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Kultur

Randmenschen auf der Suche nach einem Kompass

Dienstag, 12. November 2013 | Text: Stephan Martin Meyer | Bild: Taimas Ahangari

Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten

Die Bühne ist fast bis zur Decke mit Bierkästen voll gestellt. Die Türme scheinen bei der kleinsten Berührung zu schwanken, drohen alles unter sich zu begraben. Schmale Gänge, schwer einsehbar, bieten die einzige Möglichkeit, sich zwischen ihnen hindurch zu bewegen. So oder so ähnlich stellt sich das Leben für diejenigen dar, die in der Pubertät von Hormonen überschwemmt werden.

Dante, Kate und Ben leben hier. Jeder in seiner Welt, die geprägt ist von Unsicherheit und von Eltern, die wenig Zugang zu ihren halbwüchsigen Kindern haben. Dantes Vater säuft und prügelt, Kates Mutter lässt ihrer Tochter zwar alle Freiheiten, bietet ihr aber keinen Rahmen zu, Bens Vater ist Pastor und seine Eltern somit ganz auf den Herrn fokussiert. Da bleibt wenig Transparenz für unterschiedliche Generationen.

„Ich kann nicht schlafen“, sagt Dante zu Beginn. Dieser Gedanke zieht sich durch die ganze Aufführung. Dante träumt von Kate, will ihr näher kommen, weiß aber nicht, wie er das anstellen soll. Denn: Kate eilt der Ruf voraus, Striche zu machen. Einen Strich für jeden Jungen, den sie küsst, einen für jeden, mit dem sie schläft. Und Dante möchte kein Strich sein. Er will mehr.

Kate und Dante sind die besten Freunde, die sich alles erzählen, gemeinsam am See sitzen und feiern gehen. Nichts scheint sie auseinander zu bringen. Als Ben jedoch in diese Beziehung eindringt, gerät das scheinbar sichere Verhältnis ins Wanken: Kate liebt Ben, Ben liebt Dante und Dante liebt Kate. Und irgendwie auch umgekehrt. Wobei noch keiner von ihnen genau weiß, was Liebe wirklich bedeutet. Sie sind auf der Suche nach einer Orientierung, nach einem Kompass, der sie vor der ständig im Raum stehenden Überlegung, über den Rand zu springen, das Leben hinter sich zu lassen, beschützen soll.

 

Nach Motiven des gleichnamigen Romans von Felix Güßfeld erstellte dieser zusammen mit Philipp Lutz und René Schumacher eine Bühnenfassung, die von der Jungen Theatergemeinde Köln als Preisträger in der Sparte Nachwuchsregie ausgewählt wurde. Knappe Dialoge, reduzierte Sprache, kurze Szenen, die punktuell den Blick auf eine Person oder ein Ereignis richten. Am 30. Oktober hatte das Stück Premiere im Freien Werkstatt Theater.

Drei Figuren auf der Bühne, die sich umeinander drehen, sich näher kommen und sich immer wieder voneinander entfernen. Irgendwann konstatiert Kate, dass nicht nur das Alter Falten hinterlässt, sonder auch die Liebe. So entstehen Herzfalten. Und Kates Herz ist schon ziemlich faltig. Dabei sehnt sie sich eigentlich nach der großen Liebe. Vielleicht funktioniert das mit Dante? Oder mit Ben? Als sie diese beiden jedoch an ihrer Lieblingsstelle am See bei einem Kuss erwischt, bricht für sie die Welt zusammen. Was folgt, ist Mobbing, Flucht, Selbstmord. Dante bleibt allein zurück.

Die drei jungen Schauspieler trauen sich einiges auf der Bühne des FWT. Lukas Karlsch spielt den 17jährigen Dante überzeugend und transportiert mit viel Einfühlungsvermögen die Probleme einer mit ihrer Sexualität überforderten Generation, der die Orientierungspunkte und Vorbilder verloren gegangen sind. Elena Berthold steigert sich als Kate grandios in die Rolle der vordergründig sexsüchtigen, im Grunde aber nur liebesbedürftigen jungen Frau hinein, die ständig mit dem Tod spielt und diese Grenze am Ende überschreitet. Maximilian Gehrlinger torpediert eindrucksvoll als Ben die langjährige Freundschaft und die Figur findet sich im Verlauf des Stücks zwar selber, zieht allerdings die falschen Schlüsse daraus und flieht.

Herzfalten ist ein Stück ohne Happy-End. Eine klassische Dreiecksbeziehung, die dramatisch endet. Zugleich ist dies ein Beispiel für hervorragende Schaupielkunst der jungen Generation, die sich keiner entgehen lassen sollte.

 

Weitere Termine im Freies Werkstatt Theater

12./ 13. /14. November 2013, 20 Uhr
 

Text: Stephan Martin Meyer

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