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Gesellschaft

Rechts-rheinisch wird Links-rheinisch

Montag, 26. Oktober 2015 | Text: Nora Koldehoff | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Es waren gemischte Gefühle, mit denen sich die Gruppe Südstädter am Sonntagmittag vom Chlodwigplatz auf den Weg nach Deutz machte. Immer wieder war in den vergangenen Tagen in den Medien darauf hingewiesen worden, dass die Hooligans und Rechtsextremisten, die dort erneut das Abendland retten wollten, äußerst gewaltbereit seien. Auch in der Südstadt hielt das aber viele nicht davon ab, für ein anderes, ein offenes, ein buntes Köln zu demonstrieren und jene, die ein verschlossenes, ein braunes Köln wollen, auch diesmal friedlich in die Schranken zu weisen. „Die Hemmschwelle, sich auf den Weg zu einer Demo zu machen, ist nicht mehr so hoch, wenn man sich gemeinsam auf den Weg macht“, erklärt Daniel Rabe, Inhaber des Restaurants ‚Bagatelle‘ und einer der Initiatoren von „Kölner Kneipen und Vereine gegen Hogesa“, die Idee dieses Zusammenschlusses. Zahlreiche Gaststätten und Vereinen aus der Südstadt hatten ziemlich spontan beschlossen, sich  zunächst im eigenen Veedel zu treffen, um dann vom Chlodwigplatz aus zusammen mit anderen Engagierten zur Großdemonstration am Deutzer Bahnhof zu gehen. Die Idee ging auf: Rund 300 Männer und Frauen, Jugendliche und Kinder waren es schließlich, die um halb eins, eskortiert von Plizei,  die Deutzer Brücke überquerten.

Ziel der für Deutz angekündigten Hogesa-Demonstration war die Neuauflage der Demo von vor einem Jahr, bei der rund 5.000 Hooligans und Neonazis hinter dem Hauptbahnhof rechtsradikale Parolen brüllten und randalierten. Die Polizei hatte sich damals schlicht überrennen lassen. In diesem Jahr wollte man sich nicht erneut blamieren, gab deshalb den innerstädtischen Breslauer Platz nicht frei und schickte die Rechtsradikalen aus Sicherheitsgründen zum Barmer Platz in Deutz – schließlich wollten sich dort am Nachmittag, nach ihrem peinlich gescheiterten ersten Versuch vom vergangenen Januar, auch die Hassbürger von „Kögida“ versammeln. Der Versuch, durch eine Kögida-Kundgebung am Heumarkt eine Innenstadtveranstaltung zu initiieren, der sich unter Umständen auch wieder Hogesa-Anhänger anschließen würden, scheiterte – auch sie sollten sich am Barmer Platz versammeln. Kögida beschloss darum, diesmal erst gar keine eigene Kundgebung zu versuchen, sondern integrierten sich in die Hogesaversammlung. Die Bündnisse, die zu einer großangelegten Gegendemonstration aufgerufen hatten – darunter die Organisatoren des „Birlikte“-Kulturfestivals gegen Fremdenhass – folgten der Entscheidung ebenfalls und verlegten auch ihre Veranstaltungen nach Deutz. Dort allerdings begann der Aufmarsch der Rechten nicht nur mit deutlicher Verspätung: Die selbsternannten Vaterlandsverteidiger schafften es lange nicht, die mit der Polizei vereinbarten 50 Ordner, die weder vorbestraft, noch alkoholisiert sein durften, zusammenzubekommen. Mit knapp 1.000 Hooligans waren auch deutlich weniger Rechte gekommen, als die Veranstalter gehofft hatten. Als einige von ihnen die Kundgebung vorzeitig verließen, kommentierte dies ein Redner von der Bühne, enttäuscht von seinen Gefolgsleuten, mit  „Ich finde das schade, ich finde das respektlos.“  

 

Auf dem Ottoplatz vor dem Deutzer Bahnhof dagegen versammelten sich etwa

15. 000 Menschen, um ein deutliches Gegenzeichen zu setzen. Dort blieb die Stimmung bis zum Schluss friedlich und entspannt. Auf der Kundgebungsbühne wechselten sich Wortbeiträge mit Musik ab. Unter anderem spielten Brings, Cat Ballou, Höhner, Erdmöbel, HopStopBanda und das Stunksitzungsensemble.
Der 90jährige Liedermacher Ludwig Sebus erzählte aus der Zeit im Nachkriegs-Köln mit Tausenden von Flüchtlingen und warb für Menschlichkeit.
In weiteren Beiträgen von Wilfried Schmickler, Fatih Çevikkollu, Pfarrer Meurer und Mitgliedern der Veranstalter-Bündnisse wurde dem Hass auf Fremde eine Absage erteilt und daran erinnert, dass, aktuell sichtbar durch das Attentat auf Henriette Reker, rechtspopulistische Polemik nicht nur Ängste schürt, wo konstruktive Hilfe gebraucht wird, sondern auch zu konkreter Gewalt führt. Immer wieder baten die Veranstalter darum, dass die Demonstrationen von linker Seite aus friedlich bleiben. Zum allergrößten Teil gelang das auch.

