwartet. William ist Chefredakteur der Wochenzeitung „Platinum Gazette“. Kennengelernt habe ich ihn über Doc vom Presseamt der Republik Südafrika. „The editor-in-chief of the Platinum Gazette would like to meet you tomorrow“, schrieb Doc, der im benachbarten Burgersfort lebt. Ein kurzes Telefonat, schon waren wir verabredet.
Im Restaurant, das einzige im Umkreis, stellt uns William seine Zeitung vor. Wir essen – wohl gesättigt – Salat. Vor knapp vier Jahren hat William die „Platinum Gazette“ mit seiner Freundin Beánnla gegründet. „Wir standen da und hatten gar nichts“, erzählt er uns, „unsere vorherigen Jobs hatten wir an den Nagel gehängt.“ William hatte, als er sich entschied, eine kostenlose Wochenzeitung zu gründen, schon eine längere Journalisten-Karriere hinter sich: Er hat als Filmemacher in Namibia gearbeitet – oder als Leiter einer Gruppe von elf Zeitungen. Diese Gruppe kaufte vor einigen Jahren den „Steelburger“, die führende Lokalzeitung – abgewickelt hat den Verkauf William.
Heute führt er mit der „Platinum Gazette“ die zweitgrößte Zeitung für das Städtedreieck Burgersfort, Steelport und Ohrigstad. Die Auflage liegt bei 15.000; Mitarbeiter hat er keine. „We are doing our best“, meint er, „even if we only have one room and two computers.“
Der redaktionelle Teil der „Platinum Gazette“ besteht aus zwölf Seiten, außerdem gibt es mindestens ebenso viele Seiten Werbung. Vom Konzept her fühle ich mich an den „Kölner Wochenspiegel“ erinnert; doch anders als in Köln landet die Zeitung hier nicht postwendend in der Mülltonne: Gerade in Kgautšwane sind der „Steelburger“ und die „Platinum Gazette“ gefragte Lektüren – schlichtweg weil sich die Menschen hier keine kostenpflichtige Zeitung leisten können. 1500 Menschen haben sogar freiwillig die elektronische Ausgabe der „Platinum Gazette“ abonniert; sie landet jeden Donnerstagabend in ihrem E-Mail-Postfach.
Doc, der Regierungsmitarbeiter, schreibt ab und an ebenfalls für beide Zeitungen – und legt dabei eine interessante Auffassung von Seriosität an den Tag. Während eines Ausflugs zu einem „Heritage Site“, einer Stätte des kulturellen Erbes, begleitete er uns und unterhielt sich mit mir. Ich erzählte ihm von „Meine Südstadt“ und erklärte ihm das deutsche Rundfunksystem.
In der nächsten Ausgabe der „Platinum Gazette“ konnte ich zu meinem Erstaunen auf der Titelseite folgende Zeilen lesen: „‘The area [Der Tšate Heritage Site, Anm. d. Red.] has a very rich and interesting history and could attract lot of tourists should it be properly marketed. We have getting a large number of calls from our peers back home after sending them photos of this place. We also intend engaging Deutschland Funk which is a national radio station in Germany for an interview about the place’, said one of the volunteers, Wassily Nemitz, who is a journalist.” In Wahrheit hatte niemand von uns einen Anruf aus Deutschland dazu bekommen – und der Deutschlandfunk wird sicherlich kein Interview mit uns über diesen Ort führen.
Ähnlich ging es uns nach einem Interview mit einer Journalistin des „Steelburger“ – da wurde der deutsche Software-Konzern SAP auf einmal zu einer österreichischen Non-Profit-Organisation.
William selbst scheint mir genauer zu arbeiten – auch wenn er weiß, dass die Themen seiner Zeitungen eher oberflächlich sind: „Das, was die Leute hier lesen möchten, sind ganz persönliche, positive Dinge“. So gibt es in jeder Ausgabe Umfragen, Berichte über neue Einkaufspassagen oder Grillfeste.
Auf der Rückfahrt zu unserem Center vereinbare ich mit William, dass ich als freier Mitarbeiter für ihn arbeiten werde. Zwar bekomme ich kein Geld – aber schließlich bin ich auch als Freiwilliger hier. Für mich ergibt sich nun eine neue Situation – während ich mir bisher zumindest eingebildet habe, objektiv und kritisch zu berichten, mache ich hier eher PR für einzelne Projekte oder Personen. Als Erfahrung sicherlich nicht schlecht, trotzdem habe ich immer ein etwas schlechtes Gewissen.
Während wir über die Dust road zurück nach Kgautšwane brettern, hören wir im Radio „Jacaranda FM“. William spricht Englisch und Afrikaans, für ihn also der perfekte Sender: Eine klassische „80er, 90er und das beste von heute“-Hitwelle, die auf seinen beiden Muttersprachen sendet. Der in weiten Teilen Südafrikas zu hörende Sender ist sehr werbelastig und eine wirkliche Trennung zwischen Redaktionellem und Werbung gibt es nicht: „This very nice new song is brought to you by Toyota, which offers you now the new Corolla on a special price“ – so etwas hört man häufig von den Moderatoren.
Bei den Einheimischen hier vor Ort besonders beliebt ist „Thobela FM“, (Thobela = Guten Tag) – dort wird auf Sepedi gesendet, und fast dauerhaft gibt es Call-In-Sendungen. Morgens läuft ab und an traditionelle Musik; aber gerade nachts wird nur telefoniert. Ich selbst verstehe naturgemäß nicht, worum es geht, mir wurde jedoch berichtet, dass dort häufig nur über alltägliche Anliegen oder Probleme der Menschen gesprochen wird. Den Eindruck habe ich bei der Betrachtung der Medien hier grundsätzlich – offenbar gibt es ein großes Mitteilungsbedürfnis in der Bevölkerung. Internet und lokale TV-Sender gibt es größtenteils nicht, so müssen also die klassischen Medien Radio und Zeitung ran.
Genau diesen Nerv hat William mit seiner „Platinum Gazette“ offenbar getroffen, das Blatt mit seinen gerade einmal vier Jahren verzeichnet stetig steigende Auflagen. Kann er mit seiner Zeitung ausreichend Geld verdienen? „We won’t die, but we have to drive this small Suzuki!“, antwortet William und braust von dannen – zum nächsten Termin.
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