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Lükes Liebes Leben

Rasende Christbäume – Lükes Liebes Leben

Mittwoch, 6. Januar 2016 | Text: Reinhard Lüke

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Entspannt rübergekommen? Oder WinterurIaub gebucht und irgendwo verzweifelt nach Schnee gesucht? Pech gehabt. Sah ja eher schlecht aus mit der weißen Pracht zum Jahreswechsel. Ich für meinen Teil hab´ die Tage tiefenentspannt daheim verbracht, Musik gehört und viel gelesen. Bücher, aber auch Wochenzeitungen, die irgendwie liegengeblieben waren. Darunter auch diverse SPIEGEL-Ausgaben. In einem Hohlspiegel fand ich dann diese Meldung aus dem „Offenburger Tagblatt“. „Unbeleuchtete Radfahrerin angefahren“, hieß es da. Liebe SPIEGEL-Redakteure: Hier handelt es sich keineswegs um die Fehlleistung eines schreibenden Kollegen aus dem Badischen. Schon klar, wie ihr das gemeint habt. Die Beleuchtung befinde sich schließlich am Rad und nicht an der Radfahrerin. Oder so. Aber seid versichert, dem ist nicht mehr so. Seit der massenhaften Verbreitung erschwinglicher LED-Lämpchen sind nicht nur die Drahtesel derart ausgestattet, dass man als Fußgänger von ihrem Licht geblendet wird, auch die Pedaleure selbst erstrahlen inzwischen an allen erdenklichen Körperteilen. Helme blinken bunt und munter vor sich hin und mittels praktischer Klettverschlüsse lassen sich auch an Armen und Beinen problemlos allerlei Leuchten befestigen. Selbst blinkende Räder und Pedale habe ich schon gesehen. Auf meinen morgendlichen Gängen am Rheinufer kommen mit derzeit jedenfalls regelmäßig ganze Heerscharen von rasenden Christbäumen entgegen. Denn erstaunlicherweise haben E-Bikes auch bei durchaus noch rüstigen Zeitgenossen reißenden Absatz gefunden, die nun entsprechend mit einem Affenzahn unterwegs sind. Wobei sich mir dieser Kamikaze-Fahrstil in innerstädtischen Gefilden nicht ganz erschließen will. Schließlich wird sich der freilaufende Dackel auch vom imposanten Lichterkranz an meinem Rad nicht davon abhalten lassen, im Zickzack über meinen Weg zu laufen. Mag sein, dass der aktuelle Beleuchtungswahn am Zweirad der Verkehrssicherheit dient, aber mich erinnert er eher an die 1980er Jahre, als es unter Autofahren total angesagt war, ihre Mittelklasse-Karossen mit zusätzlichen Bremsleuchten im Fond aufzurüsten.

Wo schwimmt Hubert?
Was mir am Rhein noch so aufgefallen ist: Die Binnenschifffahrt ist offenbar auch nicht mehr, was sie mal war. Nicht nur, dass die Autos der Bediensteten, die hinten auf den Schleppern geparkt sind, fast ausschließlich Länderkennzeichen osteuropäischer Nationen tragen, auch bei den Namen der Schiffe hat sich einiges verändert. Hörten sie früher auf Rita, Marianne, Tosca oder Carmen, begegne ich heute vornehmlich Schubverbänden, die Eiltank 14, Bitumen 23 oder Synthese 9 heißen. These und Antithese sind mir zwar noch nicht untergekommen, schippern aber womöglich zwischen Nordee und Schwarzem Meer auch irgendwo rum. Wird wohl mit dem Konzentrationswesen in der Schifffahrt zu tun haben, wo Familienbetriebe zunehmend von irgendwelchen Großreedereien abgelöst werden. Frachter mit Namen wie Wolfgang oder Hubert hat man indes auch früher nicht gesehen. Schon klar, auf den Kähnen stehen (Ehe-)Frauen nach wie vor allenfalls in der Kombüse, der Statistik nach müssten sich unter den Schiffseignern aber doch eigentlich auch gut zwei Prozent Schwule befinden. Aber die trauen sich bei der Schiffstaufe vermutlich nicht recht. Doch vielleicht ist mir die MS Hubert bislang auch rein zufällig noch nicht untergekommen. Wer sie sieht, möge mich bitte davon in Kenntnis setzen. Wär´ nett, ist aber auch nicht sooo wichtig.

Nazi am Arsch
Wichtiger ist mir Marcel Zech. Nie gehört, nie gesehen? Doch. Zumindest sein ausladendes Hinterteil. Das war vor Weihnachten in so ziemlich allen Zeitungen zu besichtigen. Ein Besucher des Oranienburger Spaßbades „Turm“ (Welch Name!) hatte ein Foto gemacht, weil Zech (27), unterwegs mit seinem kleinen Sohn, dort sein Tatoo öffentlich zu Markte trug, das über dem Eingangstor des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau den Spruch „Jedem das Seine“ zeigte, der einst zynisch das Portal des KZs Buchenwald zierte. Nachdem die brandenburgische Staatsanwaltschaft die öffentliche Zurschaustellung des Kunstwerks zunächst nicht für beanstandenswert gehalten hatte, bequemte sie sich schließlich doch zu Ermittlungen und ein Gericht verurteilte den bekennenden Vollpfosten kurz vor Weihnachten zu sechs Monaten Freiheitsstrafe. Auf Bewährung. Was heißt, dass der Familienvater Marcel Zech als gewählter Volksvertreter auch weiterhin für die NPD im Kreistag von Landkreises Barnim sitzen darf. So weit, so übel.
Dass ich dieses Foto aus dem Spaßbad nicht loswerde, hat aber vor allem damit zu tun, dass darauf das unsägliche Tatoo auf einer beachtlichen Fettwulst zu sehen ist, die dem Träger hinten aus dem Hosenbund quillt. Weil ich unbedingt wissen wollte, wie so ein Mensch in Gänze aussieht, hab´ ich mir Bilder vom Prozess angeschaut, die Zech grinsend auf der Anklagebank zeigen. Um es kurz zu machen: Der Rest passt zum Arsch. Zu neckischem Hintenschwänzchen und Ohrläppchen-Deko trägt der Typ auch noch einen Zauselbart, der offenbar partout nicht wirklich wachsen will. Kurzum, steckte man den Neo-Nazi Marcel Zech in irgendeine Kutte oder Camouflage-Uniform, könnte er auch problemlos als IS-Kämpfer durchgehen. Wann immer mir Bilder von deutschen Jungmännern unterkommen, die zu Gotteskriegern mutiert sind, sehen die zumindest exakt auch so aus: Verfettete Milchgesichter mit Zauselbärten. Ob das jetzt tröstlich oder eher beängstigend ist, wenn komplett rückwärts gewandte Männer mit einem IQ von 10 Metern Feldweg in Sachen Ästhetik eine gemeinsame Sprache sprechen, weiß ich auch nicht. Muss ich noch drüber nachdenken.

Text: Reinhard Lüke

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