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Bildung & Erziehung Politik

Richtig und wichtig

Dienstag, 22. Dezember 2015 | Text: Aslı Güleryüz | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

…dass neu in Deutschland ankommende Menschen als erstes die Sprache lernen. Dies geschieht besonders in den Kursen, die in aller Munde sind: Den Integrationskursen. Wer darf wann daran teilnehmen? Was lernt man da eigentlich? Und wer erteilt diese Kurse? Seit genau 10 Jahren gibt es in Deutschland Integrationskurse. Meine Südstadt hat sich mit einer Expertin zum Thema getroffen.

In der Sechtemer Straße in Raderberg -zwischen Großmarkthalle und Bonner Straße versteckt- liegt die Sprachschule „SprachHaus“. In der ersten Etage eines Mehrfamilienhauses. Ein Gewusel von Menschen und Stimmen. Hier kennt man sich – die Menschen begegnen sich freundlich, zugewandt und persönlich.
Neben den hellen, einladenden Schulungsräumen gibt es auch eine Küche, die von Lehrern und KursteilnehmerInnen gemeinschaftlich genutzt wird und zum Verweilen einlädt. SchülerInnen, LehrerInnen und FortbildungsteilnehmerInnen, Gäste und EhrenamtlerInnen kommen so leicht miteinander in Kontakt und ins Gespräch. Das SprachHaus ist eine Begegnungsstätte, in der Integration tatsächlich passiert, nicht nur im Unterricht. Seit Auflage der Integrationskurse 2005 ist Heike Sakowski, die Inhaberin des „SprachHaus“, mit dabei – Happy Birthday!

Ich besuche selbst mal einen Integrationskurs hier. Mit 6 SchülerInnen und Kursleiter Thomas sitze ich in einem hellen Kursraum. Fünf der KursteilnehmerInnen fehlen heute, erfahre ich. Die anwesenden sechs schauen mich neugierig an.
„Wir sind bei den Bundesländern. Wir waren bei Bayern stehen geblieben. Was verbindet ihr mit Bayern?“ fragt Thomas. Die Antworten fliegen durch den Raum: „F.C. Bayern“, „Das Fest mit dem Bier – Oktoberfest“, „Schloss“, „Seen“, „Konservativ“, „Reich“.
Rasoul kennt sich aus! Es sprudelt aus dem 30-jährigen Iraner in sehr gutem Deutsch: „Ich war schon in Bayern. Ich habe mal eine 10-tägige Rundreise durch Deutschland gemacht. Es war schön in Bayern“.
Berlin ist an der Reihe. „Was assoziiert ihr mit Berlin?“. „Diese Einkaufsstraße im Osten, hinter dem Brandenburger Tor – Unter den Linden“, „Olympisches Stadion“, „Der Hauptbahnhof ist sehr groß und sehr sauber“, „Es ist die Hauptstadt von Deutschland“, „Es ist ein Stadtstaat“.
Und dann kommt Bremen. Der 33-jährige Otabek gibt zum großen Amüsement aller Anwesenden eine neue Version der „Bremer Stadtmusikanten“ zum Besten. Es kommen eine faule Prinzessin und ein dickbäuchiger, arbeitsloser Musiker vor. Es endet mit einer Hochzeit. Alle lachen über die Otabeksche Version des Märchens.
Ich bin überrascht, wie gut die erwachsenen SchülerInnen schon Deutsch sprechen und wie gut sie sich schon in Deutschland auskennen.  

Das liegt auch an der jahrelangen Erfahrung von SprachHaus-Chefin Heike Sakowski und dem Werdegang der Integrationskurse. Ich spreche mit ihr. Sie sitzt im Teamraum und streicht sich eine Strähne aus dem Gesicht: „In den 90er Jahren gab es die Deutschkurse nach dem Sprachverband. Das war das Vorläufermodell der Integrationskurse. Ab 2001/2002 liefen dann Modellprojekte für die Integrationskurse vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BaMF). Dies waren auch die Anfänge vom SprachHaus. In den Anfangsjahren hatte ich Räume im Bürgerhaus Stollwerck für das SprachHaus gemietet. Später sind wir dann hierher in eigene Räumlichkeiten gezogen“, erinnert sie sich.

