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Politik

Quartiersrundgang: Der steinige Weg zur Bürgerbeteiligung

Donnerstag, 30. Juni 2011 | Text: Wassily Nemitz | Bild: Wassily Nemitz

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Mitte Juni am Waidmarkt. Es ist charakteristisch für die derzeitige Situation am diesem Ort – ohrenbetäubender Lärm tönt vom Abriss des ehemaligen Polizei-Hochhauses herüber, Staubwolken werden durch den Wind aufgewirbelt und legen sich in einer dünnen Schicht auf geparkte Autos und ausgelegte Zeitungen am nahe gelegenen Kiosk; Umleitungsschilder, Absperrungen aller Art, gestapelte Container en masse und Provisorien wohin das Auge blickt. Dass sich hier freiwillig Menschen treffen, mutet schon fast wie ein Wunder an. Sie tun es trotzdem – etwa 25 mutige Bürgerinnen und Bürger wagen sich vor das Portal von St.Georg, der momentan wohl einzigen Oase in der Wüste am Kölner Waidmarkt. Sie tragen sich in eine Liste ein, bekommen bunte Zettel ausgehändigt und Stifte noch dazu. Was machen diese Leute da?

 

Wenn man nur zufällig zur Gruppe hinzustößt, man würde gar nicht verstehen, was genau dort abläuft. Denn es ist so laut, dass die Worte der „Gruppen-Anführerin“ vollkommen untergehen. Ein Mann im ockerfarbenen Outfit schlägt vor, in den Innenhof von Sankt Georg zu gehen. Wohltuende Ruhe – und die dubiose Gruppe stellt sich dem Nicht-Eingeweihten als zweiter Quartiersrundgang im Rahmen des Bürgerbeteiligungsverfahrens zur Neubebauung des ehemaligen Archiv-Geländes heraus.

 

Diese Menschen wollen die Wüste zunächst besichtigen, und dann beseitigen. Die vermeintliche Anführerin der Gruppe (in Wirklichkeit die städtische Stadtplanerin Kuhnle) stellt gerade das weitere Verfahren vor – nach diesem zweiten von insgesamt drei „Quartiersrundgängen“ wird es am Wochenende 15./16.Juli einen Workshop geben, in dem 80 ausgewählte Bürgerinnen und Bürger ihre Ideen zur Neugestaltung des Geländes einbringen und diskutieren können. Auf die ausgeteilten Karten sollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer während des Rundgangs ihre Fragen, Ideen und Meinungen notieren. 25 Menschen sind gekommen, darunter fünf angehende Kolleginnen und Kollegen von der Journalistenschule Köln, mehrere Mitglieder der Initiative „Köln kann auch anders“ und einige Anwohnerinnen und Anwohner.

 

Nach der Einführung in das weitere Vorgehen geht die Gruppe, begleitet von Frau Kuhnle, Andrea Pohlmann-Jochheim von der Volkshochschule, die das Verfahren durchführt, und zwei externen Moderatoren für den Workshop los. Erste Station ist „das Loch“ daselbst, Frau Kuhnle erläutert, dass es sich um das Einsturzloch handelt, und dann geht es auch schon weiter. An der Kaiserin-Augusta-Schule beginnt dann eine größere Debatte – darum, wo sich denn das eigens angefertigte Modell des Areals befinde. Der Mann im ockerfarbenen Outfit von vorhin stellt sich als Architekt heraus und fordert ein, das Modell vor dem Workshop einzusehen. Es sei eingelagert, erklärt Andrea Pohlmann-Jochheim und kann den engagierten Bürger damit nicht zufriedenstellen. „Wo denn?“, fragt er, „dann holen wir es eben da raus!“. Das ginge nicht, es sei halt eingelagert, erklärt sie. Erbost bezeichnet Monika Rainer, Mitglied bei „Köln kann auch anders“, dieses Verhalten als „erbärmlich“. Sie könne in keiner Weise nachvollziehen, warum es nicht möglich sei, das Modell vorher aus einem Lager zu holen. Einer der beiden externen Moderatoren schaltet sich ein und versucht, die Gemüter zu beruhigen. Es werde allen Fragen nachgegangen, da könne man sicher sein, kündigt er an.

 

Der eigentliche Grund für den Zwischenstopp an der Kaiserin-Augusta-Schule ist die geplante Erweiterung des Gymnasiums: Durch die sukzessive Einführung des gebundenen Ganztags werden zahlreiche neue Räume benötigt, darunter eine Dreifach-Sporthalle und ein pädagogisches Zentrum (Aula). Nach den bisherigen Planungen war für die Schulerweiterung unter anderem ein Teil des Einsturzgeländes vorgesehen. Durch das neu begonnene Bürgerbeteiligungsverfahren sind allerdings alle Planungen für die Erweiterung vorerst gestoppt worden. Die Mutter eines Schülers weist darauf hin, dass die Erweiterung dringend notwendig sei – derzeit diene eine Mischung aus Sporthalle und Aula als Veranstaltungsraum; der Raum könne aber beide Nutzungszwecke nicht wirklich erfüllen. Als Übergangslösung wurden auf dem Schulhof der Kaiserin-Augusta-Schule Container-Gebäude installiert.

 

Auch darüber soll auf dem Workshop diskutiert werden – allerdings wird auch über den Workshop an sich gestritten. Monika Rainer, kkaa-Mitglied, beschwert sich über die angesetzte Länge. Zweimal vier Stunden seien vollkommen unzureichend, befindet sie. Pohlmann-Jochheim und Kuhnle erklären: „Lassen Sie uns das Verfahren jetzt erst einmal gemeinsam angehen, notfalls kann man da bestimmt eine Stunde anhängen.“

 

An der Löwengasse erläutert Kuhnle, dass das derzeit unattraktiv gestaltete Gebiet zwischen Löwengasse/Severinstraße und Perlengraben im Wettbewerb keine Rolle spiele. Dafür werde ein weiterer Wettbewerb ausgeschrieben. Die ebenfalls an der Löwengasse befindliche Severinschule für Sehbehinderte werde derzeit saniert und wolle nicht aus den Räumlichkeiten ausziehen. Somit kommt das Gelände für eine Erweiterung der Kaiserin-Augusta-Schule nicht in Frage.

