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Bildung & Erziehung Gesellschaft

Schnippeln, essen, informieren

Montag, 16. März 2015 | Text: Jasmin Klein | Bild: Francesca Magistro

Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten

Wer etwas essen möchte, holt sich Teller und Besteck und stellt sich in die Schlange vor den großen Kochtöpfen im Saal des Bürgerhauses Stollwerck. Kartoffelsuppe, Gnocchi und Bratkartoffeln gibt es aber erst, wenn die Gäste das Gemüse vorher auch schön klein geschnippelt haben. 

Überall stehen Gemüsekisten, gefüllt mit Karotten, Blumenkohl, Roten Beten und Kartoffeln; Kartoffeln verschiedener Art, in allen Größen und Formen. Die Besucher sitzen an langen Tischen vor großen Schüsseln, es wird geschnippelt, gerieben, geschält: Willkommen zur großen Kartoffel-Show! Nach dem Vorbild der Schnippeldisco, einer Protestaktion junger Food-Aktivisten, kommen hier Besucher zusammen und zerkleinern das Gemüse, das vor der Vernichtung gerettet wurde. Warum eigentlich?

Das Gemüse passt nicht ins Raster. Gutes Gemüse kommt gar nicht erst in den Handel, wenn es nicht ‚schön’ ist, also zu groß, zu klein, zu unförmig, verwachsen. Kann es sich eine Gesellschaft leisten, so mit ihren Ressourcen, Ernten, Lebensmitteln umzugehen?

 

Die Lebensmittelverschwendung ist spätestens seit 2011 ein Thema in Deutschland, als der Kölner Dokumentarfilmer Valentin Thurn den Film ‚Taste the Waste’ in die Kinos brachte. Jedes Jahr werden in Deutschland 15 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Im Zuge dieser und weiterer Erkenntnisse über den Umgang mit Lebensmitteln in den Industriestaaten entstanden Gegenbewegungen; es vereinten sich Menschen, die etwas dagegen tun wollen.

 

Ein Baustein der Bewegung ist ‚die große Kartoffel-Show’, letzten Sonntag (15.03.2015) von 12-18 Uhr im Bürgerhaus Stollwerck. Mitorganisatorin Katrin Schwermer-Funke steht zu Beginn des Nachmittags auf der Bühne und gibt den interessierten Besuchern gleich Tipps an die Hand, wie man sich im Alltag verhalten kann, um nicht weiter zu machen wie bisher: Krummes Gemüse kaufen. Lebensmittel klüger lagern, Reste retten (auch beim Restaurantbesuch). Kreative Resteküche etablieren. In der Stadt nach öffentlichen Erntemöglichkeiten suchen. Das Wissen älterer Generationen aufspüren. Saisonal und regional einkaufen. Weniger Fleisch essen, und wenn schon, dann alles vom Tier, nicht nur die Filets und die Brust usw.

 

 

Der Besucher lernt, dass es sogar schon Bäckereiketten gibt, die nur die gesammelten Backwaren vom Vortag verkaufen. Es geschieht also bereits eine ganze Menge, und jetzt sind alle Anwesenden ein Teil dieser Bewegung. Mit dieser Motivation schnippelt es sich gleich viel leichter. Der halbe Saal sitzt an Tischen und zerkleinert Gemüse, die andere Hälfte sitzt andächtig auf den Stühlen und lauscht den verschiedenen Vorträgen.

Wir lernen in einem Gespräch zwischen Festivalguide-Chefredakteur Carsten Schumacher und Mitorganisator der Kartoffel-Show Holger Jan Schmidt, welche Verantwortung die Veranstalter großer Festivals haben, wenn sie sich ums Catering von Hunderten oder Tausenden von Besuchern kümmern müssen (Schmidt war jahrelang Veranstalter der Bonner Rheinkultur).

 

Ein Interview mit Lisa Anschütz vom Archehof Windeck und Judith Levold vom Gemeinschaftsgarten Neuland verdeutlicht, wie man Kartoffeln als Städter anpflanzen kann. Erkenntnis: es ginge sogar im Reissack auf dem Balkon. Über 5.000 verschiedene Sorten gibt es, und die Kartoffel ist ein gutes Grundnahrungsmittel. Judith Levold: „Man braucht nicht zwingend viel Geld, um sich gesund, lecker und bio zu ernähren.“ Lisa Anschütz: „Wir müssen das essen, was wir retten wollen. Wer die Vielfalt erhalten will, muss sie nachfragen!“

 

Kleiner Höhepunkt der Veranstaltung ist der Auftritt von Valentin Thurn, eben dem Mann, der der Bewegung mit seinem Kinofilm einen ordentlichen Schub gegeben hat. Wir sehen Ausschnitte aus ‚Taste the waste’ und auch den Trailer zu seiner neuen Doku ‚10 Milliarden – wie werden wir alle satt?’.

 

Das Publikum ist bunt gemischt, alle Altersgruppen, vom Säugling bis zum Senior, sind vertreten, und Schwermer-Funke freut sich: „Die Besucher sind interessiert und aufmerksam.“

Die Kartoffel-Show war eine einmalige Veranstaltung, gefördert von der Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW. Es sind viele gekommen, es gingen sicher jedem ein paar Lichter auf, und satt, gut gelaunt und um einige Informationen klüger gingen die Besucher wieder nach Hause.

 

 

Mehr im Netz

Foodsharing.de

Mundraub.org

#thinkglobaleatlocal

www.slowfood.de/slow_food_vor_ort/koeln/slow_food_youth_koeln/

 

 

 

 

 

 

 

 

Text: Jasmin Klein

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