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Bildung & Erziehung

Reden lernen in der Grundschule

Dienstag, 25. Juni 2019 | Text: Susanne Wächter | Bild: cologne Toastmasters

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Die Hände werden feucht und zitterig, die Röte steigt in den Kopf. Viele Menschen haben Angst davor, vor einer größeren Gruppe zu reden. Der Autorin dieses Textes geht es oft nicht anders. Auf der Bühnen stehen und über irgendwas reden? Hier? Jetzt? Über was nur? Gut im Job lässt sich das kaum vermeiden, etwa in Meetings oder bei Präsentationen vor mehr als einer Person zu reden. Und da ist es auch ok. Aber bei diesem Clubabend, an dem einer am Abend das Losungswort des Abends ausgibt und auch das Thema erst kurz vorher bekannt gegeben wird?

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Die gute Nachricht: Reden kann man lernen. Und hier bei den etwa 25 Anwesenden an diesem Abend sieht es jeder jedem nach, wenn der Redner ins Stocken gerät, ehrlich ist und zugibt, dass das für ihn jetzt eine ganz unentspannte Situation ist. Toastmasters nennt sich die Gruppe, die sich jede Woche Dienstag in der Grundschule Mainzer Straße trifft. Sie gehört zu der weltweiten Gruppierung Toastmaster International. Dabei handelt es sich um eine nichtkommerzielle Bildungsorganisation, die ihren Mitgliedern ein Traningsprogramm zur Verbesserung der Kommunikations- und Führungsfähigkeit anbietet. Mittlerweile haben sich drei weitere Kölner Gruppen unter dem Dach der Toastmasters gegründet. Die „Rheinredner“, die „Sprechbar“ und die „Advanced Toastmasters“. Die Cologne Toastmasters sind die älteste Gruppierung in Köln. Sie existieren seit 2001.

Eine positive Lernumgebung schaffen

Egal wie sie sich nennen, ihr Ziel ist dasselbe: Ein Redetraining für jeden anbieten, um die Scheu vor dem Sprechen in kleinem und großem Kreis zu überwinden und grundlegende Fertigkeiten der öffentlichen Rede zu erarbeiten. „Die Mission eines Toastmasters-Clubs ist, eine gegenseitig unterstützende und positive Lernumgebung zu schaffen, in der jedes einzelne Mitglied die Möglichkeit hat, Kommunikations- und Führungsqualitäten zu entwickeln, die wiederum Selbstvertrauen und persönliches Wachstum fördern“, so steht es auf der Webseite der Cologne Toastmasters. Und es ist keine graue Theorie, wie der Besuch des Clubabends zeigte.

Die kleine Aula der Grundschule an der Mainzer Straße bietet den Rednern nicht nur sprichwörtlich eine kleine Bühne. Jeder Redner steht tatsächlich auf einer solchen. Jeden Dienstagabend. Immer zwischen 20 und 22 Uhr. Der Abend ist exakt durchgetaktet. „Das ist nötig, sonst würden wir hier wahrscheinlich immer bis Mitternacht sitzen“, sagt Gunnar Harms.

Es gibt viele Regeln

Alle duzen sich, das schafft eine entspannte und lockere Atmosphäre. Peter ist der Time-Keeper des Abends. Eine Stoppuhr und ein kleiner Ordner mit verschiedenfarbigen Blättern steht vor ihm. Die Farben signalisieren den Rednern, ob sie im vorgegebenen Zeitrahmen sprechen. Legt Peter die grüne Seite um, ist die Mindestsprechzeit erreicht, bei Rot, wird es Zeit zum Ende zu kommen und wer die schwarze Karte erhält, nimmt an der anschließenden Wahl zum besten Redner nicht teil. Es gibt viele Regeln bei den Toastmasters. Und viele Aufgabenverteilungen für die Mitglieder. Klingt streng, ist es aber nicht. Der Rahmen ist locker, die Atmosphäre entspannt, der Umgang miteinander wertschätzend. Nach jeder Rede brandet Applaus auf. Später wird bewertet. Konstruktiv, wohlwollend und motivierend. Niemand wird in die Pfanne gehauen, jeder zeigt gute Ansätze, die es zu unterstützen gilt.

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Um 20 Uhr geht es los. 25 Mitglieder und Gäste sind gekommen. Claudius sprintet mit lockeren Schritten auf die Bühne. Claudius ist der Toastmaster des Abends. Er leitet durch das Programm, begrüßt die Mitglieder und führt in das Thema des Abends ein. Dieses Mal lautete es: „Die Lockerheit macht’s“. Ein Thema, das sich wie ein roter Faden durch den Abend ziehen wird. Ebenso das Wort des Abends, das dieses Mal etwas sperrig wirkt. Es lautet „handhabbar“ und soll möglichst geschickt in den Reden verarbeitet werden. Wer also all dies in seinen spontanen oder vorbereiteten Reden gut unterbringt, hat Chancen auf eine Auszeichnung, die ihn als besten Redner in den verschiedenen Kategorien ausweist.

