Raus aus der Behinderten- und rein in die Schreiner-Werkstatt
Dienstag, 25. Oktober 2022 | Text: Judith Levold | Bild: Judith Levold
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
„Da hab ich rumgesessen und auf Arbeit gewartet. Und nix gelernt. Da hab ich dann gesagt: Nee, das kann ich nicht!“ So beschreibt Dominik, 21 Jahre alt, seine Erfahrung in einer Kölner Werkstatt für Menschen mit Behinderung.
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Meine Südstadtpartner
Ralph Ley – SteuerberaterDer junge Mann ist bei verschiedenen Familienmitgliedern aufgewachsen und hat an diversen Kölner Förderschulen im Bildungsgang geistige Behinderung sein Schülerleben verbracht. Zumeist führt eine solche Förderschule-„Karriere“ direkt in eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung.
Unterforderung ist Verbrechen
Dominik aber wollte sich damit nicht abfinden. Als er in einem TV-Beitrag vom mittendrin e.V. Projekt „Ausbildung mittendrin“ erfuhr, hat er sich mit seiner gesetzlichen Betreuerin sofort darum beworben.
„Ich verteufle keine Werkstatt, aber wenn da nur ein einziger unterfordert ist und nichts lernt, ist das ein Verbrechen“, findet Eva Thoms, 1. Vorsitzende des Kölner Inklusions- und Elternberatungsvereins mittendrin.
Coaching in der Berufsschule
Das Konzept zur dualen Ausbildung für junge Leute mit so genannter geistiger Behinderung hat maßgeblich sie entwickelt, im Frühjahr überreichte NRW-Arbeitsminister Karl Josef Laumann ihr dafür persönlich den Bewilligungsbescheid über die Förderung des Landes für das Vorhaben. Auch die EU fördert das Projekt, mit dem in den nächsten fünf Jahren pro Ausbildungsjahr acht junge Menschen mit Beeinträchtigung eine ganz „normale“ Ausbildung anfangen können. Bei allen Fragen rund um die Ausbildung oder bei Schwierigkeiten mit dem Berufsschulstoff coacht und unterstützt sie mittendrin e.V. und dessen Kooperationspartner ProjektRouter gGmbH.
Eine „richtige“ Ausbildung machen
Dominik ist in der Südstadt-Schreinerei Michel am Bonner Wall gelandet – und es war Liebe auf den ersten Blick. „Ich bin ein Typ, der gerne viel macht. Wir haben hier immer genug Arbeit und ich finde es toll, mit auf Montage zu gehen“, erzählt er, während er an einer Kellertür schraubt oder Rahmen für Türverglasungen annagelt.
Davon muss er viele machen; die Schreinerei arbeitet im Innenausbau für Genossenschaften und stattet manchmal viele Kellerverschläge damit aus. Heute ist Dominik deshalb nicht mit auf Montage gegangen. Seine Arbeit hier ist ein Langzeit-Praktikum, bezahlt, versteht sich, und wenn es weiter so gut läuft, fängt er hier eine Lehre an. „Das ist mir wichtig, eine richtige Ausbildung zu machen. Ich hab irgendwann gedacht, ich will Schreiner werden“, sagt er begeistert.
An Mathe-Schwäche arbeiten
Und dass ihm das gelingen wird, sieht gut aus, wenn man beobachtet, wie vertieft, wenn auch manchmal ein bisschen langsam, er seine Aufgaben erledigt. „Der Junge ist hochmotiviert und auch handwerklich geschickt“, sagt Mitarbeiter Björn Chen. Klar, man merke, dass nachmittags, so ab 14h die Konzentration nachlasse und mit Mathe habe er es nicht so, aber daran werde gearbeitet, klingt Chen zuversichtlich. Bald hat er die Ausbildereignungsprüfung hinter sich und dann kann es im Grunde losgehen.
„Da ist noch einiges an nachholender Bildung fällig, der Dominik hat auf den Förderschulen zum Beispiel einfach nicht rechnen gelernt, nur addieren und subtrahieren“, weiß Eva Thoms, die sich über sowas ärgert. Und auch darüber, wie Menschen wie Dominik fast automatisch in Werkstätten landen und keine Chance auf reguläre Ausbildung bekommen. „Die kommen ja aus der Grundsicherung nie raus“, fügt sie hinzu.
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in.form – Köln SüdstadtSo sehen das auch Sven und Sarah Carduck, die Inhaber der Schreinerei Michel. „Ich hab in den letzten Jahren einige Leute hier gehabt, die nicht von der Förderschule kamen, aber deutlich weniger motiviert waren.“ sagt Sven Carduck.
„Dem Handwerk fehlen die Leute und ich sehe da durchaus eine Chance, Mitarbeiter*nnen zu gewinnen, auch über das Ausbildungsprojekt“, findet er. Und seine Frau pflichtet ihm bei: „Als eine Kundin mich ansprach und von mittendrin e.V. erzählte, ob die sich mal melden dürften, habe ich gleich gesagt: Naklar! Und mit meinem Mann gesprochen und dann waren wir ziemlich sofort einverstanden.“
Chance auf Ausbildung
„Warum nicht?“ findet Sven Carduck. „Wir haben auch jemanden im nahen Umfeld, Familie fast, der zum Beispiel autistisch ist, da bin ich immer gut mit zurecht gekommen. Auch der Dominik macht sich gut. Wenn alle so engagiert wären… Und ich finde es einfach richtig, ihm eine Chance auf Ausbildung zu geben.“
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