Die meisten IntegrationskursteilnehmerInnen sind jene Einwanderer, die zumeist schon einen festen Aufenthaltstitel in Deutschland haben. Sie beteiligen sich mit 1,20 Euro pro Stunde an den Kursgebühren, den Rest zahlt das Bundesamt. KölnPass-InhaberInnen oder LeistungsbezieherInnen haben sogar die Möglichkeit, sich von den Kosten befreien zu lassen.
Kurse gibt es für die ganz unterschiedlichen Bedürfnisse der Einwanderer: Es gibt Kurse speziell für Frauen, Eltern, Jugendliche, für Teilnehmer, die beim Lernen langsamer sind, bei denen sich Fehler schon eingeschlichen und verfestigt haben oder die überhaupt erstmal alphabetisiert werden, sprich Lesen & Schreiben von Grund auf lernen müssen, angeboten. 600 bzw. 900 Stunden Unterricht bekommen die Neu-Kölner, um das B1-Niveau (die erste Stufe der selbständigen Sprachverwendung nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen) zu erreichen. Sollte das nicht gelingen, können weitere 300 Unterrichtsstunden beantragt werden.

Heike Sakowski hat einen Wandel bezüglich ihrer SchülerInnen beobachtet. Früher seien zumeist Migranten gekommen, die bereits länger in Deutschland lebten, heute eher jüngere und neu zugewanderte Menschen. „Früher gab es auch die Möglichkeit, Kinderbetreuung anzubieten, was von unseren TeilnehmerInnen auch sehr gern wahrgenommen wurde und heute leider ganz ohne finanzielle Unterstützung organisiert werden muss.“ sagt sie. Gleich geblieben sei aber, dass sich in ihren Kursen die Welt treffe: „Menschen aus Indien, Spanien, der Türkei, dem Iran, Polen, dem Kongo, Brasilien, Eritrea, Syrien, Argentinien, Ghana, Afghanistan, dem Irak, den ehemaligen Sowjetrepubliken und und und – die Liste könnte noch endlos fortgesetzt werden“ erklärt sie.

Ja, das kann ich nur bestätigen. In dem Kurs, den ich besucht habe, habe ich Rasoul aus dem Iran, Ahmed aus Nigeria, Ramona aus Rumänien und Otabek aus Russland kennengelernt. Sie alle sind jung und Akademiker: Rasoul ist Chemie-Ingenieur, der 31-jährige Ahmed ist Journalist, Otabek Jurist.

Es ist nicht immer leicht, Einwanderer überhaupt zu erreichen und ihnen von der Möglichkeit der Teilnahme an einem Integrationskurs zu erzählen. Da hat sich Heike Sakowski etwas einfallen lassen: „Wir sind Kooperationen mit Frühförderzentren, Familienzentren und Schulen eingegangen, um die Menschen direkt da zu erreichen, wo ihre sprachlichen Mittel nicht ausreichen, um gesellschaftlich teilzuhaben. Die regelmäßige Teilnahme an einem Kurs schafft neben dem Plus an möglicher sprachlicher Verständigung eine Struktur im Alltag, was für viele eine große Hilfe ist. Auch die Akzeptanz in der Gruppe und das familiäre Miteinander lassen unsere TeilnehmerInnen besser in Deutschland ankommen und vielleicht auch das eine oder andere Vorurteil abbauen.“ ergänzt Sakowski.

Das merke ich auch im Kurs. Die TeilnehmerInnen sind zusammengewachsen. Sie sehen sich fast täglich und sind inzwischen befreundet. Sie kennen und verstehen sich gut. Es herrscht eine entspannte und freundliche Atmosphäre im Kurs.

