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Kolumne

Rindfleisch schallt des namens Rauch…

Montag, 21. Mai 2012 | Text: Kathrin Rindfleisch

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Was war das für ein Riesenthema: nicht genug damit, dass man sich entschieden hat, Verantwortung für ein anderes Leben zu übernehmen, und zwar bis ans Ende des eigenen. Vor sich herschleppen musste man das täglich schwerer werdende Wesen, das da in einem heranwuchs, und dann sollte man auch noch die Entscheidung treffen, die das vor dem Ungeborenen liegende Leben prägen würde: die Entscheidung um den Namen des Kleinen. Also: Namensfindung ist das großen Ding rund um den Themenkomplex „Hurra, wir bekommen ein Baby!“.

Was war das für ein Riesenthema: nicht genug damit, dass man sich entschieden hat, Verantwortung für ein anderes Leben zu übernehmen, und zwar bis ans Ende des eigenen. Vor sich herschleppen musste man das täglich schwerer werdende Wesen, das da in einem heranwuchs, und dann sollte man auch noch die Entscheidung treffen, die das vor dem Ungeborenen liegende Leben prägen würde: die Entscheidung um den Namen des Kleinen. Also: Namensfindung ist das großen Ding rund um den Themenkomplex „Hurra, wir bekommen ein Baby!“.

Jetzt muss ich Acht geben, damit mein Thema nicht die großartige, alles umfassende Freude auf das Kind infrage zu stellen droht. Einer Freude, die ganz natürlich einhergeht mit dem innigsten Wunsch, nur das Beste für dieses neue Leben zu wollen. Doch das Durchtriebene an einer Maschinerie, die Kinder in den letzten Jahren immer mehr zu kleinen Königen stilisiert – viel mehr als ihnen lieb ist und erst recht, als sie vertragen können – ist das künstliche Aufbauschen doch eigentlich völlig natürlicher Umstände. Ich meine, ein Kind wird geboren.

 

Wow! Ich überlege kurz, aber mir fällt gerade nichts ein, dass weniger spektakulär wäre. Und ich meine spektakulär im Sinne von unnatürlich, außerterrestrisch und für unsere Welt ungreifbar, ist die Geburt neuen Lebens doch die Substanz unserer Natur. Doch was passiert? Statt dass sich alle entspannt und vertrauensvoll dem neuen Leben samt der dazugehörigen Aufgaben wie  Ernährung, Pflege und Liebe zum Kind widmen, gibt es haufenweise „man muss“. Und zwar alles richtig. Der richtige Sauger, die bessere Decke, die nötige Lampe, der perfekte Wagen, die  am meisten inspirierende Beschallung und  das anregendste Spielzeug. 
Ja und selbstverständlich den klangvollsten, Intelligenz ausstrahlenden, es als sozial privilegiert ausweisenden und bloß nicht nach vorgestern klingenden Namen. Für das heiß ersehnte Königskind eben nur das, was Königen gebührt. Und einem selbst.

In Buchhandlungen gibt es ja mittlerweile ganze Regale zum Thema „Der richtige Name für mein Kind“ (Zahlreiche dort nun fehlende Kochbücher mussten leider  ihren Platz räumen). Und das kleine Wörtchen mit „R“ im Titel verrät es schon: es gibt natürlich auch den Falschen. Also Namen. Und mit der Wahl dieses eventuell falschen Namen, hat man heute in der Hand, was in vergangenen Zeiten durch die Geburt in einen Stanhd bestimmt wurde: die Bildung, der Status, die Mittel und damit nicht zuletzt das Lebensglück eines Menschen. Misst man es an der Debatte um Namen, so kann man echt auf diese Idee kommen und sieht man es so schwarz auf weiß vor sich, so ist das doch echt der Hammer! Müsste eigentlich zu sofortigem Geburtenstopp führen. Merkwürdiger weise aber lassen sich junge Paare nicht abhalten, ganz im Gegenteil, sie bürden sich den völlig übertriebenen Druck auch noch freiwillig auf denn, wenn nicht aus Gründen der Nachfrage, warum wohl sonst füllen lange Namenslisten die Büchereien?

Jetzt könnte man entgegnen, dass man einer Marie-Sophie intuitiv eher die Stelle der Primaballerina anbietet, als einer „ Schakeliene“, vorausgesetzt, man hat beide noch nicht Tanzen sehen. Ok, das Beispiel ist ein wenig lebensfern, gebe ich zu, aber wie wäre es denn damit: von einem Dr. Friedrich von Weiss erwarte ich die korrekte Behandlung meines Gebisses, von einem Dr. Kevin Diego einen guten Rap, im Äußersten die Kompetenz, ein Tattoo zu stechen. Mag ja alles stimmen, sehe ich ja auch ein, aber dann…

…dann lerne ich diesen Menschen kennen. Und mein Herz klopft wie wild vom  ersten Moment an und hört nicht mehr auf. Wir kommen ins Gespräch, ich höre ihm zu und finde ihn wunderbar – ich diskutiere mit ihm und fühle mich großartig. Wir plaudern und lachen, und ich bin hin und weg. Als mich meine Freundin am nächsten Tag nach dem Namen des Glücklichen fragt – mein Gesicht strahle so verdächtig – muss ich verschämt zugeben, dass ich den gar nicht weiß. Mein nicht ganz so locker wie beabsichtigt rüber kommender Spruch „Namen sind eh nur Schall und Rauch“ lässt mich da auch nicht besser dastehen. Das große Gefühl ohne Namen – klingt ganz schön oberflächlich. Schließlich haben wir so viel ausgetauscht, geistig und was weiß denn ich, wie respekt- ach was sag ich, wahllos ist das denn bloß?!

Aber da ist ja noch mein Gefühl, und das fühlt sich so alles andere als oberflächlich an. Um genau zu sein, der Mann ohne Namen hat mich erschüttert. Bis in die Tiefen meines Seins. Und, so klar wie dieses Gefühl, war mir dann auch die Nichtigkeit seines Namens. Ob nun Hansi, Kevin oder Thorsten-Richard, es hätte mir nicht egaler sein können. Denn ich habe ihn namenlos und damit ihn, ganz ohne Kopfbilder (und glaubt mir, zu Hansi hätte ich ein paar schaurig schöne) kennenlernen dürfen.

Zur praktikablen Handhabung nun gebe ich gerne zu: ein Name an sich macht schon Sinn. Zur präzisen Ansprache, zum Verfluchen und zum Hauchen. Wobei, wenn ich recht überlege, ich weiß mittlerweile zwar den Namen, benutzt habe ich ihn aber trotzdem noch nicht. 
Den lieben, geplagten und völlig unter Druck gesetzten Eltern also ein Fazit:  auch ohne den „richtigen“ Namen, kann Euer Sprössling mächtig für Wirbel sorgen…!

Text: Kathrin Rindfleisch

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