 

Und dann geht es auf den Rückweg – an der Einsturzstelle selbst findet dann eine Art Schlussrunde statt. Insbesondere die Mitglieder von „Köln kann auch anders“ melden sich zu Wort. Harmut Misgeld warnt vor möglichen Konsequenzen, sollte das Verfahren nicht so gestaltet werden, wie es sich die Bürger wünschen: „Wenn wir nicht genug beteiligt werden, gibt es am Ende Konfrontation!“ Also solle man lieber im Vorhinein einen Konsens finden, meint er. Andrea Pohlmann-Jochheims Antwort: „Lassen Sie uns das Verfahren gemeinsam angehen, das ist ganz wichtig!“ Und auch Monika Rainer meldet sich erneut zu Wort, sie weist erneut darauf hin, dass der Workshop viel zu kurz angesetzt sei. Sie als Seminarleiterin könne das gut beurteilen. Die lange Antwort im übertragenden Sinne: „Lassen Sie uns doch erst einmal das Verfahren gemeinsam angehen!“

 

Nach dem Ende der Begehung lädt die Stadt zu „Art+Bijou“ auf der Severinstraße, um dort gemeinsam mit den Moderatoren die bunten Zettel gemeinsam auf Papp-Wände zu kleben und die Fragestellungen für den Workshop herauszuarbeiten.

Die Mitglieder von „Köln kann auch anders“ sind nach der Veranstaltung nur begrenzt zufrieden: „Es ist super wichtig, dass solche Veranstaltungen stattfinden“, sagt Hartmut Misgeld, „sie sind auch gut organisiert“. Allerdings seien die meisten Fragen seitens der städtischen Vertreterinnen nur unzureichend beantwortet worden – wahrscheinlich ständen sie unter Druck von oben und dürften daher keine Zusagen machen. Für Inge Strieck, ebenfalls Mitglied bei „Köln kann auch anders“, ist es besonders ärgerlich, dass innerhalb der Stadt die Aufgaben vollkommen unverständlich verteilt seien. „Die arbeiten da vorsintflutlich und verständigen sich nicht untereinander“, behauptet sie. Das müsse dringend geändert werden.

In einer E-Mail an die Gruppenmitglieder erklärt Monika Rainer im Anschluss an die Veranstaltung, dass einer der beiden Moderatoren eingeräumt habe, dass es noch „keine konkreten Vorstellungen über den Ablauf des Workshops“ gebe. Außerdem sei er seiner Auffassung nach zu kurz angesetzt. Hartmut Misgeld sei inzwischen „skeptisch“ geworden, was die Absicht der Stadt angeht, „auf Augenhöhe mit den BürgerInnen zu reden oder sogar zu verhandeln“, schreibt er seinerseits in einer E-Mail.

 

Der Quartiersrundgang bestätigt wieder einmal das alte Sprichwort, gut gemeint sei das Gegenteil von gut gemacht. Die fachlich sehr kompetente Frau Kuhnle gab zwar  interessante Erläuterungen, aber leider nur sehr ausweichende Antworten. Der Quartiersrundgang hat nur in Ansätzen den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern gestärkt; die Idee mit den Karten war sicher gut und sinnvoll – aber eine mündliche Beantwortung von Fragen und nicht nur der permanente Verweis auf den Workshop wären sicher hilfreich gewesen. Die Erwartungen an den Workshop sind nun noch höher als zuvor – die Stadt muss jetzt zeigen, dass sie es wirklich ernst meint mit der Bürgerbeteiligung. Denn nur das wäre der richtige Schritt, das Vertrauen zurück zu gewinnen, das durch das Ereignis verloren ging, das zur Waidmarkt-Wüste von heute führte.

 

Der geplante Ablauf des Verfahrens: Am 15./16. Juli findet, voraussichtlich in der Kaiserin-Augusta-Schule, ein Workshop statt, zu dem 80 Bürgerinnen und Bürger im Vorhinein ausgewählt wurden. Die Ergebnisse fließen in eine Beschlussvorlage für den Stadtrat ein, der über die Neubebauung letzten Endes entscheidet. Anschließend wird ein Architektenwettbewerb ausgelobt, dessen Sieger durch eine Jury bestimmt wird. Der Wettbewerb ist hierbei in zwei Teile aufgeteilt: In einen Realisierungs-Wettbewerb und einen Ideen-Wettbewerb. In ersteren ist nur die unmittelbar betroffene Fläche inbegriffen, im Ideen-Wettbewerb darüber hinaus auch die weitere Umgebung. Eine Jury bestimmt den Sieger des Wettbewerbs; dies mündet in der Erstellung eines Bebauungsplans. Auch an dieser Stelle ist wieder eine Bürgerbeteiligung vorgesehen. Auf der Grundlage der Planungen wird die Bauleistung ausgeschrieben und dann folgt der Bau. Nach Schätzungen der Stadt werden die Bauaktivitäten nicht vor 2017 beginnen.

 

Der nächste Quartiers-Rundgang findet am kommenden Samstag, 2. Juli von 10-12 Uhr statt. Anmeldung unter 0221/ 221 – 93580

 

Weitere Informationen zu den Planungen:

www.stadt-koeln.de/4/stadtplanung/georgsviertel/

 

Text: Wassily Nemitz

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