Als ein neues Ausländergesetz verabschiedet wurde, das unmittelbar Konsequenzen für den Familiennachzug hatte, hat sich das im SprachHaus bemerkbar gemacht: „Dadurch haben sich verstärkt KursteilnehmerInnen angemeldet, die bereits Vorkenntnisse im Heimatland erworben hatten“, erklärt Heike.
Auch die 26-jährige Ramona ist so nach Köln gekommen: „Ich bin seit 11 Monaten in Deutschland. Mein Mann wohnt schon länger in Köln. In meiner Heimat war ich Kindergärtnerin. Seit März besuche ich den Kurs. Es ist schwierig, Deutsch zu lernen,“ sagt sie, die schon Englisch und Spanisch gelernt hat.

Wie die Kurse inhaltlich gestaltet seien, frage ich Heike Sakowski.
„Wir sind begeistert! Das Konzept ist modern, kommunikativ und handlungsorientiert. Wir haben unterstützend ein Rahmencurriculum für Integrationskurse zur Verfügung, in dem 12 Handlungsfelder benannt werden. Darin geht es um Alltagsthemen, die sprachlich bewältigt werden müssen, so finden sich Themen wie Einkauf, Betreuung und Ausbildung der Kinder, Ämter und Behörden, Gesundheit etc.“ Die Einwanderer erhalten also als erstes die nötigen sprachlichen Vokabeln, um sich beim Einkauf, auf dem Amt, beim Arzt und in Kindergarten und Schule behaupten zu können.

Während meiner „Schnupperstunde“ lernen die KursteilnehmerInnen die Bundesländer kennen. Ramona gefallen die Inhalte des Kurses: „Ich habe viel gelernt über die Geschichte Deutschlands, DDR und BRD, Religion, Leute, Essen, Parlament und viele Vokabeln. Sehr lange Worte gibt es im Deutschen“.

Sieht Heike irgendwo Änderungs- oder Verbesserungsbedarf die Kurse betreffend?
„Am liebsten hätte ich, dass alle Migranten kostenfrei oder mit minimalen Kosten daran teilnehmen könnten. Die Zusatzqualifikation für die Kursleiter in Integrationskursen, die wir hier sehr erfolgreich durchführen, ist super. Aber sie findet nur einmalig statt. In der Praxis sieht es so aus, dass die Kursleiter häufig nur an dieser einen Fortbildung teilnehmen. Wir reden alle von lebenslangem Lernen und haben zu wenige, unseren Berufsalltag begleitende Angebote. Zudem ist die Beschäftigungssituation für die Lehrkräfte nicht unbedingt ideal. Gern hätten wir alle mehr Planungssicherheit und würden gern mehr feste Stellen schaffen, als vorwiegend mit Freiberuflern zusammen zu arbeiten.“ antwortet sie.

Also, kompetente sprachliche Förderung, regelmäßige Lehrerfortbildungen und mehr sozialpädagogisch geschultes Personal sind wünschenswert.

Zum zehnten Geburtstag und gerade um neu zugezogenen Flüchtlingen eine rasche Teilnahme an den Kursen zu ermöglichen, gab es viele Veränderungen rund um die Teilnahme an Integrationskursen berichtet Sakowski: „Es gibt Einstiegskurse, die von der Agentur für Arbeit für Syrer, Iraner, Iraker und Eritreer finanziert werden und für dieselben Nationalitäten sind die Zugangsbedingungen zum Integrationskurs gelockert worden, so dass sie schon mit einer Aufenthaltsgestattung am Kurs teilnehmen können. Schön wäre es, wenn das auf andere Länder ausgeweitet werden könnte. Unser Kursprogramm weitet sich aus und dafür brauchen wir derzeit auch weitere Räumlichkeiten, KursleiterInnen und SprachbegleiterInnen.“

 

Text: Aslı Güleryüz

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