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Lükes Liebes Leben

Rauchend beim Friseur

Montag, 18. Mai 2020 | Text: Reinhard Lüke

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Die Spielplätze dürfen wieder bespielt werden. Freut mich für Kinder und Eltern aber auch für die bedauernswerten Leergutsammler, die über Wochen in den dortigen Papierkörben vergeblich nach Verwertbarem gesucht haben. Ausgesprochen begrüßenswert finde ich überdies, dass man in den wieder eröffneten Friseursalons neuerdings rauchen darf. Zumindest im Wartezimmer. Denn das haben die meisten Haarschneider in diesen schönen Frühlingstagen kurzerhand nach draußen verlegt. Des gebotenen Mindestabstands wegen. So sieht man denn vor zahlreichen Etablissements Männer und Frauen lesend oder/und rauchend auf Stühlen hintereinander sitzen und auf Einlass warten. Sieht aus, als würden Erwachsene Schwäbsche Eisenbahn spielen. Hübsches Bild. Nachteil: Diese Open-Air-Warteräume machen die Trottoirs für den Rest der Bevölkerung nicht breiter.

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Aber wie meine Kollegin Judith rausgefunden hat, planen die GRÜNEN jetzt, wegen der Abstandswahrung auf schmalen Gehwegen alle 15 Meter einen Bereich einzurichten, in denen der Bürgersteig auf die Fahrbahn erweitert wird. Ein Raum zum Ausweichen, zum Überholen oder vielleicht gar um ein Schwätzchen zu halten oder sich die Schuhe zu binden. Feine Sache. Autofahrer kennen solche Areale. Heißen Nothaltebuchten. Vielleicht wäre aber auch schon viel damit getan, wenn man die fraglos darbenden Geschäftsleute auf der Severinstraße und anderswo animieren könnte, bis auf weiteres auf ihre „Kundenstopper“ genannten Werbe-Aufsteller auf den Gehwegen zu verzichten.

Sexspielzeug vor meiner Tür

Neulich fand sich eines Morgens plötzlich ein weißes Nachtschränkchen mit Schubladen auf dem Gehweg vor meinem Fenster. Kein Sammlerstück, eher ein Ikea-Modell von der Stange, wenn auch ohne nennenswerte Schäden. Vermutlich ein Fall der schlanken Sperrmüllentsorgung, die ja auch in der Südstadt immer beliebter wird. Immerhin hatte der Verursacher der kleinen Mülldeponie (Frauen tun sowas ja wohl nicht) auf den üblichen, dreist verlogenen Zettel „zu verschenken!“ verzichtet. Kaum ein Passant, der dem Objekt im Vorbeigehen keine Beachtung schenkte. Die meisten beäugten es nur, viele traten einen Schritt näher, um es von allen Seiten zu inspizieren, mache hoben es nur kurz an, um es dann doch stehen zu lassen oder trugen es ein, zwei Meter, bevor sie es, womöglich entkräftet, wieder abstellten. Aber jeder zweite Kölner, der bei dem Schränkchen Hand anlegte, zog nacheinander die vier Schubladen heraus, um deren Inhalt zu inspizieren.

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So weit ich das beurteilen kann, waren die von Beginn an allesamt leer. Wobei ich mich aber doch frage: Was in aller Welt hatten die Interessieren darin für Preziosen erwartet? Bargeld, Goldbarren, Brillis oder zumindest ein gut gekühltes Kölsch? Oder doch eher Bettlektüre, einen Vorratspack Kondome, einen Rosenkranz, Schlaftabletten oder gar Sexspielzeug? Was weiß ich, was die Südstädter in ihren Nachtkomden so lagern. Drei Tage und Nächte stand das Möbelchen da. Mal mit geöffneten, mal mit geschlossenen Laden. Als ich am Sonntag von einem (gesetzlich erlaubten!) Wochenendtrip zurückkam, war es verschwunden. Entweder hat sich eine motorisierte AWB-Patrouille seiner angenommen oder irgendein Mitbürger fand dann doch noch, es passe genau in seinen Einrichtungskonzept. Soll mit beides recht sein.

Bill Gates ist der neue Dietmar Hopp

An bedauernswerten Berufsgruppen herrscht in diesen Tagen ja nun wahrlich kein Mangel. Aber besonders hart dürfte es Comedians und vor allem die Kabarettisten treffen. Da fallen für sie seit Wochen sämtliche Einnahmen durch Auftritte weg und auf großzügige staatliche Unterstützung können sie als Freiberufler ohne nennenswerte Betriebskosten auch nicht hoffen. Und wenn sie dann irgendwann endlich wieder auftreten dürfen, können sie, anders als Musiker, ihre alten, im letzten Sommer geschriebenen Programme vermutlich in die Tonne treten. Denn bei aller Sehnsucht nach coronafreier Unterhaltung ist jedenfalls kaum vorstellbar, wie ein Kabarett-Abend ohne ausführliche Würdigung des Virus´ und seiner Begleiterscheinungen aussehen sollte. Immerhin: Unterhaltsamen Stoff geben diese Begleiterscheinungen ja derzeit reichlich her. Dass da ein irrlichternder Vegan-Papst, ein Schmuse-Pop-Sänger mit Draht zu Gott und ein geschasster Radiomoderator zu führenden Verschwörungstheoretikern mutieren, für die Bill Gates der neue Dietmar Hopp ist, muss einen nicht groß wundern. (Vermutlich steckt eh Apple dahinter.) 

Autonome in der Identitätskrise

Aber diese absurd zusammengesetzten Häuflein, die sich neuerdings auf Demos gegen die staatliche Drangsalierung durch Corona-Schutzmaßnahmen zur Wehr setzen möchten, sind doch allerliebst. Das Spektrum reicht offenbar von esoterisch Verstrahlten über AfD-Sympathisanten, kategorische Impfgegner, Dumpfbacken, die schon wieder behaupten, sie seien das Volk bis zu linken Gruppierungen, die vorm Überwachungsstaat warnen. Sollte mich nicht wundern, wenn auch meine Freunde von den Autonomen mit von der Partie wären. Ist aber auch nicht auszuschließen, dass die in der Schockstarre einer Identitätskrise verharren. Wenn plötzlich ein staatlich verordnetes Vermmungsgebot herrscht und die ureigene und ewig unter Strafe verbotene traditionelle Demo-Kleiderordnung plötzlich zur Volkstracht wird, hat man als Autonomer womöglich ein Problem. Mann kann ja schlecht vermummt gegen die Maskenpflicht protestieren. Aber vermutlich findet sich ja auch da noch eine Lösung.
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Text: Reinhard Lüke

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