Etwas empfindlicher gestaltete sich die „Pufferzone“ in der Nähe des Stadthauses, in der die Polizei einen Sicherheitsabstand zwischen den verschiedenen Demonstrationsgruppen sicherzustellen hatte – und wo sie auch mit Wasserwerfern präsent war. Doch auch dort blieb die Stimmung zunächst größtenteils friedlich. Jugendliche Demonstranten schossen Selfies von sich und den Wasserwerfern, oder wuschen sich das Gesicht mit dem herauströpfelnden Wasser. Auch unter der Eisenbahnbrücke an der L 188 in Richtung Messe, die einen der Zugänge zum Versammlungsort der Hogesa-Kundgebung bildete, war die Atmosphäre überwiegend entspannt. Vor der abriegelnden Polizistenkette stand eine Gruppe von Demonstranten mit Transparent, dahinter lose Grüppchen weiterer Teilnehmer. Eine vorgelagerte Menschenkette wollte den Durchgang zur Hogesa-Kundgebung auf diesem Weg auf friedliche Weise blockieren. Als die Polizisten ihre Helme abnahm, wurde diese Geste der Deeskalation mit Applaus quittiert.

 

Die Stimmung dort kippte, als ein Passant zunächst die Menschenkette mit dem Hinweis durchqueren wollte, dass er durchgelassen werden wolle – offenbar zum Barmer Platz. Der Bitte der Blockierer, einen anderen Weg zu nutzen, außen herum und nicht mitten durch die Gegendemonstration zu gehen, wollte er nicht nachkommen. Nachdem ein gewaltsames Durchbrechen der Kette nicht funktionierte, schubste er schlug er um sich – und war schnell von Sprechchören umringt, die ihn zum Gehen aufforderten. Als es zum Handgemenge mit Mitgliedern der Antifa kam, setzte die Polizei doch den Wasserwerfer ein, und eine weitere Polizistenkette riegelte den Bereich von hinten ab. Hände wurden erhoben und die Menge rief in Chören „Wir sind friedlich – was seid Ihr?“ Noch immer bestand der Großteil der Anwesenden aus Demonstranten, die kein Interesse an gewalttätigen Auseinandersetzungen hatte, und die Stimmung entspannte sich wieder.

Zwei Sanitäter verneinten die Frage, ob sie sich bewusst in der Nähe des „schwarzen Blocks“ aufhielten, weil sie dort mögliche Verletzte erwarten würden: Sie hätten nicht vor, sich in die gewalttätige Auseinandersetzungen zu stürzen, wollten aber beide gern Präsenz zeigen.  „Wir sind aber eigentlich heute gar keine offiziellen Sanis“, erzählt einer von ihnen. „Wir arbeiten in einer Klinik und sind nur aus privatem Interesse hier, machen uns aber als Helfer wegen unseres Berufes erkennbar.“
 
Doch es ging nicht nur ruhig zu in Deutz, das an diesem Sonntagnachmittag deutlich mehr links als rechts (-rheinisch) war: Immer wieder versuchten gewaltbereite Demonstranten aus beiden Lagern, die auf eine handgreifliche Auseinandersetzung aus waren, zueinander zu gelangen. In einem gestürmten Café flogen Stühle, und auch im Auenweg gab es Ausschreitungen mit Linken. Die Rempeleien hielten an, bis abends, als Mitglieder beider Gruppen an der Domplatte und am Hauptbahnhof wieder aufeinander trafen. Doch die gewalttätigen Auseinandersetzungen, die zeitweise zur Sperrung des Bahnhofs führten, konnte die Polizei auflösen. Sie begleitete einzelne Rechtsradikale bis in deren Züge.

 

Den etwa 1.000 Teilnehmern der Hogesa-Kundgebung standen gut 15.000 Gegendemonstranten gegenüber. Mit nur 21 leicht Verletzten unter Demonstranten und Beamten sowie Krawallen nur kleineren Ausmaßes und 38 Festnahmen fällt die Bilanz der Polizei deutlich besser aus als bei der Randale im vergangenen Jahr. 
 

Text: Nora Koldehoff

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