Dreimal schnuppern ist möglich

Aufmerksam aber auch ein wenig nervös sitzt Gitty neben mir in der letzten Stuhlreihe. Die junge Frau gehört zu den Gästen an diesem Abend. Jeder kann vorbeikommen, mit oder ohne Voranmeldung. Dreimal ist reinschnuppern möglich, danach sollte die Entscheidung für oder gegen eine Mitgliedschaft gefallen sein. Teuer ist die Clubaufnahme nicht. 75 Euro für ein Halbjahr, Studenten und Auszubildende zahlen 63 Euro. Dafür profitieren die Mitglieder vom ausgefeilten Fortbildungsprogramm, vom wöchentlichen Prozedere den Clubabend zu gestalten, Reden zu schwingen und ein unmittelbares Feedback zu erhalten.

Neue lernen von „alten Hasen“

Neu ist es, dass sich jedes Mitglied einen Schwerpunkt aussuchen kann, woran er gerne feilen möchte. Dazu gibt es seit letztem Jahr das Pathways Programm. Denn auch ein Toastmaster spricht in der Regel nicht ausschließlich aus Spaß an der Freud. Er hat immer auch ein Ziel. Sei es im Geschäftsleben ein starker Redner oder eine bessere Führungskraft zu werden, die alle anderen mitreißt, immer das beste herauszuholen oder auf der nächsten großen Feier die Gäste zu begeistern. Dabei lernen neue Mitglieder immer von den „alten Hasen“ wie in einem Mentoring-Programm.

Botschaften besser übermitteln

Die Mitglieder der Cologne Toastmasters kommen aus völlig unterschiedlichen Berufssparten. „Zu uns kommen Lehrer, Coaches, Ingenieure, Studenten oder Auszubildende“, erklärt Gunnar Harms. Wer lange genug dabei bleibt, kann verschiedene Stufen durchlaufen und später zu den Advanced Toastmasters, den fortgeschrittenen Rednern, aufsteigen. Eine Option, kein Muss. Nach einer ersten warm-up-Phase folgen die vorbereiteten Reden. Im Anschluss werden spontan vier Redner auf die Bühne geholt, um mindestens eine Minute, längstens zwei Minuten eine Stegreifrede zu halten. Gerne werden dazu die Gäste auf die Bühne gebeten, so wie Gitty. An mir geht der Kelch an diesem Abend vorüber. Gott sei dank. Mit gemischten Gefühlen geht Gitty hoch und erzählt erstaunlich locker, warum sie hergekommen ist. Ein Auftritt, der ihr am Ende das Zertifikat der besten Stegreifrede des Abends beschert. Gitty lacht erleichert. „Hat man nicht gemerkt, dass ich aufgeregt war?“, fragt sie. „Überhaupt nicht“, bescheinige ich ihr. Froh selbst nicht dort gestanden zu haben.

Nach den Reden spenden die Toastmasters üppigen Applaus. Das spornt an. Auch wer am Anfang noch ein wenig unsicher ist, wird mit der Zeit routinierter. Reden lerne man eben durch Reden, wie Thomas Quink sagt. Quink ist seit gut zwei Jahren bei den Toastmasters. Klasse findet er, dass man sich auf der Bühne ausprobieren kann. Das kann auch mal etwas ganz Neues sein. Quink ist Trainer und Coach und die Toastmasters für ihn eine wunderbare Testbühne. Und wer sich als Führungskraft bewähren will, übernimmt innerhalb der Cluborganisation verschiedene Aufgaben, etwa die des Area Directors, der die verschiedenen Clubs unter dem verbindenden Dach der Toastmasterorganisation zusammenführt. So gibt es auch einen Austausch untereinander, Wettbewerbe und regelmäßige Treffen.

Ein Bildungsprogramm in lockerer Runde

Das Bildungsprogramm der Toastmasters ist nach persönlichen Zielen aufgebaut. An fünf Kernkompetenzen können die Mitglieder je nach Ziel feilen. Dazu gehören das öffentliche Sprechen, die zwischenmenschliche Kommunikation, die strategische Führung, Management und Vertrauen. Dabei kann sich jeder soviel Zeit lassen wie er benötigt, es gibt keinen Zwang, kein Muss, das gesamte Programm ist auf Freiwilligkeit aufgebaut. Und wer nebenbei auch an seinem Englisch feilen will: An jedem letzten Dienstag im Monat reden die Toastmasters ausschließlich Englisch.

Routine macht den Unterschied

Gitty überlegt wiederzukommen. Diana auch. Anderthalb Jahre lang besuchte die Projektleiterin die Clubabende regelmäßig. Stieg dann wegen ihres Dualen Studiums und fehlender Zeit aus, ist sich aber nach ihrem Gastspiel sicher, wieder regelmäßig einzusteigen. „Hier kann ich die Routine im Reden und Präsentieren erhalten, die ich für meinen Job benötige“, sagt sie und wirkt dabei sehr überzeugend.

Text: Susanne Wächter

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